Die Bundesregierung hat vor kurzer Zeit einen Entwurf zur Änderung des UWG vorgelegt. Mit diesem sollen überwiegend klarstellende Anpassungen des Gesetzes vorgenommen werden. Der Bundesrat hat am Freitag den Gesetzentwurf beraten und bittet nun um eine Prüfung, ob der fliegende Gerichtsstand im weiteren Gesetzgebungsverfahren abgeschafft werden kann.
Lesen Sie mehr zum Beschluss des Bundesrates.
Immer wieder ist die Abschaffung des sog. fliegenden Gerichtsstandes Thema.
Was versteht man unter “fliegender Gerichtsstand”?
Die Frage, vor welchem Gericht man jemanden verklagen muss (also der Gerichtstand), ist elementar wichtig. Denn wird eine Klage am falschen Ort erhoben, kann dies zur Unzulässigkeit führen, der Kläger würde dann mit Kosten belastet werden.
Das UWG regelt den Gerichtsstand für Klagen im Wettbewerbsrecht in § 14 UWG.
Dort heißt es, dass grundsätzlich das Gericht zuständig ist, in dessen Gerichtsbezirk der Beklagte seine Niederlassung bzw. – wenn er keine Niederlassung hat – seinen Wohnsitz hat.
Absatz 2 erweitert diesen Gerichtstand aber noch und dies ist insbesondere für Online-Händler von Bedeutung. Denn gemäß § 14 Abs. 2 UWG ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht in einem Online-Shop ist das dann grundsätzlich JEDES Landgericht in Deutschland, weil der Online-Shop an jedem Ort abgerufen werden kann und damit auch die Verletzungshandlung an jedem Ort der Bundesrepublik begangen wird. Dies ist seit Jahren in der Rechtsprechung unumstritten.
Nur in sehr seltenen Fällen schränken Gerichte den fliegenden Gerichtsstand ein.
Warum soll der fliegende Gerichtsstand abgeschafft werden?
Schon als sich das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in der parlamentarischen Beratung befand, forderte der Bundesrat dazu auf, den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen. Damit hatte er aber keinen Erfolg.
Nun ergreift der Bundesrat erneut die Chance. So heißt es zur Begründung in der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 26/15) von Freitag:
“DerBundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Möglichkeit des “fliegendenGerichtsstands (§ 14 Absatz 2 UWG) aufgehoben oder eingeschränkt werden kann.
Begründung:
Die Regelung des § 14 Absatz 2 UWG ermöglicht es bislang, im Onlinehandel Gerichtsstände so auszuwählen, dass die Erfolgsaussichten verbessert und die Kosten für die Beklagten ohne sachlichen Grund erhöht werden. Die Regelung ist damit eine wichtige Ursache für die Durchsetzung ungerechtfertigter Abmahnforderungen (“Abmahnmissbrauch”), unter denen gerade kleine und mittlere Handelsunternehmen im Onlinehandel besonders leiden. Damit wird die Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen im Onlinehandel behindert.
Die Regelung stellt eine Durchbrechung des auf Grund allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen geltenden Prinzips, nachdem die Klage am Wohn- und Geschäftssitz des Beklagten zu erheben ist, dar und führt zu Nachteilen für den Beklagten, welche nicht mit Praktikabilitätserwägungen begründet werden können.
Bei Wettbewerbsverstößen im Internet gibt es keinen physischen Ort der schädigenden Handlung. Dies kann aber kein Argument sein, den Gerichtsort ins Belieben des Klägers zu stellen.”
Unklar an dieser Begründung bleibt, wie der Bundesrat darauf kommt, dass durch den fliegenden Gerichtsstand die Kosten für den Abgemahnten (bzw. später den Beklagten) erhöht werden. Mit Zahlen wird diese Annahme jedenfalls nicht weiter belegt. Diese Annahme liegt auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
Wie läuft das Verfahren nach einer Abmahnung?
Reagiert der abgemahnte Unternehmer auf eine Abmahnung nicht, ist der nächste Schritt in aller Regel zunächst die einstweilige Verfügung. Diese ergeht ohne mündl. Verhandlung. Daher spielt es in diesem Schritt noch keine Rolle, welches Gericht angerufen wird, da hier die Kosten zunächst einmal gleich sind.
