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Wie berechnet man den Wertersatz nach Widerruf bei Dienstleistungen?

widerrufsfrist 1 monatDie Berechnung des Wertersatzes nach einem Widerruf durch den Kunden, stellt Unternehmer immer wieder vor Herausforderungen. Das LG Hamburg hat sich mit zwei Fällen beschäftigt, in denen es um die Frage der Berechnung des Wertersatzes nach dem Widerruf von Dienstleistungsverträgen ging.

In der ersten Entscheidung des LG Hamburg (Urt. v. 4.11.2014, 312 O 359/13) schloss ein Verbraucher zunächst eine Mitgliedschaft auf einer Partnervermittlungs-Seite ab.

Je nach Laufzeit-Paket musste man als Verbraucher für die Premium-Mitgliedschaft entweder 24,90 Euro pro Monat (bei einer 24monatigen Laufzeit) oder bis zu 69,90 Euro pro Monat (bei dreimonatiger Vertragslaufzeit) zahlen.

Vor Abschluss der Mitgliedschaft musste der Kunde unter anderem folgende Erklärung bestätigen:

„Ja, ich bin damit einverstanden, dass die E. M. GmbH vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausübung der Dienstleistung beginnt. Mir ist bekannt, dass ich im Falle eines Widerrufs für empfangene Leistungen einen Wertersatz gemäß dieser Aufstellung zu leisten habe.“

Über einen Link konnte dann die folgende Aufstellung abgerufen werden:

„Berechnung des Wertersatzes im Falle eines Widerrufs

Die folgenden Leistungen sind bereits im Preis ihrer Premium-Mitgliedschaft enthalten und werden nur im Falle eines Widerrufs berechnet

Detailliertes Persönlichkeitsprofil 59 Euro

Online Ratgeber zur Partnersuche 15 Euro

Premium-Profil-Check 30 Euro

Pro gelesener Nachricht 35 Euro

Pro gesendeter Nachricht 15 Euro“

Ein Verbraucher, der seine Vertragserklärung über eine 24monatige Mitgliedschaft nach nur 12 Tagen widerrufen hatte, erhielt daraufhin vom Unternehmen eine Mail. In dieser wurde erklärt, dass sein Widerruf “akzeptiert” würde. Allerdings ergebe sich für das Unternehmen ein Wertersatzanspruch in Höhe von 2.979 Euro.

Das Unternehmen erklärte aber gleichzeitig, dass man lediglich zur Zahlung von 224,10 Euro auffordere, was einem Anteil von 75% des für eine 24monatige Mitgliedschaft zu zahlenden Entgeltes entsprach.

Der Kläger – die Verbraucherzentrale Hamburg – forderte vom Unternehmer die Unterlassung dieser Praxis. Er war der Auffassung bei der E-Mail handle es sich um eine irreführende geschäftliche Handlung.

“Der geltend gemachte Anspruch auf Wertersatz stehe der Beklagten dagegen tatsächlich nicht zu. Schon dem Grunde nach bestehe ein solcher Anspruch nicht, jedenfalls aber nicht über das vertraglich zugrunde gelegte Äquivalenzverhältnis hinaus.

Maximal sei deshalb allenfalls Wertersatz zu leisten in Höhe des dem Zeitraum vom Tag der ersten vertragsgemäßen Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung bei der Beklagten entsprechenden Anteil der vertraglichen Pauschale.

Jedenfalls sei das Verhalten der Beklagten deshalb unlauter, weil sich die Beklagte eines über das vertragliche Entgelt hinausgehenden Ersatzanspruches berühme. Dieses Verhalten sei geeignet, Verbraucher zum Verzicht auf ihr Widerrufsrecht zu bewegen.”

Völlig überhöhte Wertersatzforderung

Das Gericht bestätigte die Auffassung des Klägers und entschied, dass das Schreiben des Unternehmens eine irreführende geschäftliche Handlung darstellt.

