Sanktionssysteme Frankreich Deutschland Wettbewerbsverstöße werden in Deutschland und Frankreich unterschiedlich streng geahndet. Während die Abmahnung bei deutschen Onlinehändlern schwer gefürchtet ist, sehen die französischen Onlinehändler einem Schreiben ihrer Aufsichtsbehörde relativ gelassen entgegen.

Erfahren Sie mehr zu den unterschiedlichen Sanktionssystemen.

Das französische Recht verfolgt in Bezug auf die Sanktionsmöglichkeiten im Verbraucher- und Wettbewerbsrecht einen Ansatz, der eine staatliche Durchsetzung bevorzugt, ohne dass Verbraucher oder Mitbewerber ihre Rechte selbständig geltend machen müssen. Staatliche Einrichtungen wie die Direction Générale de la Concurrence, de la Consommation et de la Répression des Fraudes (DGCCRF) sorgen für die Einhaltung des Verbraucher- und Wettbewerbsrechts.

Im Vergleich dazu hat sich in Deutschland die Abmahnung als legitimes Mittel bewährt, um einen Unterlassungsanspruch wegen einer Rechtsverletzung außergerichtlich durchzusetzen. Wie die DGCCRF in Frankreich genau vorgeht, welche Befugnisse ihr zustehen und inwieweit Gemeinsamkeiten mit dem Instrument der Abmahnung und den deutschen Verbraucherzentralen bestehen, soll der folgende Beitrag aufzeigen.

Die DGCCRF- Ziele & Organisation

Die Generaldirektion Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung (Direction générale de la Concurrence, de la Consommation et de la Répression des Fraudes- kurz DGCCRF) gehört zum Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Industrie und übernimmt die Rolle einer Marktaufsichtsbehörde in Frankreich. Im Wesentlichen hat die DGCCRF drei Hauptaufgaben:

  • wirtschaftlicher Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Geschäftspraktiken im täglichen Leben (z.B. Etikettierungsregeln, Zusammensetzung und Bezeichnung von Waren, Kontrolle bestimmter Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern wie Schlussverkäufe und Haustürgeschäfte)
  • Gewährleistung der Sicherheit der Verbraucher (z.B. Kennzeichnung gefährlicher Produkte, Kontrolle der Lebensmittelhygiene oder der Sicherheit von Spielzeugen
  • wettbewerbsorientierte Regelung der Märkte (z.B. Bekämpfung von Kartellen, Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und Bekämpfung der Produktfälschung)

Diese Zielvorgaben werden jährlich in einer nationalen Orientierungsrichtlinie festgelegt (Directive nationale d’Orientation). Um eine lückenlose Flächendeckung zu gewährleisten, besteht die DGCCRF neben ihrer Zentralverwaltung in Paris aus kleineren Regional- und Departmentseinheiten in ganz Frankreich.

Auch international arbeitet sie mit vielen Partnern zusammen, darunter auch mit dem französische nationale Rat für Verbraucherschutz und die Verbraucherverbände. Auf EU- und internationaler Ebene ist die DGCCRF ebenfalls in einigen Gremien vertreten, wie dem Netz der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Welthandelsorganisation (WTO).

Aufgaben und Befugnisse der DGCCRF

Artikel L. 141-1 des französischen „code de la consommation“ befähigt die Mitarbeiter der DGCCRF ein administratives Mahnverfahren einzuleiten, um z.B. Verstöße gegen die Vorschriften des Fernabsatzrechtes oder irreführende Handlungen zu sanktionieren. Dabei muss der angegriffene Onlinehändler die Möglichkeit zur Stellungnahme haben. Die DGCCRF kann ihm auferlegen sich innerhalb einer angemessenen Frist gesetzeskonform zu verhalten und unzulässige Klauseln zu beseitigen.