Unterschiede können sich lediglich durch unterschiedliche Streitwerte ergeben, diese ändern sich aber nicht durch Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes.
Legt der Abgemahnte gegen diese einstweilige Verfügung Widersprucch ein, dann kommt es zu mündlichen Verhandlung. Hier könnten womöglich unterschiedliche Fahrtkosten entstehen, je nachdem, an welchem Gericht geklagt und von welchem Ort der Anwalt des Abgemahnten anreisen muss.
Beim Unternehmer entstehen in der Regel keine Fahrtkosten, da in Wettbewerbsprozessen der Unternehmer oder Geschäftsführer normalerweise nicht persönlich am Prozess teilnimmt.
Ein Beispiel:
Ein Unternehmer aus Aurich wird abgemahnt und das gerichtliche Verfahren wird später vor den Gerichten in Hamburg geführt. Der Unternehmer arbeitet schon lange mit einem im Wettbewerbsrecht fähigen Anwalt aus Hamburg zusammen.
Natürlich mandatiert er ihn auch für dieses Verfahren.
Fahtkosten: Es fallen keine Fahrtkosten an.
Wird der fliegende Gerichtsstand jetzt abgeschafft, muss der Unternehmer aus Aurich zwingend vor dem LG Aurich verklagt werden. Aurich ist allerdings sehr schwer zu erreichen, da die Stadt keinen Personenbahnhof hat. In einem Fall entschied das Gericht (Beschluss v. 22.1.2013, 6 O 38/13) sogar, dass die Wahl des Gerichtsstands Aurich auf Rechtsmissbrauch schließen lasse.
Zukünftig müsste der Anwalt aus Hamburg nun also umständlich nach Aurich reisen. Das würde nicht nur Fahrtkosten, sondern auch gesetzliche Gebühren für die Kanzleiabwesenheit des Anwaltes mit sich bringen.
Zusätzliche Kosten: Abwesenheitsgeld für den Anwalt, Reisekosten, die evtl. auch eine Übernachtung mit einschließen, je nachdem, um welche Uhrzeit der Gerichtstermin beginnt.
Es mag sicherlich auch Fälle geben, in denen Reisekosten etc. durch die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes nicht entstehen. Im Wettbewerbsrecht spezialisierte Anwälte sitzen jedoch nicht an abgelegenen Gerichtsorten, sondern es gibt Konzentrationen an den heute bekannten und häufig angerufenen Wettbewerbsgerichten.
Die GRUR (Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht) hat hierzu eine Studie veröffentlicht, aus der sich ergbit, dass 82% aller Wettbewerbsprozess in den Bundesländern NRW, Hessen und Bayern stattfinden. Ich glaube nicht, dass sich an diesen Zahlen seit der letzten Erhebung wesentliche Änderungen ergeben haben.
Indiz für Rechtsmissbrauch
Mit der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes würde auch ein wichtiges Indiz für die Annahme von Rechtsmissbrauch abgeschafft werden: Es ist seit vielen Jahren anerkannt, dass eine grundlose Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstandes ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen liegen kann.
Falsch ist auch, dass mit dem fliegenden Gerichtsstand im UWG das “auf Grund allgemeiner Gerechtigkeitserwäg
ungen geltenden Prinzip” durchbrochen wird, dass Klagen immer am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Beklagten erhoben werden müssen.
Bereits in § 32 ZPO steht eine entsprechende Regelung für unerlaubte Handlungen (und letztlich sind auch Wettbewerbsverstöße unerlaubte Handlungen). Das UWG durchbricht also kein Prinzip, sondern schreibt dieses nur logischerweise fort.
Existieren heute bereits Möglichkeiten?
Ja, es existieren heute schon Möglichkeiten, den Missbrauch des fliegenden Gerichtsstandes einzuschränken. Leider bleiben diese aber (fast) ungenutzt. Grund hierfür ist, dass die Landesregierungen in den Bundesländern nicht von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen.
Diese können nämlich für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen bestimmen. Von dieser Möglichkeit haben bisher aber nur Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Gebrauch gemacht. Alle anderen Bundesländer wünschen sich offenbar keine Konzentration an einzelnen Gerichtsstandorten.
