"Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt" heißt es auf vielen Websites. Es folgen dann Ausführungen zum Thema Rechtsmissbrauch und Verweigerung der Kostentragung. Rechtlich sind diese Texte völlig ohne Bedeutung für denjenigen, der sich nicht daran hält. Man selbst muss sich aber daran halten, will man einen Wettbewerbsverstoß bei einem Mitbewerber verfolgen.
Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 52/15) hatte sich als nunmehr drittes Gericht mit dem Disclaimer in einem Online-Shop, der unter der Headline "Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt" stand, zu beschäftigen.
Die Klägerin hatte auf ihrer Website folgenden Hinweis mit eingebunden:
"Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt!
Sollte der Inhalt oder die Aufmachung dieser Seiten fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzen, so bitten wir um eine entsprechende Nachricht ohne Kostennote. (...) Dennoch von Ihnen ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgelöste Kosten werden wir vollumfänglich zurückweisen und gegebenenfalls Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen einreichen."
Sie selbst mahnte die Beklagte dann kostenpflichtig ab und verlangte im gerichtlichen Verfahren dann die Erstattung der Anwaltskosten für die beiden Abmahnungen. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte die Beklagte auch zur Zahlung der Anwaltskosten.
Der Hinweis auf der Seite der Klägerin stehe dem nicht entgegen, so das Landgericht. Die Abmahnungen seien berechtigt erfolgt, also entstehe auch der gesetzlich vorgesehene Erstattungsanspruch für die Abmahnkosten.
Dem folgte das OLG Düsseldorf nicht. Es entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten habe.
"Die Klägerin kann von dem Beklagten für die beiden Abmahnungen nicht die Zahlung der hierfür angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 695,20 € aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen, weil sie sich durch dieses Verlangen in Widerspruch zu ihrem eigenen Verlangen setzt, nicht mit Anwaltskosten für Abmahnungen belastet zu werden und ihr Zahlungsverlangen daher gegen den Grundsatz von Treu- und Glauben, § 242 BGB, verstößt.
Die Klägerin verlangt von ihren Mitbewerbern, dass diese sich nach der Entdeckung von Wettbewerbsverstößen zunächst selber an sie wenden sollen, um eine kostenträchtige anwaltliche Abmahnung zu vermeiden.
Sie droht insoweit an, die Anwaltskosten nicht zu zahlen und sogar den gleichwohl einen Anwalt bemühenden Wettbewerber mit einem Rechtsstreit zu überziehen.
Unabhängig davon, dass eine derartige Klausel keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, ist sie geeignet, jedenfalls rechtunkundige Mitbewerber zu verunsichern und zu veranlassen, vorsichtshalber selber abzumahnen.
Wer ein solches Verhalten von Anderen erwartet, muss sich dann aber im Gegenzug auch ebenso verhalten und sich behandeln lassen, als habe er sich rechtlich verpflichtet, vor der Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes die Rechtsverletzung zunächst selber geltend zu machen, denn es ist kein Grund ersichtlich, diese Vergünstigung, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, den Mitbewerbern vorzuenthalten."
Für diese Beurteilung spiele es keine Rolle, so das Gericht weiter, dass die Klausel an sich rechtlich keinerlei Wirkung den angesprochenen Mitbewerbern gegenüber entfalte.
"Würde man die Unwirksamkeit der Klausel zugunsten der Klägerin berücksichtigen, würde dies auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz verstoßen, dass sich der Verwender unwirksamer AGB-Klauseln dann nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, wenn deren Unwirksamkeit ihm ausnahmsweise günstig ist."
Damit folgt das OLG Düsseldorf einer älteren Entscheidung des OLG Hamm, dass sich ebenfalls schon mit einem "Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt"-Hinweis zu beschäftigen hatte.
Das OLG Hamm (Urt. v. 31.1.2012, 4 U 169/11) hatte über die Kosten einer Abmahnung zu entscheiden. Die Abmahnerin verwendete auf Ihrer eigenen Website einen ähnlichen Text wie die Klägerin im Fall des OLG Düsseldorf:
"Um die Kosten eines Rechtsstreits zu vermeiden, sollten Sie uns im Vorfeld bei unvollständigen Angaben, wettbewerbsrechtlichen Vorkommnissen oder ähnlichen Problemen auf dem Postwege kontaktieren. Eine kostenpflichtige anwaltliche Abmahnung ohne diesen vorab Kontakt, wird aus Sicht der Schadensminderungspflicht als unzulässig abgewiesen."
