Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist Pflicht!

Was früher im Online-Handel eine Todsünde war, soll heute nach Ansicht des OLG Hamm Pflicht sein: Die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Sind jetzt wieder tausende Händler von Abmahnungen bedroht und beginnt der Streit um die Richtigkeit der Muster-Widerrufsbelehrung erneut?

Update: OLG Frankfurt bestätigt Ansicht des OLG Hamm.

Das LG Bochum entschied im letzten Jahr, dass die Telefonnummer Pflichtbestandteil der Widerrufsbelehrung sei.

"Auch wenn die Nennung der Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse nicht unmittelbar im Gesetz, sondern lediglich in dem Gestaltungshinweis zur Muster-Widerrufsbelehrung erwähnt ist, wird aus dem Gesamtkontext deutlich, dass der Gesetzgeber, der mit der Neufassung die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher dadurch erleichtern wollte, dass die bisherige Formvorschrift wegfiel, eine ausreichende Information des Verbrauchers über diese Neuregelung und die Möglichkeiten des Widerrufs durch Benutzung von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sicherstellen wollte.

Eine vollständige und richtige Widerrufsbelehrung gebietet daher nach Auffassung der Kammer die Nennung von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse, sofern diese verfügbar sind."

Welchen nebulösen "Gesamtkontext" das Gericht zu erkennen vermochte, wurde leider nicht näher ausgeführt. Das Gericht hat diese Auffassung auch noch in einer weiteren Entscheidung vertreten.

OLG Hamm folgt dieser Auffassung

Gegen diese zweite Entscheidung aus Bochum legte der Antragsgegner (verständlicherweise) Berufung ein. Dann erhielt er allerdings einen Dämpfer vom OLG Hamm (Beschl. v. 24.3.2015, I-4 U 30/15). Denn das Gericht erließ einen Hinweisbeschluss:

"Die in dem Verkaufsangebot wiedergegebene Widerrufsbelehrung steht mit diesen Vorschriften nicht in Einklang. Danach muss der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechtes informieren.

Für die Erfüllung dieser Informationspflicht stehen dem Unternehmer verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Eine dieser Erfüllungsmöglichkeiten benennt Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB: Danach kann der Unternehmer die Informationspflicht dadurch erfüllen, dass er das in Anlage 1 (zu Art. 246a EGBGB) vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform an den Verbraucher übermittelt.

Die Verfügungsbeklagte hat ihre diesbezügliche Informationspflicht nicht in der durch Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB eröffneten Möglichkeit erfüllt. Denn sie hat das Muster für die Widerrufsbelehrung nicht zutreffend ausgefüllt. Das Muster sieht u.a. - "soweit verfügbar" - die Angab der Telefonnummer des Unternehmers vor.

Wie sich aus dem im Verkaufsangebot enthaltenen Impressum der Verfügungsbeklagten ergibt, verfügt sie über eine geschäftlich genutzte Telefonnummer. Gleichwohl hat sie diese an der vorgesehenen Stelle nicht in die von ihr verwendete Muster-Widerrufsbelehrung eingetragen.

Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf berufen, bei ihr sei kein Mitarbeiter zur Bearbeitung von telefonischen Widerrufserklärungen eingesetzt bzw. verfügbar. Da sie ausweislich ihres Impressums einen geschäftlichen Telefonanschluss unterhält, muss sie über diesen auch telefonisch mitgeteilte Widerrufserklärungen entgegennehmen. Sie kann diesen Telefonanschluss nicht für die Entgegennahme von Widerrufserklärungen "sperren".

Dass Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Frage bestehen können, ob ein Widerruf telefonisch erklärt worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Verfügungsbeklagte hat ihre Informationspflicht auch nicht auf eine andere Weise erfüllt. Die von ihr gewählte Form der Widerrufsbelehrung erweckt den sowohl in rechtlicherals auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffenden Eindruck, der Widerruf könne ihr gegenüber nur schriftlich erklärt werden."

Nach diesem Hinweisbeschluss nahm der Antragsgegner die Berufung gegen die Entscheidung aus Bochum zurück, sodass das Urteil jetzt rechtskräftig ist.

