Am Freitag, den 13. Juni 2014 trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Kraft. Der Shop sollte also schon umgestellt sein. Jetzt bleibt noch die Frage, wie mit einem Widerruf einer Bestellung, die nach dem 13. Juni eingeht, umzugehen ist. Interessant ist dabei insbesondere die Frage, wann dem Händler ein Anspruch auf Wertersatz zusteht.
Lesen Sie, wann Sie Wertersatz vom Verbraucher verlangen können.
Seit 13. Juni gelten neue Pflichten für Online-Händler, unter anderem muss seit dem eine neue Widerrufsbelehrung verwendet werden. Erste Abmahnungen wurden (erwartungsgemäß) schon am 13. Juni verschickt.
Aber auch die Regeln zum Umgang mit einem Widerruf haben sich geändert. Auch hierfür haben wir ein eigenes Whitepaper erstellt, welches für Sie zum kostenlosen Download bereitsteht.
Prüfung der Ware durch den Kunden
Der Kunde darf auch bei Bestellungen, die er ab dem 13. Juni 2014 getätigt hat, die Ware einer Prüfung unterziehen.
Wertersatz für einen Wertverlust der Ware muss der Verbraucher gemäß § 357 Abs. 7 BGB nur leisten, wenn
“der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war.”
Für die bloße Nutzung der Ware, durch die diese keinen Wertverlust erleidet, muss der Verbraucher keinen Wertersatz leisten.
Wasserbetten-Urteil des BGH
Die schon zum Wertersatz nach altem Recht ergangene Rechtsprechung kann weiterhin als Anhaltspunkt verwendet werden.
Insbesondere das Wasserbetten-Urteil, in dem sich der BGH grundlegend mit dem Wertersatzanspruch des Händlers befasst hat, bleibt weiterhin richtungsweisend.
Wird die Ware bereits durch die Prüfung der Eigenschaften wertlos, muss der Verbraucher hierfür keinen Wertersatz leisten. Dieses Risiko trägt der Händler.
Kein Vergleich mit dem Ladengeschäft mehr
Erfreulich ist, dass der Vergleich mit dem Ladengeschäft aus der Muster-Widerrufsbelehrung zum 13. Juni entfernt wurde.
Bisher hieß es in der Belehrung:
“Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise“ versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist.”
Dieser Vergleich war schon immer unpassend. Zum einen findet sich diese Einschränkung nicht im Gesetz, sondern nur im Muster.
Zum anderen ist völlig unklar, welche Art von Ladengeschäft gemeint.
Beispiel: Digitalkamera. In den großen Elektronikmärkten kann der Verbraucher mit den dort ausgestellten Kameras hunderte Fotos machen. Dagegen darf er dies im exklusiven Fachgeschäft wohl eher nicht.
Welches dieser beiden Ladengeschäfte soll aber zum Vergleich herangezogen werden? In Zukunft gibt es diesen Vergleich also nicht mehr. Es kommt nur auf die Prüfung der Eigenschaften, der Funktionsweise und der Beschaffenheit der Ware an.
Unternehmer trägt Beweislast
Dass der Kunde die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über das Prüfen der Eigenschaften, der Beschaffenheit und der Funktionsweise hinausgeht, muss der Händler beweisen.
Ebenso muss er beweisen, dass dadurch ein Wertverlust entstand. Auch die exakte Höhe des Wertverlustes (und damit die Höhe des Wertersatzanspruchs) muss der Händler nachweisen. Eine bloße Behauptung reicht hier nicht aus, sondern es müssen konkrete Belege dafür vorgelegt werden.
Keine Pauschalen
Die Höhe des möglichen Anspruchs auf Wertersatz ist für jeden Artikel separat zu bestimmen. Man kann keine pauschalen Aussagen dazu treffen, welchen Betrag der Verbraucher als Wertersatz leisten muss.
Belehrung über das Widerrufsrecht
Damit Händler den Anspruch auf Wertersatz geltend machen können, muss der Verbraucher korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt worden sein. Hierzu gehören die Informationen über
- die Bedingungen,
- die Fristen und
- das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie
- das Muster-Widerrufsformular.