Als sie einen Wettbewerbsverstoß in einer Zeitungswerbung bei einem Mitbewerber fand, mahnte sie diesen durch ihren Anwalt kostenpflichtig ab und forderte die Erstattung von 755,80 Euro Anwaltskosten.
Der Abgemahnte gab zwar eine Unterlassungserklärung ab, die Erstattung der Kosten verweigerte er jedoch. Daher klagte die Abmahnerin die Kosten ein.
Voraussetzung für den Erstattungsanspruch der Anwaltskosten ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, dass die Abmahnung berechtigt war und es sich bei den Anwaltskosten um erforderliche Aufwendungen gehandelt hatte.
Diese Voraussetzungen lagen nach der Auffassung des OLG Hamm aber nicht alle vor.
Eine Abmahnung ist berechtigt, so das Gericht, wenn der Unterlassungsanspruch besteht und
"und die Abmahnung entsprechend ihrer wettbewerbsrechtlichen Aufgabe auch erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen."
Für den Kostenerstattungsanspruch sei es vorliegend nicht erheblich, ob der Unterlassungsanspruch bestand, da die Abmahnung zur Durchsetzung des Anspruches schon nicht erforderlich war, so das Gericht weiter.
"Bereits ein Vorabkontakt durch die Klägerin selbst hätte hier ausgereicht, um eine förmliche Abmahnung durch einen Anwalt und den damit verbundenen Anfall von erheblichen Kosten ebenso zu vermeiden wie ein gerichtliches Verfahren."
In § 12 Abs. 1 UWG ist die Abmahnung und auch die entsprechende Kostenerstattung explizit gesetzlich geregelt. Von dieser gesetzlichen Regelung können Mitbewerber durch Vereinbarung aber abweichen. Solche Vereinbaren sind dem Senat in Hamm auch bekannt.
In diesem Fall haben die Parteien aber gerade keine solche Absprache getroffen.
Allerdings, so das Gericht weiter, stehe dem Erstattungsanspruch hier der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB entgegen, weil sich die Abmahnerin widersprüchlich verhält. Über diesen Grundsatz konstruiert das Gericht, dass der Hinweis auf der Website der Abmahnerin so zu lesen ist, als wäre dies eine Vereinbarung zwischen den Parteien.
"Die Klägerin muss sich deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob im Rahmen dieser Sonderverbindung eine solche Absprache getroffen worden wäre, weil ihr Verhalten ansonsten einen unauflösbaren Selbstwiderspruch darstellen würde."
Die Klägerin verlangte von ihren Mitbewerbern einen zunächst kostenlosen Kontakt. Außerdem droht sie damit, sich auf die Schadensminderungspflicht zu berufen, wenn man sie doch kostenpflichtig abmahnt.
"Auch wenn diese Einschätzung ohne eine gesonderte Vereinbarung der obigen Art rechtlich nicht zutreffend ist und dem abmahnenden Mitbewerber freisteht, sofort abzumahnen und die Kosten dafür erstattet zu verlangen, wird der rechtlich unkundige Mitbewerber in dieser Frage verunsichert und kann sich veranlasst sehen, die Klägerin vor einer anwaltlichen Abmahnung vorsichtshalber selber anzuschreiben.
Derjenige, der eine solche Vorgehensweise von den Mitbewerbern unter Androhung einer Sanktion verlangt und diese dadurch zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, muss sich dann auch selbst so verhalten.
Er bindet sich mit einer solchen Verhaltensempfehlung in Bezug auf sein eigenes Verhalten in ähnlicher Weise, als wenn er sich vertraglich zu einem solchen Vorabkontakt verpflichtet hätte.
Mit diesem zu erwartenden Verhalten setzt sich die Klägerin in rechtlich erheblicher Weise in Widerspruch, wenn sie unstreitig noch wiederholt Mitbewerber wie hier den Beklagten wegen eines bestimmten Anzeigeninhalts sofort durch einen Anwalt abmahnen lässt.
Den Mitbewerbern wird die aus Rechtsgründen für erforderlich gehaltene Vergünstigung genommen, kostenneutral auf einen Wettbewerbsverstoß hingewiesen zu werden, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt. Für dieses widersprüchliche Verhalten sind auch keine Gründe ersichtlich.
Das Begehren eines Vorabkontakts wird von der Klägerin ausdrücklich nicht auf einfache und unkomplizierte Wettbewerbsverstöße beschränkt, sondern soll für alle Mitbewerber und uneingeschränkt gelten.
Der Beklagte konnte sich durchaus davon angesprochen fühlen und im Umkehrschluss auf ein gleichartiges Verhalten der Klägerin vertrauen. Die Klägerin ist im Falle einer solchen Selbstbindung auch nicht daran gehindert, die Berechtigung einer Abmahnung durch einen Anwalt prüfen zu lassen, dann allerdings auf ihre Kosten."