Fazit
Der Gesetzgeber sollte sich Gedanken machen, wie man den Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen eindämmen kann. Dabei helfen aber keine symbolpolitischen Maßnahmen wie die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes. Sachlich begründen lässt sich diese Forderung jedenfalls nicht.
Wichtigere wäre, gerade für Online-Händler, eine Reduzierung der Informationspflichten. Hierfür sollte sich die Regierung auf EU-Ebene stark machen. Sinnvoll wäre sicher auch eine Begrenzung der Kosten einer Abmahnung, sodass hier nur ähnliche Pauschalen zu zahlen wären, wie bei einer Abmahnung durch die Verbraucherverbände oder Wettbewerbszentrale. (mr)
Lustig werden dann bestimmt die einstweiligen Verfügungen und Gerichtsverhandlungen, die nach Abschaffung des fliegenden Gerichtstandes bei den Landgerichten Bückeburg oder Landau landen. Ob die Richter da wirklich Bock haben sich mit Wettbewerbsrechtlichen Sachen zu beschäftigen und dort fundierte Urteile sprechen werden möchte ich bezweifeln.
Wenn deren Entscheidungen dann immer wieder von den OLG kassiert werden, ist man kostenmäßig auch am Arsch…
Es hat ja schon seinen Grund, warum man mit wettbewerbsrechtlichen Dingen gerne vor die LG Köln, Hamburg, Berlin etc. zieht, wo man hauptamtlich besetzte Spezial-Kammern hat, wo die Richter den ganzen Tag nichts anderes machen…
Es geht ja gar nicht nur drum, ob sie “Bock” dazu haben, sondern auch: Können die das überhaupt, wenn sie sich jahrelang nicht mit Wettbewerbssachen beschäftigen mussten?
Also ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Der Grund warum sich Wettbewerbstreitigkeiten bei einzelnen Gerichten konzentriert haben war ja nicht der, das die Gerichte so gut und kompetent waren sondern weil diese genau im Gegenteil einseitig zu gunsten der Abmahner geurteilt haben und diese dann eine sicher Bank für Abmahner waren. Wer abmahnt und mit einem Urteil des LG Köln winkt und damit droht den abgemahnten eben vor diesem Gericht zu verklagen, hat eine größere Chance das dieser ohne Wiederstand einknickt als wenn das ganze nochmal in Stuttgart verhandelt werden müsste – wo vielleicht ein ganz anderes Ergebnis rauskommt.
Dass andere Landgerichte keine Erfahrung im Wettbewerbsrecht haben, kann ich so auch nicht nachvollziehen, schließlich gibt es ja solche Streitigkeiten nicht nur im Internet.
Letzendlich ist der Hauptgrund der für die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes spricht der, dass man nicht mehr bei jedem noch so absurden Urteil eines Amts oder Landgerichtes fieberhaft seinen Shop ändern muss, weil man fürchten muss eben vor diesem dann im Falle einer Abmahnung verklagt zu werden, sondern man kann in vielen Fällen die mehr als berechtigte Hoffnung haben, das andere Gerichte zu einem anderen Ergebnis kommen und im Zweifelsfall das Urteil einer höhren Instanz abwarten.
Die Argumente kann ich alle so nicht nachvollziehen. Vor den Gerichten, bei denen sich die Streitigkeiten konzentrieren, wird nichts einfach so durchgewunken. Und es wird auch nicht “einseitig zugunsten der Abmahner” entschieden. Belegen Sie das bitte mit Zahlen.
Das Urteil einer höheren Instanz können Sie auch heute schon abwarten oder selbst erstreiten. Aber wenn ein Verstoß klar gegeben ist, bringt das nunmal nicht viel. Welchen Vorteil haben Sie, wenn in den OLG-Bezirken Köln, Hamm und Hamburg die Rechtsprechung gefestigt ist, am Landgericht Coburg (nur ein Beispiel) aber noch mit einer uralt Auflage des UWG-Kommentars gearbeitet wird und Sie als Abgemahnter dann vor diesem Gericht landen, letztlich in “guter Hoffnung” in zweiter oder dritter Instanz aber verlieren? Das bringt dann wirkliche Mehrkosten, wie Shopper richtig festgestellt hat, für den Abgemahnten mit sich, weil er zunächst an ein unerfahrendes Gericht gebunden ist und der Abmahner definitiv im Verlustfall durch die Instanzen marschiert.
