Alle Händler, die ihre Waren im Fernabsatz vertreiben, unterliegen strengen Informationspflichten. Es gibt allerdings eine Erleichterung hierfür im Gesetz: Bietet das Medium nicht ausreichend Platz für die Darstellung der Informationen, genügt die Erteilung von einigen wenigen Punkten. Diese Einschränkung gilt aber nicht für Printwerbung, entschied das LG Wuppertal.
Die Wettbewerbszentrale führt gerade ein Musterverfahren, in dem es um die Erteilung von Informationspflichten in einem Printmedium geht, welches auch eine Bestellkarte beinhaltete.
Das Unternehmen verwendete einen mehrseitigen Werbeprospekt inkl. einer Antwort- und Bestellkarte. Auf dieser Karte wurde lediglich auf das Bestehen des Widerrufsrechtes hingewiesen. Informationen über die Fristen, Bedingungen und Verfahren der Ausführung sowie das Muster-Widerrufsformular fehlten allerdings.
Der Unternehmer meinte, bei diesem Print-Medium sei eine ausführliche Information nicht notwendig, da Art. 246a § 3 EGBGB es erlaube, nur auf das Bestehen des Widerrufsrechtes hinzuweisen, wenn es sich bei dem Werbemittel um ein Kommunikationsmittel mit begrenzten Darstellungsmöglichkeiten handle.
Dieser Ansicht folgte das LG Wuppertal (Urt. v. 21.7.2015, Az. 11 O 40/15) nicht. Das Gericht führt hierzu aus, dass die Ausnahmevorschrift bzgl. begrenzter Darstellungsmöglichkeiten überhaupt nicht auf Printmedien anzuwenden sei.
Denn diesen Medien sei der Platzmangel nicht immanent, sondern vom Unternehmen selbst herbeigeführt, da jeder Unternehmer die Gestaltung des Werbemittels selbst in der Hand habe.
Dazu heißt es in der Meldung der Wettbewerbszentrale:
"Dem Kommunikationsmittel Flyer sei der begrenzte Raum nicht immanent und deshalb – notgedrungen – hinzunehmen, wolle man das Medium nicht faktisch als Werbemittel verbieten.
Der begrenzte Raum eines solchen Werbemediums basiere auf einer freiwilligen Gestaltung des Werbenden.
Würde man diesen freiwillig herbeigeführten Platzmangel mit Medien, bei denen der Platzmangel technisch bedingt ist, gleichsetzen, könne der Unternehmer sich durch die Wahl der Größe der Printbeilage gesetzlichen Aufklärungspflichten entziehen."
Der Shopbetreiber-Blog hatte die Gelegenheit, eine Stellungnahme von RA Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER - KÖLN, spezialisiert auf das E-Commerce Recht und Anwalt des Beklagten Unternehmens in diesem Verfahren, einzuholen:
"Das Gericht hat sich mit unseren Argumenten insbesondere zur Entstehungsgeschichte der Ausnahmevorschrift nicht auseinandergesetzt. Ich denke auch, dass das letzte Wort wohl erst vom EuGH gesprochen wird. Wer sich als Praktiker mit den Regelungen befasst, kommt nicht umhin festzustellen, dass sie jedenfalls handwerklich missglückt sind. Das gilt vor allem für die VRRL-Fassung. Hier ist dringender Nachbesserungsbedarf – unabhängig vom Ausgang dieses Musterverfahrens – festzustellen."
Das Gericht hat sich mit der Nichtanwendung der Ausnahmevorschrift auf Printmedien ein Bisschen aus der Verantwortung gezogen. Offen bleibt, weshalb das Gericht nicht sofort den EuGH angerufen hat, denn schließlich geht es hier um die Auslegung einer europäischen Richtlinie.
Durch diese Entscheidung bleiben auch wichtige inhaltliche Fragen ungeklärt.
So zum Beispiel das Verhältnis der deutschen Umsetzung zur VRRL. Denn nach dem Wortlaut der VRRL muss auch bei begrenzten Medien die vollständige Belehrung über das Widerrufsrecht sowie das Muster-Widerrufsformular informiert werden. Die deutsche Vorschrift steht nämlich nicht in Einklang mit den Vorgaben aus der VRRL.
Es bleibt also abzuwarten, wie das OLG Düsseldorf oder dann der BGH bzw. der EuGH diesen Sachverhalt entscheiden werden. Folgen sie der Entscheidung, wird das im Ergebnis dazu führen können, dass es zukünftig keine Flyer mit Bestellmöglichkeit mehr geben wird. "Print ist tot" - ein Slogan, der vor einigen Jahren durch das Marketing geprägt und zwischenzeitlich wieder relativiert wurde, bekommt dann eine neue Bedeutung. (mr)