Die Verbraucherrechterichtlinie wurde zum 13. Juni 2014 in deutsches Recht umgesetzt. Die redaktionelle Qualität der VRRL lässt dabei sehr zu wünschen übrig. Nicht alle Mängel der Richtlinie konnten dabei durch das Umsetzungsgesetz beseitigt werden. Zahlreiche Fragen, die für Online-Händler sehr bedeutend sind, sind noch ungeklärt. Einige dieser Fragen werden derzeit in Musterverfahren geklärt.
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Seit Oktober 2008 diskutierte man auf EU-Ebene über eine Überarbeitung von wichtigen Richtlinien. Grund war: Insbesondere der Online-Handel hatte sich stark weiterentwickelt, die rechtlichen Grundlagen hierzu stammten jedoch noch aus dem Jahr 1997. Es dauerte dann über drei Jahre, bis die verschiedenen Lobby-Interessen in einem Kompromiss zusammengefasst wurden. Das Ergebnis war die im November 2011 verkündete "Richtlinie über die Rechte der Verbraucher" (oder kurz: Verbraucherrechterichtlinie, VRRL).
Im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Richtlinie gab es immer wieder große Diskussionen, die zu umfassenden Überarbeitungen der Zwischenentwürfe führten. Die verschiedenen Lobby-Gruppen intervenierten ständig (man denke nur an die anfangs geplante Ausnahme vom Widerrufsrecht für Wein unter bestimmten Voraussetzungen).
Irgendwann war es dann also so weit: Die Richtlinie konnte in Kraft treten. Anschließend hatten die Mitgliedstaaten noch zwei Jahre Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Allerdings durften die Umsetzungsnormen erst 2,5 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie angewendet werden.
Sowohl in der Richtlinie als auch im deutschen Umsetzungsgesetz sind einige Vorschriften aber noch so unklar, dass der Anwender, als der Shopbetreiber oder sein Berater, daraus keine konkreten Vorgaben entnehmen können.
So ist z.B. völlig unklar, welche konkreten Angaben der Unternehmer innerhalb der Widerrufsbelehrung machen muss, um den Verbraucher darüber zu informieren, welche Kommunikationswege er zur Ausübung des Widerrufsrechtes nutzen kann. Das LG Bochum meint, dass zwingend Fax- und Telefonnummer sowie eine E-Mail-Adresse anzugeben sein. Die Herleitung des Gerichts zu dieser Pflicht findet sich allerdings weder in der Richtlinie noch im Gesetz.
Aber es sind noch weitere Fragen offen. Einige von ihnen werden derzeit in Musterverfahren durch die Wettbewerbszentrale geklärt:
In einem derzeit anhängigen Musterverfahren möchte die Wettbewerbszentrale klären lassen, wie eine Vorschrift zu verstehen ist, nach der der Unternehmer bei einem begrenzten Platzangebot nur eine reduzierte Anzahl an Informationspflichten erfüllen muss.
Die Vorschrift in Art. 246a § 3 EGBGB lautet:
§ 3 Erleichterte Informationspflichten bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit
Soll ein Fernabsatzvertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen werden, das nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit für die dem Verbraucher zu erteilenden Informationen bietet, ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher mittels dieses Fernkommunikationsmittels zumindest folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
1. die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen,
2. die Identität des Unternehmers,
3. den Gesamtpreis oder in den Fällen, in denen der Preis auf Grund der Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung,
4. gegebenenfalls das Bestehen eines Widerrufsrechts und
5. gegebenenfalls die Vertragslaufzeit und die Bedingungen für die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses.
Die weiteren Angaben nach § 1 hat der Unternehmer dem Verbraucher in geeigneter Weise unter Beachtung von § 4 Absatz 3 zugänglich zu machen.
In dem beim LG Wuppertal (11 O 40/15) anhängigem Verfahren geht es um die Frage, ob ein Unternehmer, der eine einseitige Printwerbung mit Bestellformular nutzt, die Widerrufsbelehrung inkl. Muster-Widerrufsformular vollständig in diese Printwerbung mit aufnehmen muss.
Hierbei wird das Gericht auch die Frage zu klären haben, inwieweit die deutsche Vorschrift mit den europarechtlichen Vorgaben zusammenpasst. Denn nach der deutschen Vorschrift genügt eine Information über das Bestehen des Widerrufsrechtes.
Nach der europäischen Grundlage in der Verbraucherrechterichtlinie ist aber auch bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts über
zu informieren. In der Gesetzesbegründung findet sich leider kein Hinweis darauf, weshalb der deutsche Gesetzgeber von den Vorgaben aus der Verbraucherrechterichtlinie abgewichen ist.
In einem weiteren Verfahren möchte die Wettbewerbszentrale klären lassen, ob der Unternehmer innerhalb der Widerrufsbelehrung eine kostenpflichtige 01805-Nummer für den telefonischen Widerruf nennen darf.
Hintergrund ist, dass nach § 312a Abs. 5 BGB, mit dem Artikel 21 der Verbraucherrechterichtlinie umgesetzt wurde, Unternehmer keine Telefonnummern für Fragen oder Erklärungen im Zusammenhang mit bestehenden Verträgen bereithalten dürfen, wenn das vereinbarte Entgelt bei Anrufen über diese Nummer das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt.
In der Verbraucherrechterichtlinie wird dies mit dem Wort "Grundtarif" beschrieben, wobei es an einer Definition dieses Wortes fehlt.
Die Gesetzesbegründung nennt Beispiele für zulässige Rufnummern im Sinne dieser Vorschrift:
Insbesondere die Aufnahme der Service-Dienste (wozu auch 01805-Nummern zählen) ist in der juristischen Literatur nicht unumstritten geblieben.
Es bleibt spannend, wie sich das Gericht hierzu äußern wird. Denkbar (und eigentlich auch notwendig) wäre hier eine Vorlage an den EuGH, da es um die Auslegung europäischen Rechts geht.
Eine ähnliche Frage wird in einem weiteren Musterverfahren nach einer Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale geklärt werden: Darf ein Unternehmer eine 01805-Nummer als Telefonnummer für eine Kundenhotline verwenden? Hintergrund ist wieder § 312a Abs. 5 BGB, mit dem Artikel 21 der Verbraucherrechterichtlinie umgesetzt wurde.
Eine Kundenhotline wird gerade zu Zwecken eingerichtet, damit Kunden Fragen oder Erklärungen zu bestehenden Verträgen abgeben können. Auch hier stellt sich also die Frage, ob Service-Dienste - wie in er Gesetzesbegründung als Beispiel genannt - für Kundenhotlines eine zulässige Telefonnummer darstellen oder nicht.
Da die Fragen nach der Zulässigkeit der Service-Dienste bei zwei unterschiedlichen Gerichten anhängig sind (LG Hamburg und LG Stuttgart) könnte es gar dazu kommen, dass es am Ende zwei unterschiedliche Entscheidungen zur letztlich gleichen Frage geben wird.
Der EuGH wird sich mit der Frage beschäftigen, ob 0180-Nummern weiterhin als Kundenhotlines verwendet werden dürfen. Das LG Stuttgart hat diese Frage mittlerweile vorgelegt.
Über die weiteren Entwicklungen in diesen Verfahren sowie über evtl. hinzukommende Musterprozesse werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
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