So läuft es momentan aber doch nicht. Es gibt sonderbare Urteile von gewissen LGs, die gerne auch in Abmahnungen als Drohkulisse aufgebauscht werden gegenüber Abgemahnten. Diese sind dann dadurch eingeschüchtert zahlfreudiger und geneigt, die Angelegenheit ohne Rechtsstreit abzuhaken. Nur wenn man genug Geduld, kompetente Rechtsberatung und damit auch genug Geld in die Hand nimmt, kann man ein Verfahren über mehrere Instanzen treiben. Am Ende bleibt es wegen der Kosten für den eigenen Anwalt trotzdem ein Verlustgeschäft, denn die erforderlichen Profis bekommt man meistens nicht zum erstattungsfähigen Gebührensatz.
Beispielsweise wurde lange Jahre hinsichtlich der angeblichen “Nutzung” von Bildern auf Amazon ein Urteil des LG Nürnberg/Fürth angeführt. Wir als Händler haben zahlreiche Schreiben von Herstellern/Anwälten in diese Richtung erhalten, bei denen dieses Urteil immer als Referenz angegeben war. Erst seitdem es inzwischen Urteile von anderen Landgerichten und Oberlandesgerichten gibt, ist dieses Fehlurteil aus der Welt. Diesen langen Atem haben aber kleine Unternehmen oftmals nicht. Bei Wegfall des fliegenden Gerichtsstands müssten unterschiedliche Gerichte in Deutschland sich mit der selben Frage beschäftigen, dies bietet die Chance, dass verschiedene Sichtweisen sich schneller herauskristallisieren, anstatt dass es erforderlich ist, Verfahren über viele Jahre und Instanzen vielleicht bis zum BGH zu bekommen. Auch die oben angegebene Drohkulisse fiele zum Teil weg, man könnte als Abgemahnter es viel leichter darauf ankommen lassen, das örtliche Landgericht mal seine Meinung zu einem Sachverhalt geben zu lassen, anstatt darauf zu hoffen, dass das Landgericht des Abmahners seine ursprüngliche Meinung revidiert.
Aber das hat absolut gar nichts mit dem fliegenden Gerichtsstand zu tun, tokra.
Auch in Streitigkeiten, in denen kein fliegender Gerichtsstand gegeben ist, ist es an der Tagesordnung, dass man Rechtsprechung zur Untermauerung seiner eigenen Argumentation anführt.
Erstmal möchte ich bezweifeln, dass es wirklich im Wettbewerbsrecht so diametral sich widersprechende Rechtssprechungen gibt, wie manche hier den Anschein erwecken.
Sicherlich gibt es immer wieder exotische Urteile, die dann auch als neue Sau durchs Dorf getrieben werden, solange diese nicht von höheren Instanzen wieder kassiert wird.
Sollte jetzt wirklich der fliegende Gerichtsstand wegfallen, wird es solche exotischen Urteile in Hülle und Fülle geben. Eben weil die Richter an den kleinen Landgerichten mit der speziellen Materie überfordert wären. Das sind doch dann Richter die sich in den letzten 10 Jahren nur mit Berufungssachen der Amtsgerichte, Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Baurechtsangelegenheiten beschäftigt haben. Da wird dann mal schnell auf Rechtsmißbrauch oder Bagatelle oder sonst irgendwas Herangezogen es entschieden, welches dann vom zuständigen OLG wieder einkassiert wird.
Das gibt hier für den Shopbetreiber-Blog Stoff in Hülle und Fülle den es gleich doppelt zu kommentieren gilt. Einmal das Landgerichtliche Urteil und 6 Monate später die Klarstellung durch das OLG.
Das führt zum Gegenteil einer Rechtsicherheit! Was fange ich denn mit 2 Urteilen zweier Landgerichte an, das eine sieht das Fehlen einer Telefon-Nr. in der WRB als wettbewerbswidrig an, das andere sieht das als Bagatelle! Habe ich jetzt Rechtssicherheit? Weiss ich dann wie mein Landgericht entscheiden würde? Nein!
@shopper:
Ich sollte also eigentlich froh sein, wenn der fliegende Gerichtsstand abgeschafft wird 🙂
Aber ernsthaft: Da haben Sie genau Recht! Wirklich sich gegenseitig krass widersprechende Urteile gibt es nicht zu oft.