Leider unterlässt es das Gericht, sich mit der Entstehungsgeschichte der Richtlinie oder mit dem von der EU-Kommission veröffentlichten Leitfaden auseinanderzusetzen. Dort heißt es zur Pflicht, eine Telefonnummer anzugeben:

"Im Allgemeinen sollten die Unternehmer zumindest ausführliche Angaben zu denjenigen Fernkommunikationsmitteln machen, die sie für Vertriebsaktivitäten verwenden. So

Update: OLF Frankfurt folgt OLG Hamm

Das OLG Frankfurt (Beschluss v. 4.2.2016, 6 W 10/16) hat sich der Meinung des OLG Hamm angeschlossen und entschieden, dass eine Telefonnummer zwingend in der Widerrufsbelehrung anzugeben ist. Zur Begründung führt das Gericht denkbar kurz aus:

"Die beanstandete Widerrufsbelehrung wird den in diesen Vorschriften genannten Anforderungen insoweit nicht gerecht, als hierin die Telefonnummer der Antragsgegnerin nicht angegeben ist, obwohl die Antragsgegnerin einen Telefonanschluss unterhält.

Durch den Verstoß werden die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt (§ 3a UWG), weil ihnen die durch das Gesetz eröffnete Möglichkeit des telefonischen Widerrufs erschwert wird."

Angabe der Telefonnummer widerspricht Verbraucherschutz

Die Angabe der Telefonnummer widerspricht auch dem Gedanken des Verbraucherschutzes, der eigentlich mit den neuen Regelungen gestärkt werden sollte. Denn unerwähnt in der Widerrufsbelehrung bleibt nämlich, dass der Verbraucher die Beweislast für die Ausübung des Widerrufsrechtes trägt.

Dass er aber (fristgerecht) beim Unternehmer angerufen hat, um seinen Widerruf zu erklären, wird der Verbraucher niemals nachweisen können. Hier ist also Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Muster verschweigt telefonischen Widerruf

Wenn das Gericht meint, der Unternehmer hätte durch die von ihm "gewählte Form der Widerrufsbelehrung" den Eindruck erweckt, der Widerruf könne nur schriftlich erfolgen, kann man diesem nur entgegenhalten, dass die gesetzlich vorgeschlagene Muster-Widerrufsbelehrung ebenfalls den Eindruck erweckt, der Widerruf sei nur schriftlich möglich, denn es heißt darin:

"Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (   ) mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren."

Im Klammerzusatz steht gerade kein Wort davon, dass der Widerruf telefonisch erklärt werden kann. Für den Verbraucher dürfte die Angabe einer Telefonnummer innerhalb der Belehrung eher irreführend sein, wenn gleichzeitig nicht darauf hingewiesen, dass der Widerruf auch telefonisch erklärt werden kann.

Das Gericht lässt außerdem völlig außer Acht, dass jeder deutsche Online-Händler europarechtswidrig zur Angabe einer Telefonnummer verpflichtet ist und damit jeder Online-Händler nach der Argumentation des Gerichts verpflichtet ist, seine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung anzugeben. Dann stellt sich allerdings die Frage, weshalb der EU-Gesetzgeber ein "soweit verfügbar" vor "Telefonnummer" geschrieben hat.

Fazit

Man kann ja durchaus der Meinung sein, dass die Telefonnummer Pflichtbestandteil der Widerrufsbelehrung sei. Dann muss man dies aber ordentlich begründen und nicht so wie das OLG Hamm dies hier getan hat. Wurde früher vor Abmahnungen wegen einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung gewarnt, muss man heute wohl vor Abmahnungen wegen KEINER Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung warnen.

Für viele Händler kommt ein weiteres Problem hinzu: Wurde unter Geltung des alten Rechts eine Unterlassungserklärung abgegeben, nach der man sich verpflichtet hat, es zu unterlassen, eine Telefonnummer anzugeben, gilt diese Unterlassungserklärung auch immer noch weiter. Ob diese jetzt noch gekündigt werden kann wegen geänderter Rechtslage, obwohl das neue Recht schon seit 13. Juni 2014 gilt, ist zumindest fraglich. Am besten lassen Sie sich hier anwaltlich beraten.

Übrigens: Das ist schon die zweite Entscheidung des OLG Hamm zu dieser Frage. In einem Hinweisbeschluss vom 3.3.2015, Az. 4 U 174/14 hat das Gericht diese Auffassung ebenfalls vertreten mit den gleichen Argumenten.

Auch dieses Urteil zeigt: Trotz gesetzlicher Muster-Widerrufsbelehrung ist es für Händler nicht leicht, korrekt über das Widerrufsrecht zu belehren. Abmahnungen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen sind noch immer der häufigste Abmahngrund im Online-Handel.

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Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com

09.05.16