“Eine Irreführung liegt schon deshalb vor, weil der Beklagten ein Wertersatzanspruch in Höhe des Preislistenwertes nicht zusteht, da dem Verbraucher gegenüber nicht offen gelegt wird, dass auch die Beklagte der Auffassung ist, dass ihr nur ein Anspruch in Höhe von 75% des Gesamtvertragswertes zusteht.”

Wertersatz kann niemals höher als zu leistendes Entgelt sein

Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Anspruch des Unternehmers auf Zahlung von Wertersatz niemals höher ausfallen kann, als das ursprünglich mit dem Verbraucher vereinbarte Entgelt sein kann.

Die in der Preisliste für den Fall des Widerrufs genannten Einzelposten sind, so das Gericht, unverhältnismäßig hoch.

“Zum anderen sind die Wertangaben in der Preisliste gemäß Anlage K2 ersichtlich unverhältnismäßig und stehen nicht mit dem vereinbarten Entgelt in Einklang.

Dabei kann der tatsächliche „Wert“ der genannten Leistungen dahinstehen, da insbesondere die Wertangaben zum Lesen von Nachrichten (jeweils 35 €) und zum Schreiben von Nachrichten (jeweils 15 €) zuzüglich zu den ohnehin immer anfallenden Kosten (insgesamt 105 €) für das „detaillierte Persönlichkeitsprofil“ (59 €), dem Online-Ratgeber zur Partnersuche (15 €) und dem „Premium Partner Check“ (30 €) dazu führen, dass bei einem 24 Monatsvertrag, für den insgesamt knapp 300 € zu zahlen sind, die Wertersatzkalkulation der Beklagten bedeutet, dass der Kunde über einen Zeitraum von zwei Jahren insgesamt je vier Nachrichten liest und schreibt.

Die eigene Preiskalkulation der Beklagten zeigt mithin, dass sie ihrer Preisliste gemäß Anlage K 2 Mondpreise zugrunde gelegt hat, die zu solch grotesk anmutenden Wertersatzberechnungen führen können, wie sie in dem Schreiben gemäß Anlage K 3 vorgenommen werden, in welchem für 12 Tage Nutzung ein Betrag errechnet wird, der ungefähr dem vertraglich vorgesehenen Entgelt für eine zwanzigjährige Mitgliedschaft entspricht.”

Vor diesem Hintergrund ließ das Gericht offen, wie der Wertersatzanspruch tatsächlich zu berechnen sei.

“Es kommt daher auch nicht auf die Frage an, ob der dem Zeitraum vom Tag der ersten vertragsgemäßen Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung bei der Beklagten entsprechenden Anteil der vertraglichen Pauschale tatsächlich die Obergrenze eines Wertersatzanspruchs ist, wie der Kläger meint.”

Wertersatz muss zeitbezogen berechnet werden

In einem anderen Verfahren – ebenfalls vor dem LG Hamburg (Urt. v. 22.07.2014, 406 HKO 66/14) – ging es ebenfalls um die Frage der korrekten Berechnung des Wertersatzes nach Widerruf einer Mitgliedschaft in einem Partnervermittlungsportal.

Der Sachverhalt war sehr ähnlich gelagert wie in oben beschriebenen Fall:

“Macht der Nutzer von seinem fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht Gebrauch, so berechnet die Bekl. dem Nutzer eine Wertersatzforderung in Höhe von bis zu 75 % des für die gesamte Laufzeit vereinbarten Entgeltes, wenn der Nutzer über die Online-Partnervermittlung der Bekl. bereits Kontakte hatte.”

In diesem Verfahren wollte der Kläger erreichen, dass das Partnerportal nur noch einen Wertersatz geltend machen darf, der den dem Zeitraum vom Tag der ersten vertragsgemäßen Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung bei dem Portal entsprechenden Anteil der vertraglichen Pauschale entspricht.

Auch diese Klage hatte Erfolg.

“Der objektive Wert bemisst sich nach dem Gegenstand der Dienstleistung.

