Die verschiedenen Zahlungsdienstleister wollen das Ausfallrisiko für den Online-Händler verringern. Aber dennoch haben viele von Ihnen mit unbezahlten Rechnungen zu tun. Aber was können Sie in solchen Fällen tun? Können Sie Bestellungen einfach stornieren? Dürfen Mahngebühren erhoben werden? Wir erklären es Ihnen.
Nicht bezahlte Rechnungen sind ein Ärgernis. Dabei geht es nicht nur darum, wenn der Kunde "auf Rechnung" bestellt, also erst zahlen muss, wenn er auch die Ware geliefert bekommen hat.
Auch bei Wahl der Zahlungsart Vorkasse oder anderen kann es sein, dass der Händler auf den Zahlungseingang warten muss. Oft hört man dann von Händlern: "Dann stornier ich die Bestellung einfach!" Aber so einfach ist das nicht, denn ein Recht auf "Stornierung" gibt es nicht. Der Begriff "Stornierung" ist dem Gesetz völlig fremd!
Es steht Ihnen zwar frei, eine Bestellung gar nicht erst anzunehmen, wenn der Kunde mit Zahlungen aber im Rückstand ist, steht ja fest, dass schon ein Vertrag besteht, denn vor einem Vertragsschluss muss der Kunde niemals zahlen. Und einen bestehenden Vertrag können Sie einseitig nicht so einfach "stornieren".
Damit überhaupt irgendwelche Rechte auf Seiten des Händlers entstehen, muss sich der Kunde in Verzug befinden. Aber was bedeutet das genau? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden?
Der Verzug und die daraus entstehenden Rechtsfolgen sind klar im Gesetz geregelt:
Die Grundregel bietet § 286 BGB. Dort heißt es in Abs. 1:
"Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug."
Das bedeutet also im Grundsatz: Der Verbraucher kommt erst durch eine Mahnung in Verzug. Erst wenn der Kunde in Verzug gesetzt wurde, entstehen beim Händler auch Schadensersatzansprüche.
Das hat zur Folge, dass für die erste Mahnung keine Mahngebühr verlangt werden kann. Denn das Verlangen dieser Mahngebühr wäre die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches.
Dieser besteht im Zeitpunkt der ersten Mahnung aber noch nicht, weil der Kunde da noch nicht in Verzug ist und somit auch noch kein Verzugsschaden entstanden sein kann.
Die bloße Übersendung einer Rechnung - auch wenn darin eine Zahlungsfrist enthalten sein sollte - stellt keine Mahnung dar.
Das Gesetz kennt aber auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, also Fallkonstellationen, in denen für den Verzug keine Mahnung erforderlich ist. In § 286 Abs. 2 BGB heißt es dazu:
"Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist."
Nummer eins würde greifen, wenn es schon im Vertrag (also für den Kunden vor Abgabe der Bestellung) heißt: "Der Kunde muss die Rechnung bis 1. Januar 2016 bezahlen." Eine einseitige Bestimmung eines Termins durch den Händler nach Abgabe der Bestellung reicht nicht.
Eine klare Datumsangabe wäre also eine Leistungszeit, die nach dem Kalender bestimmt ist.
Nummer zwei würde greifen, wenn schon vor Abgabe der Bestellung klar ist: "Der Kunde muss die Rechnung innerhalb von 14 Tagen ab Ablieferung der Ware bezahlen." Nicht unter Nummer zwei würde die Bestimmung fallen, dass der Betrag "sofort" nach Lieferung zu zahlen ist, weil "sofort" nicht nach dem Kalender berechenbar ist.
Soweit der Kunde nach Nummer drei der Vorschrift die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert, gerät er ebenfalls ohne Mahnung in Verzug. Hier gelten allerdings strenge Anforderungen. Die Verweigerung des Kunden muss als „letztes Wort“ zu verstehen sein.
