Ein Dokument namens AGB zu besitzen, ist keine gesetzliche Pflicht, aber alltägliche Realität. Hintergrund sind die zahlreichen Informationspflichten, die ein Online-Händler erfüllen muss. Würden diese Texte tatsächlich von Verbrauchern gelesen werden, würde das insgesamt 67 Arbeitstage dauern.
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz twitterte gestern:
“Wenn wir alle #AGB, denen wir einfach zustimmen, lesen würden, wären wir rechnerisch 67 Arbeitstage damit beschäftigt” @heikomaas #360grad
— BMJV (@BMJV_Bund) 23. September 2015
67 Arbeitstage!
Dr. Martin Schirmbacher, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Härting, fand in seinem Antwort-Tweet an das Ministerium auch schnell den Schuldigen für diese unglaubliche Zeitverschwendung aus:
Es wären nur 34 Tage, wenn die Unternehmen nicht die ganzen Informationspflichten erfüllen müssten @BMJV_Bund @heikomaas #360Grad #AGB
— Martin Schirmbacher (@mschirmbacher) 23. September 2015
Dem kann man nur zustimmen!
Allein die Widerrufsbelehrung inkl. der Zwangsinformation über das Muster-Widerrufsformular ist länger als eine A4-Seite.
Eine der unnötigsten Informationen ist in meinen Augen die darüber, ob der Vertragstext nach der Bestellung gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist (Art. 246c Nr. 2 EGBGB) – das interessiert doch wirklich niemanden, um nur ein Beispiel zu nennen.
Abmahnungen wegen fehlerhafter AGB
Dazu kommt, dass lange AGB auch angreifbar machen können. Denn schnell entstehen Fehler, die von Mitbewerbern oder Verbänden abgemahnt werden können.
Auch diese Gefahr würde sinken, wenn die Informationspflichten massiv reduziert werden.
[whitepaper]
Bildnachweis: fotogestoeber/shutterstock.com
Wenn man keine AGB einsetzt, dann gelten ja vollumfänglich die jeweils zutreffenden, gesetzlichen Bestimmungen und die alle rauszusuchen, zu lesen und zu verstehen, dauert garantiert noch länger als 67 Tage… 😉
Sind die Online-Shops zum größtenteil auch selber schuld. Die packen ja die durch die entsprechende Anwaltslyrik unnötigerweise aufgeblähten und teuer bezahlten Flatrate-AGB in ihre Shops. Meist reichen da ja wenige einfach zu verstehende Sätze. Aber nein, man muss ja unbedingt noch das UN-Kaufrecht ausschließen, einen realitätsfernen Eigentumsvorbehalt und 3 lange Absätze um die ohnehin nicht auszuschließende Haftung machen.
Sehe es ähnlich wie @shopper vor allem den Teil “wenige einfach zu verstehende Sätze”, für mich liegt da auch die Betonung auf EINFACH :-).
Viele Menschen verstehen garnicht was da steht, selbst wenn sie gewillt sind alles zu lesen.
Ebenfalls finde ich es überflüssig, ständig Dinge, die ohnehin im Gesetz stehen bzw. vom Gesetz her schon gelten, wiederholen zu müssen, zumal es auch egal ist, wenn dies eh keiner liest.
Ich könnte mir da z. b. vorstellen, dass eine offizielle Stelle (das BMJV) Seiten veröffentlicht, auf denen in einfachen, verständlichen Sätzen, die Info-Pflichten, über die jeder momentan zu informieren hat, zusammenfaßt und die Händler dorthin nur noch einen Link setzen müssen. (Für diejenigen, die es lesen möchten und aufgeklärt sein wollen, aber ohne Angst für den Händler, abgemahnt werden zu können, jedenfalls nicht dafür, da es ja von einer offiziellen Stelle kommt)
Als ein tolles Beispiel empfinde ich immer wieder, dass viele heute nochimmer nicht den (groben) Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung kennen, der eigentlich nicht schwer zu verstehen ist und dies trotzdem immer wieder verwechselt wird.
Auch könnte das BMJV mal die Feststellung machen, was es denn den Händler so kostet (Zeit + Geld) diese AGB (die ja scheinbar kaum jemand liest) ständig auf dem aktuellen Stand zu halten bzw. dies zu prüfen.
An so eine Seite von zentraler Stelle habe ich auch schon gedacht. Aber dann erinnerte ich mich daran, wie lange es gedauert hat, bis der deutsche Online-Handel eine verwendbare Muster-Widerrufsbelehrung im Gesetz stehen hatte.
Ok, aber es kann doch nicht sein, dass Händler dafür “bestraft” werden, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, seine eigenen Gesetze zu benennen und der Öffentlichkeit korrekt zur Verfügung zu stellen.
Das ist in etwa so, als wenn ich jetzt jemanden sage, er muss machen was ich will, ich ihm aber garnicht mitteile, was ich will. Wie soll derjenige sich denn daran dann halten können ?!
Aber die Geschichte zeigt: Tausende Händler wurden wegen der Verwendung der alten Muster-Belehrung abgemahnt.
Hallo herr Rätze,
vielen Dank für den Artikel.
Falls möglich, bitte ich um Klärung: 67 Arbeitstag?
Gilt das rechnerisch pro Jahr bei x Bestellungen am Tag? oder wie ist das gemeint? (…ich hasse twitter, viel zu wenig Zeichen…)
Ich kann allen Händlern nur abraten, die Texte eigenwillig zu kürzen, um diese besser lesbar zu machen.
Das haben wir versucht mit einer Kurzdarstellung des Retourenablauf’s.
Sind wenige Wochen später dafür abgemahnt worden, weil dies angeblich im Widerspruch zum Widerrufsrecht stand. Wir haben die einfachen Sätze dann wieder entfernt.
Jetzt gibts wieder nur noch die fast unverständlichen Rechtstexte, die keiner liest.
Grüße!
So etwas gibt es nur in Deutschland. Alles völlig in der falschen Richtung durchgeknallt. Aber es beschäftigt ganz viele Leute die gut Geld daran verdienen.