Unterlässt der Händler diese Belehrung über das Widerrufsrecht, steht ihm kein Anspruch auf Wertersatz zu. Außerdem verlängert sich dann die Widerrufsfrist.
Wertersatz beim Widerruf von Dienstleistungen
Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, so muss er nur dann Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung zahlen, wenn er vom Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.
Außerdem muss der Händler den Verbraucher über
- die Bedingungen,
- die Fristen und
- das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts,
- das Muster-Widerrufsformular und
- über diesen Wertersatzanspruch
informieren, damit er den Anspruch geltend machen kann. Fehlt diese Information, hat der Unternehmer also keinen Anspruch auf Wertersatz.
Detail-Informationen über die korrekte Information erhalten Sie in unserem kostenlosen Whitepaper “Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen (inkl. Whitepaper mit Mustern)“.
Wertersatz bei digitalen Inhalten
Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so schuldet er gemäß § 357 Abs. 9 BGB niemals Wertersatz.
Daher ist es für Händler, die digitale Inhalte nicht auf körperlichen Datenträgern liefern, enorm wichtig, das Widerrufsrecht vor Ablauf der Frist zum Erlöschen zu bringen. Wie Sie dies machen, erfahren Sie in unserem kostenlosen Whitepaper “Widerrufsrecht für digitale Inhalte“.
[hubspotform whitepaper=”true” title=”Gratis Whitepaper-Download ‘Ausnahmen vom Widerrufsrecht'” image_path=”” image_text=”Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind sehr abstrakt im Gesetz formuliert. Die Rechtsprechung hat sich aber bereits mit mehreren Fällen beschäftigt, die wir übersichtlich für Sie zusammengestellt haben, damit Sie sicher mit Retouren umgehen können.” copy_text=”” portal_id=”603347″ form_id=”154f09d0-9036-4000-96e1-5db59cfd91da” css=””]
Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Artikelreihe zur Verbraucherrechterichtlinie
- Artikelreihe zum neuen Verbraucherrecht
- Die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Europa
- Die Ausübung des Widerrufsrecht – Weiterhin keine Begründung nötig
- Muss man künftig einen Liefertermin angeben?
- Form und Zeitpunkt der Informationserteilung
- Telefonnummer wird Pflichtinformation
- Information zu Gewährleistungsrechten
- Ausnahmen vom Widerrufsrecht
- Werbung mit Garantien
- Hin- und Rücksendekosten nach dem Widerruf
- Whitepaper: Neue Widerrufsbelehrung 2014 für Online-Shops
- Kosten der Zahlungsart
- Information über Lieferbeschränkungen und Zahlungsarten
- Erlöschen des Widerrufsrechts bei digitalen Inhalten
- Gratis Whitepaper zur VRRL
- Die Widerrufsfrist
“Zum anderen ist völlig unklar, welche Art von Ladengeschäft gemeint ist.” – Nun ja… In meinem Bereich ist es eigentlich völlig klar, welche Art von Ladengeschäft gemeint ist. Im Bekleidungsgeschäft kann man Ware anprobieren, Verarbeitung und Materialqualität prüfen, dies geschieht effektiv und gewöhnlich in 5 Minuten und nicht in 14 Tagen inklusive die Bekleidung auf Parties oder Fotoshootings zu tragen und nach Qualm/ Schweiß/Parfüm stinkend oder mit Tierhaaren übersät, zurückzuschicken. Kommt zum Glück selten vor, aber leider doch öfter, als man denkt. Ich nehme in solchen Fällen 100% Wertersatz, Ware geht also zurück an den Kunden unter erneuter Berechnung der Versandkostenpauschale. Bisher gab es da auch kein Problem mit, entspr. Kunden wissen schon genau, dass sie etwas falsch gemacht haben…
@Dunkelwelt
Ein Extrem-Beispiel: Wir haben in Köln ein Geschäft von Globetrotter. Dort kann ich sogar ein Boot, welches ich kaufen will, im Laden zu Wasser lassen; Kletterausrüstung kann ich an einer Kletterwand ausprobieren; eine Regenjacke kann ich anziehen und mich dann in eine “Regenkabine” stellen; Wanderschue auf einer künstlichen Wanderstrecke mit unterschiedlichen Untergründen testen.