Bezogen auf Standardverträge mit Verbrauchern (wie z.B. bei Mobilfunkverträgen) kann die DGCCRF vor Gericht die Streichung rechtswidriger Klauseln beantragen. Nachdem sie den jeweiligen Staatsanwalt des Gerichts in Kenntnis gesetzt hat, ist es ihr ebenso möglich ein Urteil gegen einen Onlinehändler vor einem Zivilgericht zu erwirken. Wird der Fall dem Staatsanwalt vorgelegt, kann dieser entscheiden, ob ein außergerichtlicher Vergleich angeboten werden kann.

Dieses Verfahren hat den Vorteil deutlich kürzer zu sein, als ein langwieriges Gerichtsverfahren. Außerdem wird die Entscheidung auf diesem Weg nicht veröffentlicht und der Onlinehändler kann sein öffentliches Image schützen.

Zum Schutz der Verbraucher durchforstet die DGCCRF regelmäßig das Internet nach Rechtsverstößen. 2012 waren es 11 000 Webseiten, die in einem speziell eingerichteten Zentrum für die Überwachung des elektronischen Handels in Morlaix kontrolliert wurden.

Neuerungen durch das “projet de loi Hamon”

Neben der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie regelt ein aktueller Gesetzesentwurf in Frankreich auch neue Befugnisse, die die DGCCRF in Zukunft innehaben soll. Hauptsächlich handelt es sich dabei um die Möglichkeit der Mitarbeiter, während einer Kontrolle ihre Zugehörigkeit zur DGCCRF nicht offenzulegen sofern der Beweis einer Rechtsverletzung nicht auf anderem Weg erbracht werden kann. Speziell im Onlinehandel ist es ihnen möglich, unter falscher Identität Testbestellungen durchzuführen und in Form von „clients mystères“ Rechtsverletzungen aufzudecken.

In Bezug auf den Onlinehandel kann die DGCCRF den Händlern zukünftig bei einer Pflichtverletzung auferlegen, über einen Zeitraum von 2 Monaten keine Zahlungen mehr einzufordern, bevor nicht die komplette Lieferung des Produktes oder die vollständige Ausführung der Dienstleistung erfolgt ist. Zudem kann die DGCCRF den Onlinehändler verpflichten, den Verbraucher über das gegen ihn anhängige Mahnverfahren zu informieren.

Sollte er dem Mahnschreiben nicht innerhalb der vorgegebenen Frist nachkommen, obliegt es der DGCCRF die vorrübergehende Einstellung jeglicher Zahlungsannahme, somit faktisch die Geschäftseinstellung, gerichtlich durchzusetzen.

Um die Effektivität der ausgesprochenen Mahnungen zu erhöhen, wird die DGCCRF demnächst direkt Bußgelder verhängen dürfen. Deren Höhe beläuft sich auf bis zu 3 000 Euro für eine natürliche und 15 000 Euro für eine juristische Person. Durch diese Maßnahme sollen langwierige Gerichtsverfahren vermieden und Rechtsverstöße schnell sanktioniert werden können.

Der angegriffene Händler hat die Möglichkeit innerhalb von 60 Tagen zu den Vorwürfen Stellung nehmen, bevor die DGCCRF die Strafzahlung aussprechen kann. Diese Zahlungen greifen beispielsweise bei Nichteinhaltung der vorvertraglichen Informationspflichten, sowie den Regelungen zur Ausübung des Widerrufsrechts und seinen Folgen.

Es wird deutlich, dass die DGCCRF – sollte der Gesetzesentwurf mit diesen Änderungen beschlossen werden – in Zukunft mehr Befugnisse haben wird, um Rechtsverstöße schnell und effizient zu ahnden und zu sanktionieren, mit dem Ziel den Verbraucher beim Kauf im Internet zu schützen.

Vergleich zu Deutschland

Verglichen mit den Aufgaben und Zielen könnte das deutsche Pendant zur DGCCRF der Verbraucherzentrale Bundesverband sein. Wo Frankreich eine staatliche Einrichtung befähigt, setzt Deutschland auf private Akteure wie die Verbraucherzentralen. Hier stehen ebenfalls der Schutz der Verbraucher und die Durchsetzung ihrer Interessen im Vordergrund. Dennoch ist der Einfluss verschieden.

