EuGH konkretisiert Beweislast im Gewährleistungsfall

Defekte WareDem Verbraucher steht in Deutschland eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab Gefahrübergang zu. Zeigt sich ein Mangel innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang, muss der Händler beweisen, dass die Ware mangelfrei war. Aber was bedeutet das konkret? Der EuGH hat die Rechte des Verbrauchers nun konkretisiert.

Die Gewährleistungsrechte der Verbraucher sind in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr unterschiedlich geregelt. Eine Zusammenfassung der verschiedenen Regelungen finden Sie bei uns im Shopbetreiber-Blog.

Alle Mitgliedstaaten haben aber die "Beweislastumkehr" in ihr nationales Recht umgesetzt, wenn auch mit teilweise längeren als in der EU-Richtlinie vorgesehenen Fristen.

Die Richtlinie schreibt vor:

"Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar."

Auto brannte völlig aus

Im Ausgangsfall kaufte eine Verbraucherin einen Gebrauchtwagen. Vier Monate nach dem Kauf fing das Fahrzeug während der Fahrt plötzlich Feuer und brannte vollständig aus. Das Autohaus ließ das Fahrzeug abschleppen und später verschrotten. Ein technischer Bericht wurde nicht erstellt.

Die Käuferin teilte dem Autohaus mit, dass sie es für den Schaden haftbar mache, welcher durch die Zerstörung des Fahrzeuges entstanden sei, insgesamt knapp 11.000 Euro.

Das Autohaus meinte, es liege keine Vertragswidrigkeit vor und außerdem habe die Kundin ihr Verlangen verspätet vorgebracht, weswegen sie sämtliche Ansprüche verloren habe.

Nach zwei Instanzen vor den Gerichten der Niederlande landete der Fall letztlich beim EuGH (Urt. v. 15.6.2015, C-497/13).

Verbrauchereigenschaft

Die Kundin hatte in den Instanzen nie explizit behauptet (oder gar bewiesen), dass sie als Verbraucherin gehandelt habe. Daher wollte das Gericht zunächst wissen, ob die nationalen Gerichte verpflichtet sind, von Amts wegen zu prüfen, ob der Käufer bei einem Vertrag ein Verbraucher sei.

Darauf antwortete der EuGH, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der womöglich in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, dass nationale Gericht die Frage zu prüfen hat, ob ein Verbraucher der Käufer ist, sofern es über die dafür notwendigen Anhaltspunkte verfügt oder durch ein einfaches Auskunftsersuchen diese erlangen kann, selbst wenn sich der Kunde von sich aus nicht auf seine Verbrauchereigenschaft beruft.

Der Verbraucher muss also nicht selbst die rechtliche Einordnung vornehmen, ob er Verbraucher ist oder nicht. Denn dies könnte dazu führen, so der EuGH, dass er seine Rechte, die ihm durch die Richtlinie verliehen werden sollen, verlieren könnte, weil er diversen Beweisanforderungen nicht genügen könnte.

Beweislastumkehr bei Mängeln

Anschließend ging es um die Frage, wie die Vorschriften zur Beweislastumkehr bei Mängeln zu verstehen sind.

Dabei stellt das Gericht zunächst fest, dass die Vorschriften zur Beweislastumkehr von Amts wegen vom nationalen Gericht zu beachten sind. Das bedeutet also, dass sich der Verbraucher nicht explizit auf die Beweislastumkehr berufen muss.

Abschließend beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, wie die Beweislastverteilung in den ersten sechs Monaten nach Gefahrübergang funktioniert, und insbesondere, welches die Umstände sind, die der Verbraucher beweisen muss.

"Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, da es z. B. nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur das Vorliegen der Vertragswidrigkeit beweisen.

Er muss weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat."

Und weiter:

"Wenn diese Tatsachen nachgewiesen sind, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten dieser Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat."

Anschließend obliegt es dem Unternehmer - deswegen auch der Begriff Beweislastumkehr - nachzuweisen, dass die Ware bei Übergabe mangelfrei war,

"indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat."

Gelingt dem Unternehmer dieser Nachweis nicht, stehen dem Verbraucher die vollen Gewährleistungsrechte zu.

Schwierigkeiten für Online-Händler

Insbesondere Online-Händlern dürfte der Nachweis (fast) nie gelingen, dass die Ware bei Gefahrübergang mangelfrei war. Denn der Gefahrübergang findet erst statt, wenn der Verbraucher die Ware erhält.

Meldet sich also ein Verbraucher innerhalb der ersten 6 Monate nach Lieferung und fordert seine Gewährleistungsrechte ein, weil z.B. die gelieferte Couch einen Defekt hat und weist dies (z.B. durch Fotos) nach, müsste der Händler beweisen, dass dieser Defekt bei Gefahrübergang noch nicht vorlag, um die gesetzliche Vermutung zu entkräften. (mr)

15.07.15