Dieser besteht vorliegend darin, dem Nutzer im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft für den vereinbarten Zeitraum die Möglichkeit zu eröffnen, anhand von Partnervorschlägen der Bekl. oder auch unabhängig von diesen andere Nutzer des Online-Angebots der Bekl. zu kontaktieren und unter diesen nach einem Partner zu suchen.

Die von Beklagtenseite garantierte Mindestanzahl an Kontakten macht dabei ersichtlich nicht den Kern des Leistungsversprechens der Bekl. aus. Kein Nutzer würde für die Garantie von fünf oder sieben Kontakten, die auch in einer Absage bestehen können, mehrere hundert Euro investieren. Kern des Leistungsversprechens der Bekl. ist es vielmehr, über den vereinbarten Zeitraum mit Unterstützung der Bekl. unter den anderen Nutzern des Online-Angebots der Bekl. nach einem Partner suchen zu können.

Dieses zeitbezogene Element ergibt sich eindeutig aus der zeitbezogenen Nutzungsmöglichkeit des Angebots der Bekl. über den jeweils vereinbarten Zeitraum.

Auch die vereinbarten Entgelte spiegeln dies wider, da sie mit der Dauer der vereinbarten Nutzung steigen. Daher ist auch der vom Verbraucher im Falle des Widerrufs zu leistende Wertersatz zeitbezogen zu berechnen, wie dies zutreffend im Rahmen des Klagantrags erfolgt.

Dies entspricht auch der Belehrung des Verbrauchers entsprechend der alten Rechtslage, wie sie die Bekl. auf Blatt 8 des Schriftsatzes vom 8.5.2014 zutreffend wiedergibt. Dort heißt es, dass der Widerruf dazu führen könne, dass der Verbraucher „die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen“ muss.

Die von Beklagtenseite gewählte Berechnungsart führt demgegenüber zu einer gesetzwidrigen Entwertung des Widerrufsrechtes, wenn sie dem Verbraucher, der beispielsweise bereits sieben Absagen erhalten hat, dafür 75 % des vereinbarten Entgeltes in Rechnung stellt.”

Auch nach neuem Recht liegt eine Irreführung vor.

Zum 13. Juni 2014 wurden im Rahmen der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie die Vorschriften zum Wertersatz bei Dienstleistungen reformiert. Das Gericht entschied, dass auch nach den neuen Vorschriften die Berechnungsmethode des beklagten Unternehmens nicht rechtens sei.

“Auch nach der Neuregelung des Widerrufsrechtes zum 13.6.2014 ist die streitgegenständliche Berechnung des Wertansatzes durch die Bekl. nicht gerechtfertigt.

Hier weist die Bekl. im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass § 357 VIII 4 BGB nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass bei der Berechnung des Wertersatzes der vereinbarte Gesamtpreis zu Grunde zu legen ist. Dies bedeutet aber nicht etwa, dass der vereinbarte Gesamtpreis im Falle des Widerrufs auch als Wertersatz zu zahlen wäre.

Der Gesamtpreis ist vielmehr nur der Berechnung des Wertersatzes zu Grunde zu legen. Der Wertersatz ist auf der Grundlage des vereinbarten Gesamtpreises anhand des Verhältnisses der bis zum Widerruf bereits erbrachten Leistungen zu den vertraglich vorgesehenen Gesamtleistungen zu berechnen.

Insoweit besteht kein Unterschied zur alten Rechtslage. Lediglich die Basis für die Berechnung des Wertersatzes hat sich insofern geändert, als hier der Gesamtpreis maßgeblich ist, sofern er nicht unverhältnismäßig hoch ist. Das Verhältnis der bis zum Widerruf erfolgten Leistungserbringung zur vertraglich vorgesehenen Gesamtleistungserbringung ist vorliegend aus den bereits genannten Gründen zeitanteilig zu berechnen.”

Fazit

Unternehmer, die Dienstleistungen erbringen, die rein zeitbezogen vergütet werden, können im Widerrufsfall nur eine bis zum Widerruf anteilige Vergütung als Wertersatz geltend machen. Die zweite Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung wird beim OLG Hamburg geführt. (mr)