Viele Kunden füllen zunächst ihren Warenkorb und beginnen mit dem Bestellprozess. Häufig kommt es jedoch vor, dass Kunden den Bestellprozess nicht bis zum Ende durchlaufen, sondern vorher abbrechen. In diesen Fällen verschicken einige Händler sog. "Bestellabbrecher-Mails", mit denen der Kunde dazu angehalten werden soll, seinen Einkauf abzuschließen. Aber wie sieht es rechtlich aus? Darf man solche Mail überhaupt verschicken?
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Update: Wettbewerbszentrale hält Bestellabbrecher-Mails für unzulässig.
Bei der Beurteilung von Bestellabbrecher-Mails müssen sowohl der datenschutzrechtliche wie auch der wettbewerbsrechtliche Aspekt betrachtet werden.
Denn es stellt sich die Frage, ob Daten, die im (nicht beendeten) Bestellprozess gespeichert werden und ob sie anschließend zum Versand der Bestellabbrecher-Mail genutzt werden dürfen.
Jede Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten bedarf entweder der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen oder einer gesetzlichen Legitimation (Rechtsgrundlage).
Eine solche gesetzliche Legitimation ist z.B. gegeben, wenn die Erhebung und Speicherung der Daten zur Begründung und Durchführung eines Vertragsverhältnisses erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG), wie etwa zur Abwicklung einer Online-Bestellung.
Gibt ein potentieller Kunde im Rahmen eines Bestellprozesses seine persönlichen Daten ein, ist es daher zunächst zulässig, diese Daten temporär zu speichern, da dies zu diesem Zeitpunkt zweifelsohne von der genannten Rechtsgrundlage legitimiert ist.
Entscheidet sich der Kunde allerdings bewusst dazu, den Bestellprozess abzubrechen, endet an diesem Punkt sowohl die Anbahnung (Begründung) des Vertragsverhältnisses sowie auch ein eventuelles vorvertragliches Schuldverhältnis.
Zugleich entfällt somit auch die Berechtigung zur weiteren Speicherung und vor allem zur weiteren Verwendung der eingegebenen Daten, da der Verwendungszweck der Begründung eines Vertragsverhältnisses entfallen ist.
Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn der Kunde ein Kundenkonto eröffnet hat. Die eingegebenen Daten dürften dann zwar zum Zweck der Führung des Kundenkontos weiterhin gespeichert bleiben.
Die Datennutzung zur werblichen Ansprache ist aber auch in diesem Fall sowohl aus datenschutzrechtlicher als auch aus wettbewerbsrechtlicher unzulässig, sofern nicht eine separate Einwilligung hierzu vorliegt, da die werbliche Nutzung der Daten nicht vom Verwendungszweck des Kundenkontos erfasst ist und zudem grundsätzlich separat einwilligungspflichtig ist.
Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen, bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Derartige geschäftliche Handlungen sind unzulässig (§ 7 Abs. 1 UWG).
Bei sog. Bestellabbrecher-Mails handelt es sich eindeutig um Werbung i.S.d. § 7 UWG.
Werbung ist dabei jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt (vgl. Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG).
Bestellabbrecher-Mails stellen zunächst als E-Mails eine Form der Kommunikation dar.
Sie dienen auch unmittelbar der Absatzförderung. Denn einziger Sinn und Zweck von Bestellabbrecher-Mails ist es, den Kunden dazu zu bringen, den abgebrochenen Bestellvorgang zu beenden. Wird der Bestellvorgang beendet, wurde der Absatz von Waren gesteigert. Damit fallen Bestellabbrecher-Mails ganz klar und eindeutig und die juristische Definition von Werbung.
Der Versand derartiger Mails ist daher ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung nicht zulässig und zudem wettbewerbswidrig. Sowohl die jeweiligen Empfänger als auch Mitbewerber und Verbände können daher Unterlassungsansprüche gegen Sie geltend machen, sofern diese Mails verschickt werden.
Die Ausnahmeregelung, nach der E-Mail-Werbung auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung verschickt werden kann, greift in diesem Fall nicht.
"Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn
1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen."
Bereits Nummer 1 ist nicht erfüllt, da der Unternehmer die Daten gerade nicht bei einem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen erhalten hat. Der Kauf wurde ja abgebrochen.
Auch Nummer 2 ist nicht erfüllt, da für "eigene ähnliche Waren" nicht geworben wird. Die Ähnlichkeit der beworbenen Ware muss sich dabei auf die gekaufte beziehen. Da aber keine Ware gekauft wurde, kann auch keine ähnliche Ware beworben werden.
Letztlich müsste auch noch um 4 erfüllt sein, also bei der Erhebung der Mail-Adresse müsste auf die Verwendung zu Werbezwecken und auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen werden.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, bei Bestellabbrecher-Mails handle es sich nicht um Werbung, sondern um "Service-Mails" oder "Transaktions-Mails". Diese Auffassung findet aber keine Stütze im Gesetz oder in den zugrunde liegenden EU-Richtlinien. Das Gesetz kennt schon diese Begriffe nicht.
Die Einstufung als "Transaktions-Mail" scheidet schon deswegen aus, weil eine Transaktion gerade nicht stattgefunden hat. Letztlich kennt das Gesetz als zulässige Transaktions-Mail auch nur die Bestellbestätigung (§ 312 g Abs. 1 BGB). Zulässig als eine solche Transaktions-Mail ist auch noch die Auftragsannahme per E-Mail.
Vereinzelt wird eine Bestellabbrecher-Mail mit der Frage der Kassiererin im Ladengeschäft verglichen, ob sie behilflich sein könne.
Allerdings gibt es hier wesentliche Unterschiede:
Eine Ansprache durch die Kassiererin im Ladengeschäft ist nicht gesetzlich untersagt. Die werbliche Ansprache per Mail dagegen ist gesetzlich geregelt und nach den entsprechenden Vorschriften - sofern keine Einwilligung vorliegt - eindeutig unzulässig.
Der Vergleich hinkt darüber hinaus, weil die Kassiererin im Laden keinerlei Kenntnis über persönliche Daten des Kunden hat. Deshalb fallen auch die datenschutzrechtlichen Aspekte, die bei der Betrachtung von Bestellabbrecher-Daten zwingend berücksichtigt werden müssen, bei diesem Vergleich aus der rechtlichen Beurteilung heraus.
Der Versand von Bestellabbrecher-Mails ist sowohl aus datenschutz- wie auch wettbewerbsrechtlicher Sicht unzulässig, sofern der Besucher des Shops nicht seine ausdrückliche Einwilligung hierzu erteilt. Diese könnte zu Beginn des Bestellprozesses mittels (nicht vorangekreuzter Checkbox) eingeholt werden. Eine bloße Information in der Datenschutzerklärung hierzu ist unzureichend.
Werden solche Mails ohne Einwilligung versendet, können dies Mitbewerber, Verbände und qualifizierte Einrichtungen abmahnen. Außerdem stehen auch dem Empfänger selbst Unterlassungsansprüche zu. (mr/lk)
Die Wettbewerbszentrale berichtet davon, dass sie gegen die Versender von Bestellabbrecher-Mails vorgeht, da auch sie den Versand solcher E-Mails für wettbewerbsrechtlich unzulässig und datenschutzrechtlich zumindest für "mehr als bedenklich" hält.
Der Teil zu den datenschutzrechtlichen Aspekten wurde vom Datenschutzbeauftragten der Trusted Shops GmbH Lars Klatte geschrieben, der Teil zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten von Martin Rätze.
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