Kaufe ich dagegen ein Schlauchboot im ALDI, kann ich das nicht zu Wasser lassen.
Welches Geschäft soll man dann online als Vergleichsgeschäft nehmen?
Das Tragen von Bekleidung, um zu Ihrem Beispiel zurückzukehren, auf einer Party inkl. Parfüm, Zigarettenrauch etc. ist m.E. ziemlich klar nicht mehr vom Prüfungsrecht erfasst.
Das Zurücksenden an den Kunden unter erneuter Berechnung von Versandkosten steht Ihnen nicht zu. Erst Recht nicht die erneute Berechnung von Versandkosten. Dafür gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage. Der Kunde darf (muss sogar) auch solche Ware nach Widerruf an Sie zurücksenden, da er gesetzlich zur Rücksendung nach dem Widerruf verpflichtet ist. Sie können dann lediglich den Kaufpreis einbehalten (Hinsendekosten sind dennoch zu erstatten), wenn der Wertverlust 100% beträgt.
Herr Rätze, Sie schreiben doch selbst: “Das Tragen von Bekleidung, um zu Ihrem Beispiel zurückzukehren, auf einer Party inkl. Parfüm, Zigarettenrauch etc. ist m.E. ziemlich klar nicht mehr vom Prüfungsrecht erfasst.” – Meines Erachtens steht dem Kunden dann auch kein Widerrufsrecht zu, da sich die Ware verschlechtert hat bzw. nicht mehr wiederverkäuflich ist, weil folgendes eindeutig erfüllt ist: “der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war.”. Und für mich ist es völlig logisch, das er dann auch entstandene Kosten für den Rückversand an ihn zu tragen hat. Selbst C&A schreibt in seinen Rücknahmebedingungen: “Warenzustand der Rücksendung – Wir bitten um Verständnis, dass nur Artikel mit Originaletikett und in einem Zustand wie bei der Anprobe im Laden zurückgenommen werden. Bei offensichtlichen Gebrauchsspuren (Make-up- und Lippenstift-Flecken, Geruch etc.) ansonsten mangelfreier Ware wird diese für uns unverkäuflich und wir müssen leider Wertersatz in Höhe des Kaufpreises geltend machen. Die Ware wird in diesem Fall an den Kunden zurückgeschickt und der Kaufpreis als Wertersatz einbehalten.”
Ich weis nicht, ob ein Gericht schonmal in so einem Fall entschieden hat, aber eine direkte gesetzliche Grundlage, die meine Handlungsweise verbietet, sehe ich nicht. Aber trotzdem vielen Dank für die Aufklärung und Ihre Sicht auf diese Vorgehensweise. Ich bin froh, dass es den Shopbetreiber-Blog gibt, ohne den ein oder anderen Beitrag, wäre ich sicher schon oft in die Abmahnfalle getappt.
@Dunkelwelt
Man muss hier zwei Dinge klar unterscheiden:
Bestehen des Widerrufsrechtes auf der einen und Wertersatzanspruch auf der anderen Seite. Die Ausnahmen und das Erlöschen des Widerrufsrechtes ist (relativ) eindeutig in § 312g BGB geregelt. “Übermäßig getragene Bekleidung” findet sich dort nicht. Also steht auch in diesem Fall dem Verbraucher das Widerrufsrecht zu. Er kann seinen Widerruf erklären und ist dann verpflichtet, die Ware zurückzusenden, § 357 Abs. 1 BGB.
Er darf die Sachen also nicht nur zurücksenden, er MUSS sogar.
Da Ihnen als Händler allerdings ein Wertersatz in Höhe von 100% des Kaufpreises zusteht, erhält der Verbraucher den Kaufpreis nicht zurück. Im Fall von 100% Wertersatz müssen dem Kunden (unter den neuen gesetzlichen Bedingungen) aber noch die Hinsendekosten erstattet werden. Die Ware verbleibt aber bei Ihnen. Das Zurücksenden der Ware muss der Kunde nicht tragen. Entsprechende AGB-Klauseln sehe ich als unwirksam an.