Daher wurde die Klage abgewiesen.
Auch das OLG Celle (Beschluss v. 28.3.2013, 13 U 19/13) hat sich mit dem Disclaimer "Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt" beschäftigt und kam inhaltlich zu einer anderen Bewertung als das OLG Hamm und das OLG Düsseldorf.
Leider lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, welchen Wortlaut die dort verwendete "Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt"-Klausel genau hatte. Es steht im Beschluss lediglich, dass diese wohl aggressiv formuliert war.
Auch hier ging es um die Erstattung von Abmahnkosten. Das LG Hannover hatte dem Kläger diesen Anspruch mit Verweis auf das oben dargestellte Urteil des OLG Hamm verwehrt. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein.
Das OLG Celle erließ dann einen Hinweisbeschluss. Darin gab das Gericht zu erkennen, dass es den Zahlungsanspruch des Klägers dem Grunde nach bejahe, allerdings der Höhe nach anzweifle.
Der Abmahnung zugrunde lag eine fehlerhafte Grundpreisangabe. Dies hatte der Kläger abgemahnt.
Das OLG Celle wandte sich dann mit sehr deutlichen Worten gegen die Entscheidung aus Hamm:
"Der Senat hat bereits Zweifel an der grundsätzlichen dogmatischen Herleitung der rechtlichen Konstruktion des OLG Hamm."
Der Senat bezweifelte insbesondere die Konstruktion, dass der Verwender einer rechtlich unbedeutenden Klausel daraus Nachteile erleiden solle, die ein potentieller Leser dieser Klausel niemals hat.
"Insbesondere erscheint es dem Senat aus Rechtsgründen als fraglich, warum dem Kläger aus seiner eigenen - allerdings überaus aggressiv formulierten - „Abwehrklausel“ im vorliegenden Verfahren Rechtsnachteile erfolgen können sollen, wenn diese eigene „Abwehrklausel“ - was als solches unzweifelhaft ist - ihrerseits selbstverständlich keine Rechtswirkungen hätte entfalten können."
Im vorliegenden Fall kämen außerdem noch andere Faktoren zum Tragen, weswegen der Senat die Revision zur Klärung dieser Frage nicht zulassen müsse:
"Denn unstreitig hat sich die eigene „Abwehrklausel“ des Klägers lediglich im Rahmen seiner Angebote für Bekleidungen befunden, nicht aber im Bereich der hier streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittel.
Nur in Bezug auf den letztgenannten Bereich kann aber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien hergeleitet werden.
Wenn aber der Kläger seine „Abwehrklausel“ gerade nicht in dem Bereich seines Internetauftritts verwendet, der zu der Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründet, vermag der Senat auch unter Zugrundelegung der rechtlichen Argumentation des OLG Hamm nicht zu erkennen, dass die Klägerin sich - wegen der an Wettbewerber im Bereich des Bekleidungsverkaufs gerichteten „Abwehrklausel“ - nach Treu und Glauben in einen Selbstwiderspruch begibt, wenn sie den Beklagten gemäß § 12 Abs. 1 UWG abmahnt."
Die Gerichte stimmen zumindest darin überein, dass derartigen "Abwehrklauseln" für sich genommen keinerlei rechtliche Bedeutung zukommt. Wird der Verwender einer solchen Klausel berechtigt abgemahnt, muss er dennoch die Anwaltskosten des Abmahners zahlen. Händler sollten den Hinweis "Keine Abmahnung ohne vorhigen Kontakt" von ihren Websites streichen. Disclaimer sind rechtlich wirkungslos und können - wie diese Fälle zeigen - auch noch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. (mr)
Wenn Sie sich keine Sorgen mehr machen wollen, wichtige Urteile oder neue Gesetze zu verpassen, die sich auf Ihre Texte im Shop auswirken, dann buchen Sie unseren Abmahnschutz!
[hubspotform whitepaper="true" title="Studien-Ergebnisse herunterladen: Abmahnungen im Online-Handel 2016" image_path="" image_text="Abmahnungen im Online-Handel sind noch immer ein großes Problem. Und es hat sich verschärt: Im letzten Jahr wurde mehr abgemahnt und Abmahnungen wurden teurer. Das hat unsere Studie ergeben. Laden Sie sich jetzt die Ergebnisse im Detail herunter." copy_text="" portal_id="603347" form_id="15581791-f9ae-42db-8e70-a30313d87dee" css=""]
Bildnachweis: Michal Kalasek/shutterstock.com