@tokra:
Der Abgemahnte kann doch froh sein, dass genau DAS Gericht angerufen wird, welches Ahnung hat. Dann ist das Verfahren in einer Instanz durch, eben weil Abmahner und Abgemahnter die Tendenz des jeweiligen Gerichts und auch der Berufungsinstanz kennen. Das erspart Kosten, weil man nicht ständig zum OLG muss.
Das ist klar, es ging mir darum, dass man mit einem für seine Seite positiven Urteil natürlich GENAU DIESES Gericht mit der Sache beauftragen wird, und nicht irgendein anderes. Der fliegende Gerichtsstand vermindert also das Risiko für denjenigen, der sich auf ein für ihn positives Urteil berufen kann.
@tokra
Jetzt nehmen wir mal tatsächlich an, es gibt diese 2 Landgerichte, die den gleichen Sachverhalt einmal “positiv” und einmal “negativ” für den Abgemahnten beurteilen würden. Also LG Bochum sieht die Telefon-Nr. in der WRB als unbedingt notwendig an, das LG Aurich hält das fehlen der Telefon-Nr. als Bagatelle an und überhaupt ist das alles rechtsmißbräuchlich, weil Aurich ja gar keinen Bahnhof hat.
Jetzt fällt der fliegende Gerichtstand weg und ich bekomme eine Abmahnung weil in meiner WRB die Telefon-Nr. fehlt? Was mach ich denn jetzt? Entsprechende Rechtsprechung existiert bei dem für mich zuständigen Landgericht in Bückeburg nicht!
@shopper: Gut so! Dann müssen sich nämlich auch mal neue Richter eigene Gedanken machen und nicht die bisherigen Ihre – meist festgefahrene Meinung – wiederholen. Genau das ist ja offenbar der Grund warum es sonst einen fliegenden Gerichtsstand gerade nicht gibt.
So bildet sich dann nach und nach über viele verschiedene Gerichte eine gefestigte Rechtsprechung und eben NICHT eine, die von einer Handvoll Richter an einem Ort solange einzementiert wird, bis sich vielleicht mal irgendwann jemand doch mal traut, bis zum BGH zu gehen.
Von mir daher ein großes PRO zur Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands.
Sorry, aber ein Abmahner geht doch nicht zum “kompetentesten” Gericht um dann dort ein “gerechtes” Urteil zu erwarten. Der hat doch kein Interesse an einem guten Urteil, sondern an einem Urteil dass für ihn positiv ausfällt. Also geht er zu dem Gericht, dass in der Vergangenheit sich bereits als übermäßig streng erwiesen hat oder bereits in seinem Sinne geurteilt hat – selbst wenn andere Gerichte anders geurteilt haben. Und das ist nicht nur im Wettbewerbsrecht sondern auch im Urheberrecht oder wenn es um Persönlichkeitsrechte so. Gehen Prominente nach ans LG Hamburg weil die so kompetent dort sind? Nein, die gehen dort hin weil die Richter dort zum Teil ein massiv gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit haben. Die Anwälte wissen genau, das Hamburg eine sichere Bank ist – es sei denn der Gegner geht durch alle Instanzen.
Vielleicht mal einfach ein paar Beispiele für sich widersprechende Rechtssprechungen einzelner LG bringen. Ich sehe diese Widersprüche nämlich nicht in dem Maße. Es sind häufig nur Nuancen, die oft genug dann auch durch den konkret zu beurteilenden Fall verursacht wurden.
Ich behaupte einfach mal: Diese diametral entgegengesetzten “positiven” und “negativen” Urteile gibt es garnicht.
Und das einzelne Gerichte besonder “streng” urteilen liegt vielleicht einfach daran, dass an diesem Gericht entsprechende Kompetenz vorhanden ist. Die Wettbewerbskammern (Man achte auf den Plural) z.B. in Köln sind ausschließlich mit hauptamtlich beschäftigten Richtern besetzt, die machen den ganzen Tag nichts anderes als gewerblichen Rechtsschutz. Beim LG in Bückeburg gibt es nur eine einzige Handelskammer und diese ist mit einem hauptamtlichen Richter und 2 ehrenamtlichen Richtern besetzt. Wie die Urteile jeweils qualitativ aussehen, mag jeder selber beurteilen. Ich glaube nicht, dass da in Bückeburg viele Urteile die Klippe des OLG schaffen.