Im Bereich der Marktanalyse und der Information der Verbraucher übernehmen beide Einrichtungen ähnliche Aufgaben. In Bezug auf die Sanktionsmöglichkeiten steht der Verbraucherzentrale, sowie jedem Mitbewerber, in Deutschland nach § 8 UWG die Möglichkeit zu, wegen Rechtsverstoß eine Abmahnung auszusprechen. Des Weiteren steht ihr die Verbandsklagebefugnis, als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKLAG, zu.

Das Rechtsmittel der Abmahnung ist in Deutschland inzwischen weit verbreitet und wird sehr häufig in Anspruch genommen. Zweck der Abmahnung ist, wie auch der des Mahnverfahrens der DGCCRF, die außergerichtliche, schnelle Erledigung des Sachverhalts. Sollte die Abmahnung nicht den gewünschten Erfolg erzielen, kann Klage auf Unterlassung vor einem Zivilgericht eingereicht oder einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden.

Dabei ist es nicht notwendig den Umweg über einen Staatsanwalt zu gehen, wie es die DGCCRF tun muss. Auch Konkurrenten können in Frankreich wegen Rechtsverstößen klagen. Das ist allerdings eher unüblich. Nicht selten wenden sich dagegen die Mitbewerber direkt an die DGCCRF, um auf Rechtsverstöße aufmerksam zu machen.

Der größte Unterschied ist, dass, sollte tatsächlich ein Rechtsverstoß vorliegen, bei einer Abmahnung auf jeden Fall Kosten entstehen. Beim Mahnverfahren der DGCCRF bekommt der Abgemahnte eine Frist, um die Rechtsverstöße zu beseitigen. Er erhält ein Dokument, in dem ihm der Verstoß aufgezeigt wird und kann sich dementsprechend anpassen. Erfolgt dies fristgemäß, tritt keine Veröffentlichung ein und es müssen keinerlei Zahlungen geleistet werden.

Erst wenn der Abgemahnte auf das erste Mahnschreiben nicht reagiert, leitet die DGCCRF Verfahren ein. Ein Nachteil aus dieser Abfolge ist der fehlende Anreiz für Onlinehändler, sich von Beginn an gesetzeskonform zu verhalten. Diesen Anreiz lösen dagegen in Deutschland die meist kostspieligen Abmahnungen aus. Erst mit den Neuerungen des „projet de loi Hamon“ kann die DGCCRF direkt Bußgelder verhängen, was zu effizienteren Sanktionen führen wird.

Fazit

Welches System im Endeffekt effektiver ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Im Fall der deutschen Abmahnung werden die Sanktionen dem Markt selbst überlassen und es entsteht eine wechselseitige Überwachung der einzelnen Marktakteure. Eine Abmahnung kann eine gute Methode sein, um kurzfristig und wirkungsvoll einen Rechtsverstoß zu beseitigen. Allerdings zeigt die Praxis, dass das System der Abmahnungen auch missbraucht werden kann. In den Medien wird in diesem Zusammenhang von „Abmahnwellen“ gesprochen. Ob tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist aber eine Einzelfallentscheidung.

Die DGCCRF, als „Überwachungsbehörde“ über den französischen Wettbewerb und Verbraucherschutz, verfolgt dasselbe Ziel, allerdings mit anderen Mitteln. Die einseitige Kontrolle ist aufwendiger und die Konsequenzen weniger schwerwiegend für die Onlinehändler. Es bleibt abzuwarten, wie sich die deutlich weiteren Befugnisse der DGCCRF nach Beschluss des Gesetzesentwurfs des „projet de loi Hamon“ auf die Effektivität der Kontrollen auswirken werden. Voraussichtlich werden die Bußgeldzahlungen deutlich dazu beitragen, dass Rechtsverstöße von vornerein vermieden werden.

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