Letztlich können besondere Gründe nach Nummer vier den sofortigen Verzugseintritt begründen. Relevant kann hier vor allem die Zugangsvereitelung sein, wenn z.B. der Kunde die Annahme der Mahnung verweigert. Auch eine sog. Selbstmahnung kommt hier in Betracht, wenn der Kunde die Begleichung der Rechnung zu einem bestimmten Termin ausdrücklich ankündigt, aber dennoch nicht bezahlt.
Weiterhin gilt nach § 286 Abs. 3 BGB, dass der Kunde bei Geldschulden spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder Zahlungsaufstellung in Verzug kommt.
Bei Verbrauchern gilt allerdings die zusätzliche Voraussetzung, dass sie auf diese Rechtsfolge in der Rechnung ausdrücklich hingewiesen werden müssen.
Wichtig: Ein Hinweis auf diese 30-Tages-Frist in den AGB oder der Auftragsbestätigung ist nicht ausreichend. Der Hinweis muss zwingend auf der Rechnung stehen.
Befindet sich der Kunde in Verzug, löst dies Rechtsfolgen aus.
Zunächst hat der Händler gegen den Kunden einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch den Verzug eingetreten ist. Hierzu können auch Mahngebühren für die folgenden Mahnungen zählen.
Ist der Kunde kein Verbraucher, so hat der Händler gegen den säumigen Geldschuldner einen Anspruch auf eine Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro nach § 286 Abs. 5 BGB.
Diese kann völlig unabhängig vom tatsächlich eingetretenen Schaden verlangt werden. Muss aber - sofern die Forderung später z.B. mit Hilfe eines Anwalts durchgesetzt wird - auf die Anwaltskosten angerechnet werden.
Bei Unklarheit über die Verbrauchereigenschaft des Kunden müssen hier allerdings Umstände vorliegen, die zweifelsfrei nahelegen, dass der Kunde zu gewerblichen oder selbständigen Zwecken handelt.
Befindet sich der Kunde im Verzug, haben Händler einen Anspruch auf Ersatz der Schäden, die aufgrund dieses Verzuges entstanden sind. Hierzu gehören grundsätzlich auch Mahngebühren.
Dabei ist jedoch besondere Vorsicht geboten, da oft völlig überhöhte Mahngebühren verlangt werden.
Auch pauschale, in den AGB festgelegte Mahngebühren sind in aller Regel unzulässig.
Bei pauschalierten Mahngebühren ist nach Auffassung des LG Düsseldorf (Urt. v. 29.7.2015, 12 O 195/15) eine besondere Transparenz geboten. Wer pauschale Mahngebühren in seinen AGB vereinbaren will, muss zum einen genau auf die Formulierung achten und des Weiteren muss er im Streitfall beweisen können, dass das die tatsächlichen Kosten sind, die bei ihm anfallen.
Der Verweis auf einen "branchenüblichen" Schaden genügt nicht. Erforderlich ist die Darlegung von Tatsachen, die zumindest den durchschnittlichen durch Mahnungen anfallenden Schaden beim Händler nachvollziehbar machen.
Mahngebühren sind häufig deswegen überhöht, weil unternehmerische Kosten mit eingerechnet werden, die nach der Rechtsprechung aber nicht zu den erstattbaren Kosten zählen, wie z.B. Personalkosten.
Denn: Eine "Strafgebühr" dürfen Mahngebühren nicht sein. Sie dürfen nur den tatsächlich entstandenen Schaden abdecken. Der Unternehmer darf mit diesen "Mahngebühren" keinen zusätzlichen Gewinn einstreichen.
Das heißt also, die Arbeitszeit, die für die Erstellung einer Mahnung aufgebracht werden muss, kann nicht durch Mahngebühren abgegolten werden.
Erstattbar sind aber die Kosten für das Papier und das Porto.
Das LG Düsseldorf hat für den Materialaufwand 0,07 Euro angesetzt. Das Porto beträgt derzeit 0,70 Euro, das ergibt also eine erstattbare Mahngebühr von 0,77 Euro.