Und das in Sachen Persönlichkeitsrechte und Urheberrecht viele Urteil beim LG Hamburg landen, ist durchaus sachlich begründet. Hamburg ist nun mal eine Medien Stadt – die größten Medienhäuser haben da ihren Sitz oder große Standorte: Burda, Stern, Spiegel, Springer. Das örtliche Landgericht hat nun mal die meiste Kompetenz mit solchen Dingen. Aus dem gleichen Grund landen die meisten Bankgeschichten halt vor dem LG Frankfurt. Ich weiss nicht was dagegenspricht wenn sich solche Spezialgerichte herauskristallisieren.
Ansonsten gibt es in wettbewerbsrechtlichen Sachen immer noch die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage vor einem eine vermeintlich wohlgesonnenden Landgericht. Das hilft zwar im Endeffekt nicht weiter, aber wenn es wirklich zu einem diamtral entgegengesetzen Urteil gekommen wäre, so würden dem Abmahner wenigstens mit Kosten belastet. Aber wie bereits geschrieben: Es gibt diese LG garnicht, die so diametral entscheiden.
@tomkra
Es bildet sich doch so keine gefestigte Rechtssprechung, wenn das eine LG so, das andere LG wiederum andersrum und ein drittes LG noch ganz anders entscheidet. Ich muss mich doch als Online-Händler im Zweifel eh an die strengste Auslegung eines LG halten, will ich nicht riskieren, dass ich abgemahnt werde. Auf jeden Fall so lange, wie ich nicht weiss, welche Linie mein LG fährt.
Der Wegfall der fliegenden Gerichtstandes würde zu Wildwuchs führen und nicht zu mehr Rechtsicherheit.
Wenn der fliegende Gerichtsstand so egal ist warum stehen dann in so vielen Beiträgen hier im shopbetreiber-blog Sätze wie dieser:
“Trotz dieser insgesamt sehr erfreulichen Entscheidung kann Entwarnung (noch) nicht gegeben werden. Denn durch den fliegenden Gerichtsstand bei Wettbewerbsverstößen im Internet kann ein Abmahnender sich meist das ihm “genehme” Landgericht aussuchen.
http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/06/05/kammergericht-und-landgericht-berlin-rueckgaberecht-auch-auf-ebay-zulaessig/
“Man wird diese Entscheidungen daher nur als Referenz und Argumentationshilfe heranziehen können, wenn man sich selbst einmal gegen eine entsprechende Abmahnung verteidigen muss. Aber selbst dann darf man sich nicht zuviel davon erhoffen, denn durch den fliegenden Gerichtsstand bei Wettbewerbsverstößen im Internet kann ein Abmahnender sich meist das ihm “genehme” Landgericht aussuchen”
http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/06/05/kammergericht-und-landgericht-berlin-rueckgaberecht-auch-auf-ebay-zulaessig/
“Händler sollten noch abwarten
Der Fall zeigt wieder einmal, dass das alte Sprichwort “3 Juristen, 5 Meinungen” zutrifft. Händler sollten sich noch nicht auf die Entscheidung des LG Düsseldorf verlassen. Durch den fliegenden Gerichtsstand bei Wettbewerbsverstößen im Internet, kann ein Abmahner vor das Landgericht ziehen, welches eine für ihn günstige Rechtsprechung hat. Er wird sich also kaum das LG Düsseldorf aussuchen. (mr)”
http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/03/02/lg-duesseldorf-rueckgaberecht-auch-bei-ebay-moeglich/
Ständiger Tenor bei jedem mal positiven Urteil für Shopbetreiber hier bei Shopbetreiber-blog: Bring nix, weil fliegender Gerichtsstand.
Zum Thema unterschiedliche Urteile: Die Liste ist endlos lang. Das ging ja schon damals los bei der Frage wie der Link zum Impressum heißen muss und ob er durch einen oder zwei Klicks erreichbar sein muss, oder ob UVP als Abkürzung für Unverbindliche Preisempfehlung zulässig ist oder nicht. Bei jedem noch so dämlichen Exotenurteil muss man als Händler mit Blick auf den fliegenden Gerichtsstand vorsichtshalber den Shop ändern. Mit Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes würde da das Risiko für Abmahner steigen.