Hallo Herr Rätze!
Vielen Dank für Ihren informativen Beitrag. An sich ist aber doch weiterhin für den Verbraucher klar, wann er Wertersatz zu leisten hat. In Erwägungsgrund 47 der VRRL heißt es wörtlich:
“Manche Verbraucher üben ihr Widerrufsrecht aus, nachdem sie die Waren in einem größeren Maß genutzt haben, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre. In diesem Fall sollte der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht verlieren, sollte aber für einen etwaigen Wertverlust der Waren haften. Wenn er Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren feststellen will, sollte der Verbraucher mit ihnen nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen, wie er das in einem Geschäft tun dürfte. So sollte der Verbraucher beispielsweise ein Kleidungsstück nur anprobieren, nicht jedoch tragen dürfen. Der Verbraucher sollte die Waren daher während der Widerrufsfrist mit der gebührenden Sorgfalt behandeln und in Augenschein nehmen. Der Verpflichtungen des Verbrauchers im Falle des Widerrufs sollten den Verbraucher nicht davon abhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben.”
Die Erwägungsgründe der Richtlinie können in Zweifelsfällen zur Auslegung herangezogen werden. Der Fall des Ladengeschäfts und der getragenen Kleidung dürfte daher – auch wenn es in der Muster-Widerrufsbelehrung nunmehr nicht mehr erwähnt ist – weiterhin ganz klar geregelt sein.
Hallo Herr Rätze!
Vielen Dank für die detailreichen Ausführungen. Mich beschäftigt zum VRR eine (evtl. irgendwo schon beantwortete) Frage.
Was passiert eigentlich, wenn der Kunde seinen Widerruf nicht vor Rücksendung erklärt hat?
Ich weiß schon, wie wir Händler es wohl zum Großteil handhaben werden, nämlich die Rücksendung als Widerruf akzeptieren und die Zahlung retournieren, zumal wir auch selten beweisen können, dass der Kunde nicht vorher mündlich seinen Widerruf erklärt hat.
Es geht mir eigentlich mehr um den Sinn dieser Mehrarbeit für den Verbraucher. Hat er dadurch nicht sogar rein juristisch gesehen, weniger Rechte, als gemeinhin propagiert?
Eine Dunstabzugshaube, unter der nur einmal gekocht/gebraten wurde, ist bis in die hintersten Ecken mit Fett eingenebelt. Auch wenn man es auf Grund der (bis dahin) sehr geringen Menge nicht direkt sehen kann, kann man es nach einigen Tagen riechen. Zur Reinigung müsste die Haube in ihre Einzelteile zerlegt werden.
Mir gefiel der Satz mit ” wie es im Ladengeschäft möglich und üblich ist” sehr gut, denn da wird immer nur “im Leerlauf” getestet.
Wie bekommt man eine Dunstabzugshaube denn dann zu Hause als Nutzer sauber? Gar nicht? Da zerlegt doch auch niemand die Haube zum Reinigen in ihre Einzelteile.
Sehr geehrter Herr Rätze,
wie schaut es denn aus, wenn der Kunde widerruft, die Ware verspätet absendet, so daß die 14 Tage die nach bekannt geben des Widerrufs schon verstrichen sind und die Ware angenommen wurde, da der Käufer die Ware ja annehmen muß. Der Verkäufer hat durch das Warten auf das eintreffen der Ware Mehrkosten gehabt, denn der Urlaub mußte umgebucht werden, der Verkäufer hat in der Zeit zwischen Widerruf und und Paketankunft die Ware neu fertigen lassen müssen, da er sonst in Verzug geraten wäre bei einem anderen Kunden, der genau das gleiche Model in der gleichen Größe bestellt hat.
Die Firma sitzt seit 09.07. im EU Ausland und Fristende war der 19.07. Darf der Verkäufer diese Mehrkosten geltend machen? Welche Beweismittel muß er in diesem Falle dem Käufer vorlegen?