Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen sind ein großes Ärgernis. In Verbindung mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken führen rechtsmissbräuchliche Abmahnungen aber dazu, dass die Kosten für den Abmahner drastisch sinken und damit auch sein eigenes Risiko, wie das OLG Düsseldorf jetzt bestätigt hat.
Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 24.3.2015, I-20 U 187/14) hat sich mit einer Abmahnung wegen fehlender Widerrufsbelehrungen bei eBay beschäftigt.
Im Ergebnis entschied das Gericht, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgte, der erwirtschaftete Umsatz des Abmahners stand in keinem Verhältnis zu der hohen Anzahl von Abmahnungen, die er aussprach, so das Gericht.
Der Abmahner selbst hatte in seiner Abmahnung und den gerichtlichen Anträgen einen Streitwert von 15.000 Euro angenommen. Das LG Düsseldorf setzte in erster Instanz auch noch genau diesen Streitwert fest.
Das OLG Düsseldorf setzte den Streitwert aber drastisch herab, auf lediglich 700 Euro (sowohl für die erste als auch für die zweite Instanz) und begründete dies mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken.
"Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert vom Gericht nach Ermessen auf der Grundlage des objektiven Interesses des Klägers an der Erlangung des von ihm begehrten Rechtschutzes festzusetzen, wobei das Interesse maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit, bestimmt wird.
Der vom Antragssteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgenommenen Streitwertangabe kommt zwar eine indizielle Bedeutung für den wirklichen Wert des Gegenstandes zu. In das Belieben des Antragstellers ist der Streitwert jedoch nicht gestellt. Sein Vorschlag ist daher nicht einfach zu übernehmen, sondern anhand der objektiven Gegebenheiten und unter Heranziehung der Erfahrung und üblicher Wertfestsetzsetzungen in gleichartigen oder ähnlichen Fällen in vollem Umfang nachzuprüfen.
Dieser Überprüfung halten weder der vom Antragsteller vorgeschlagene Streitwert von 15.000 Euro noch die gleich hohe landgerichtliche Streitwertfestsetzung stand. Bei der Klage eines Mitbewerbers im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist Bewertungsmaßstab allein das Eigeninteresse des Antragstellers, nicht das Interesse Dritter oder der Allgemeinheit.
Der Gebührenstreitwert dient allein der Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren. Er darf nicht zu einem Mittel werden, Zivilrechtsstreitigkeiten zwecks Abschreckung zu verteuern.
Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, ob die sich aus dem Gebührenstreitwert ergebende Rechtsanwaltsvergütung im konkreten Fall auskömmlich ist. Der Gesetzgeber hat sich im Interesse einer einfachen Bestimmbarkeit für eine Streitwertabhängigkeit der Gebühren entschieden und dabei in Kauf genommen, dass die dem Rechtsanwalt zufließende Vergütung im Einzelfall hinter der nach dem Aufwand gebotenen zurückbleibt. Allerdings hat der Gesetzgeber diese Gefahr für das Lauterkeitsrecht zuletzt weniger gesehen.
Zweck der Neuregelung des § 51 GKG durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken war es vielmehr, die massenhafte Abmahnung geringfügiger Wettbewerbsverstöße durch darauf spezialisierte Anwälte zu verhindern, die Gegenstandswerte festlegten, die zu nicht gerechtfertigten Gebühren führten.
Vor dem Hintergrund des hier anzunehmenden Missbrauchs nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes des vom Antragsteller geltend gemachten Unterlassungsanspruch keine genügenden Anhaltspunkte für eine Festsetzung in seinem Sinne, so dass gemäß § 51 Abs. 3 S. 2 GKG ein Hauptsachestreitwert von 1.000 Euro anzunehmen ist.
Weder die Unternehmensverhältnisse der Parteien noch die Intensität des Wettbewerbs zwischen ihnen oder das Ausmaß, die Intensität oder die Auswirkungen streitgegenständlicher Verletzungshandlungen, so wie sie sich aufgrund des Vortrages der Parteien darstellen, rechtsfertigen im Streitfall eine höhere Festsetzung. Nach der Gesetzesbegründung solle der Streitwert von 1.000 Euro vielmehr gerade in Fällen wie dem vorliegenden einschlägig sein, 'in denen ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG außerhalb des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerbs vorliegt, die Verzerrung des Wettbewerbs aber eher unwahrscheinlich ist, da sich ein vernünftiger Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch den Verstoß in seiner Entscheidung über den Kauf einer Ware [...] nicht beeinflussen lassen wird.'
Da gemäß § 51 Abs. 4 GKG im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes der sich aus dem Abs. 2 und 3 des § 51 GKG ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen ist, war auch im Streitfall der Betrag von 1.000 Euro nochmals zu reduzieren. Als angemessen erachtet der Senat den festgesetzten Betrag von 700 Euro."
Der Abmahner war bereit, mit der Angabe eines Streitwertes von 15.000 Euro ein Kostenrisiko für zwei Instanzen von insgesamt rund 10.870 Euro auf sich zu nehmen.
Da das Gericht entschied, dass seine Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgte, muss er nun sämtliche Prozesskosten tragen (eigener Anwalt, gegnerischer Anwalt, Gerichtskosten etc.).
Jetzt kann der Abmahner dem Gericht äußerst dankbar sein, denn durch die Streitwertreduzierung auf 700 Euro liegt das Gesamtkostenrisiko bei nur noch 1.561 Euro.
Damit ist genau das eingetreten, was ich schon zum Referentenentwurf des (unseriösen) Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken geschrieben habe: Die Regelung zum "Regelstreitwert" von 1.000 Euro wird dazu führen, dass das Prozesskostenrisiko für den Abmahner sinkt. Ein Gesetz, mit dem eigentlich rechtsmissbräuchliche Abmahnungen bekämpft werden sollten, führt dazu, dass genau diese Abmahner jetzt billiger davon kommen.
Insbesondere in diesem Verfahren waren umfangreiche Ermittlungen nötig, um den Rechtsmissbrauch nachweisen zu können. Da stellt sich natürlich die Frage, ob der Anwalt, der den Abgemahnten vertritt, solch einen Personal- und Zeiteinsatz lange mitmachen wird, wenn er am Ende dafür nur 260 Euro an Gebühren erhält.
Nach Ansicht des OLG Stuttgart hat sich übrigens durch die Schaffung dieses "Regelstreitwertes" von 1.000 Euro keine Änderung ergeben.