Es wird durch die Abschaffung des fliegenden Gerichtstandes, die Zahl der dämlichen Exotenurteile “explodieren”. In der Konsequenz muss jeder Online-Händler seinen Shop vorsichthalber an den Maßstab anpassen müssen, den das neue Exoten-Urteil liefert.
Im übrigen sind alle zitierten Urteile schon älter wie 5 Jahre. Und ich möchte an dieser Stelle auch nur an das LG Arnsberg erinnern, wo beim gleichen Gericht zu dem gleichen Sachverhalt (Tell-a-friend auf Amazon), unterschiedliche einstweilige Verfügungen erlassen wurden. Es gibt da halt mehrere Handelskammern.
Ändern würde sich hier nur etwas wenn die “Abmahnkasse” nicht mehr in die Taschen der Abmahnenden und deren Anwaltsgeklunkel fließt.
Dann würde es auch weniger Klagen geben und Deutsche Gerichte könnten sich mal wieder mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen.
So lange aber unsere Regierung unsere Geldbörsen für das Gesocks offen hält, damit die in sich nahezu Sittenwiedrigerweise ein Scheinchen nach dem anderen aus nehmen können, hilft auch keine Änderung des Gerichtsstandes etwas. Der kleine, mitunter sehr spezialisierte Onlinehandel wird über kurz oder lang daran ausbluten.
Da genügt nicht selten schon eine Verfügung und der Händler ist auf Monate hin überhaupt nicht mehr verkaufsfähig.
@shopper
“Es wird durch die Abschaffung des fliegenden Gerichtstandes, die Zahl der dämlichen Exotenurteile “explodieren”.”
Das braucht mich dann aber nicht interessieren, solange es kein Urteil an meinem Gerichtsstand gibt kann ich gemütlich abwarten bis es ein höchstrichterliches Urteil gibt.
Dafür steigt das Risiko des Abmahners enorm, denn er kann sich nicht darauf verlassen, daß er anderswo ebenfalls ein günstiges Urteil bekommt.
Im übrigen wiedersprechen Sie sich da selbst. Oben schreiben Sie noch, daß die Urteile der Landgerichte sich höchstens in Nuancen unterscheiden, jetzt explodiert plötzlich die Zahl der unterschiedlichen Urteile.
Im übrigen bin ich der Überzeugung, daß die Anzahl der Urteile schon deshalb nicht “explodieren” wird, da mit dem erhöhten Risiko für Abmahner die Anzahl der Abmahnungen und der Verfahren zurückgehen dürften.
Ich habe noch immer nicht verstanden, wieso das Risiko des Abmahners steigen soll. Verliert er wegen einer unerfahrenen Kammer vor dem LG, zieht er halt weiter vor das OLG, an dem in der Regel die Senate Ahnung vom Wettbewerbsrecht haben. Das Risiko steigt also nicht für den Abmahner, die Sache wird einfach wesentlich teurer für den Abgemahnten.
Und es macht auch keinen Sinn, sich zurückzulehnen und abzuwarten, bis am “Heimatgericht” ein entsprechendes Urteil existiert. Vielleicht ist man selbst ja dann grad der erste Fall, mit dem ein solches Urteil provoziert wird.
Zumal jedem Urteil ja auch eine Abmahnung inkl. Kostennote vorausgeht.
Wie kann man sich angesichts dessen gemütlich zurücklehnen? Da kann man auch nicht abwarten auf irgendwelche höchstrichterlichen Urteile. Da sind enge Fristen gesetzt. Man muss auf die Abmahnung reagieren, will man nicht eine kostenintensive einstweilige Verfügung des örtlichen Landgerichtes riskieren. Solche Abmahnungen sind ja meist nicht in den blauen Dunst reingeschrieben, sondern da liegt ja in 99% der Fälle ein glasklarer Verstoss vor – und die 1% die da übrigbleiben, weil so ein Fall vielleicht noch nirgendwo geklärt wurde, bleibt immer noch ein erhebliches Risiko übrig, angesichts dessen man sich überlegen muss – ziehe ich das jetzt über 2 Instanzen durch oder ändere ich das einfach und gebe der Liebe und der Hühner wegen eine Unterlassungserklärung ab.