Verweigert der Kunde trotz mehrfacher Mahnung die Zahlung weiter, sehen Händler häufig den Gang zum Inkasso-Unternehmen als ultima ratio.
Grundsätzlich gelten diese Rechtsverfolgungskosten auch als ersatzfähig. Die Einschaltung eines Inkasso-Unternehmens wird aber von einem großen Teil der Gerichte als nicht erforderlich angesehen, da die eigene Betreibung des Mahnwesens oder der gerichtliche Mahnbescheid als kostengünstiger und erfolgversprechender angesehen werden.
Dabei sollte beachtet werden, dass den Händler auch als Geschädigten nach § 254 Abs. 2 BGB die Pflicht trifft, den Schaden möglichst gering zu halten (sog. Schadensminderungspflicht).
Schließlich muss man sich fragen: Warum sollte der Kunde auf den Brief eines Inkasso-Unternehmens zahlen, wenn er auf einen Brief des Unternehmers nicht zahlt? Denn andere Möglichkeiten als der Unternehmer haben (seriöse) Inkasso-Unternehmen auch nicht.
Einigkeit besteht lediglich dahingehend, dass die Kosten für Einschaltung eines Inkassobüros dann ersetzbar sind, wenn der Gläubiger davon ausgehen kann, dass der Schuldner in diesem Fall doch noch zahlt. Dies wird jedoch in der Realität kaum der Fall sein.
Die Kosten, die für das Inkasso-Unternehmen erstattet verlangt werden können, sind gedeckelt auf die Kosten, die ein Rechtsanwalt für diese Arbeit verlangen könnte.
Details zur Erstattung von Inkassokosten finden Sie in unserem Beitrag "Müssen Verbraucher Inkassogebühren zahlen?"
Leistet der Kunde die Zahlung bei Bestellungen auf Vorkasse nicht, herrscht regelmäßig Unsicherheit bei den Händlern, wie weiter zu verfahren ist. Häufig will der Händler hier mit einer vermeintlichen „Stornierung“ der Bestellung die Sache erledigt wissen.
Rechtlich betrachtet besteht der Anspruch des Kunden auf Lieferung der Kaufsache jedoch weiter, dieser kann durch den Händler nur durch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gehemmt werden, solange der Kunde nicht zahlt.
Grundsätzlich ist damit aber weder der Kaufvertrag, noch die Leistungspflicht des Händlers auf Absendung der Ware erloschen.
Dem Händler kann jedoch ein Rücktrittsrecht zustehen. Dafür müssen aber weitere Voraussetzungen als die bloße Nichtzahlung erfüllt sein.
Bevor der Händler zurücktreten kann, muss er dem Kunden eine angemessene Frist zur Zahlung setzen - also ähnlich wie oben beim Verzug. Als Richtwert können zwei Wochen als angemessene Frist gesehen werden.
Ist auch diese Frist verstrichen, kann der Händler vom Vertrag zurücktreten. Dies muss er aber ausdrücklich erklären, also z.B. per Mail an den Verbraucher.
Der Rücktritt ist ein sog. Gestaltungsrecht. Dieses muss ausgeübt werden. Dazu bedarf es einer Erklärung gegenüber des anderen Vertragspartners, die diesem auch zugehen muss. Beweispflichtig für den Zugang ist in diesem Falle der Händler.
Auch bei bereits versandter Ware auf Rechnung ist natürlich ein Rücktritt bei Nichtzahlung möglich. Dann hat der Händler einen Anspruch auf Rücksendung der Ware.
Egal, ob bei Bestellungen auf Rechnung oder gegen Vorkasse: Zahlt der Kunde nicht, so muss der Händler grundsätzlich zunächst mahnen und eine angemessene Frist zur Zahlung einräumen - erst danach kann er sich vom Vertrag lösen. Bezüglich der Erhebung von Mahngebühren ist besondere Vorsicht geboten, hier sollte sich auf tatsächliche nachvollziehbare Kosten beschränkt werden, um keine Abmahnung zu riskieren.