Am Donnerstag, 27. Juni 2013 beschloss der Bundestag ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Unter anderem sollen damit Filesharing-Abmahnungen eingedämmt werden. Das Gesetz regelt aber auch einige Punkte hinsichtlich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen neu. Der Plan, den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen, wurde nicht umgesetzt. Dieser bleibt nun erhalten.
Lesen Sie mehr zu den Änderungen.
Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wird einige neue Vorschriften in Bezug auf Abmahnungen mit sich bringen. Einen ausführlichen Aufsatz zum Regierungsentwurf hat Dr. Felix Buchmann in der WRP veröffentlicht. Diesen können Sie hier als PDF herunterladen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah vor, dass der sog. "Fliegende Gerichtsstand" im Wettbewerbsrecht abgeschafft werden soll. Zur Begründung führte die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf an:
"§ 14 Absatz 2 UWG sieht einen „fliegenden Gerichtsstand“ vor. Danach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Verletzungshandlung begangen wurde. Wird die Verletzungshandlung mittels eines weit verbreiteten Massenmediums wie zum Beispiel im Internet begangen, können im Einzelfall sehr viele Gerichte angerufen werden.
Diesen Umstand nutzen Kläger häufig aus und klagen bei dem für sie vermeintlich günstigsten Gericht, so dass die Beklagten oftmals erheblich benachteiligt sind.
Daher soll der „fliegende Gerichtsstand“ künftig nur noch in Ausnahmefällen Anwendung finden. Klagen aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sollen regelmäßig bei dem Gericht erhoben werden, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder seinen Wohnsitz bzw. seinen inländischen Aufenthaltsort hat.
Dies wird mehr Waffengleichheit zwischen Klägern und Beklagten schaffen."
Warum und wie die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes zu mehr "Waffengleichheit" führen könnte, wurde leider nicht erklärt.
Hätte der Kläger beim Sitz des Beklagten klagen müssen (und womöglich an einem im Wettbewerbsrecht nicht so erfahrenem Gericht), wäre er womöglich unterlegen. Allerdings wäre dies bei einem wirklichen Wettbewerbsverstoß spätestens beim zuständigen OLG dann korrigiert worden. Die Folge: Mehr Kosten für den Abgemahnten.
Der Rechtsausschuss hatte dem Deutschen Bundestag empfohlen, den fliegenden Gerichtsstand (noch) nicht abzuschaffen. Vielmehr solle zunächst geprüft werden, ob auch im gewerblichen Rechtsschutz der Sitz des Beklagten als fester Gerichtsstand verankert werden soll.
Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes hätte noch eine weitere negative Folge gehabt: Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das grundlose Ausnutzes des fliegenden Gerichtsstandes als Indiz für den Rechtsmissbrauch gilt. Dieses Indiz wäre abgeschafft worden. Der Rechtsmissbrauch aber nicht eingedämmt, Abmahner hätten Klagen weiterhin über das gesamte Bundesgebiet streuen können, ohne aufzufallen. Sie hätten sich ihre Abmahnopfer nur in den entsprechenden Gerichtsbezirken suchen müssen.
Eine gute und sehr nützliche neue Vorschrift ist, dass Opfer von rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen in Zukunft einen Anspruch auf Erstattung ihrer Verteidigungskosten haben. So wird § 8 Abs. 4 UWG zukünftig lauten:
"Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt."
Ein solcher Erstattungsanspruch hat sich in der Vergangenheit bereits aus den allgemeinen Regelungen zum Schadenersatz ergeben, allerdings vereinfacht diese Neuregelung die Durchsetzung der Ansprüche.
Ebenfalls angenommen wurden die neuen Regelungen zur sog. Streitwertbegünstigung. Diese Regelungen lesen sich sehr gut.
Darin heißt es, dass eine Partei (in der Regel der Abgemahnte) die Gerichts- und Anwaltsgebühren nur aus einem geringeren Streitwert zu zahlen hat, wenn diese glaubhaft macht, dass bei der Belastung mit den Gebühren nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährdet wäre.
In diesem Fall kann diese Partei eine Streitwertbegünstigung beantragen.
Aber welche Folgen hat das?
Bisher setzt das Gericht den Streitwert nach freiem Ermessen fest. Dabei ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Gerichte in Wettbewerbsstreitigkeiten zwischen Online-Shops sehr niedrige Streitwerte ansetzen. So hat das OLG Celle (Beschluss v. 28.3.2013, 13 U 19/13) kürzlich erst den Streitwert wegen unterlassener Grundpreisangabe von 15.000 auf 3.000 Euro herabgesetzt.
Diese Möglichkeit der Ermessensbestimmung durch das Gericht bleibt übrigens zusätzlich erhalten, sie wird nur aus dem UWG entfernt und ins Gerichtskostengesetz eingefügt.
Die neue Regelung zur Streitwertbegünstigung wird aber nur äußerst selten zur Anwendung kommen.
Deswegen hatte sie der Gesetzgeber auch 2004 abgeschafft: Sie hatte keinen eigenen Anwendungbereich.
An dieser Einschätzung ändert sich nichts durch die Neueinführung.
Zum anderen ist diese Regelung für den Abgemahnten auf den 2. Blick sehr negativ. Will er die Streitwertbegünstigung erreichen, muss er einen Antrag stellen und glaubhaft machen, dass seine wirtschaftliche Existenz erheblich gefährdet ist. Das bedeutet, er muss im Verfahren seine kompletten Zahlen offen legen. Diese sieht dann natürlich auch der Abmahner.
Übrigens: Keine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage liegt vor, wenn der Abgemahnte für die Begleichung der Kosten einen Kredit aufnehmen müsste und diesen auch erhalten würde.
Darüber hinaus beginnt die Vorschrift mit folgenden Worten:
"Macht eine Partei in Rechtstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch..."
In wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten kommt es allerdings selten zur Klageerhebung. Die meisten Verfahren werden im Rahmen von einstweiligen Verfügungen abgeschlossen. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob diese Norma auch auf einstweilige Verfügungsverfahren entsprechend angewendet werden kann. Für das Markenrecht (in dem eine gleichlautende Vorschrift existiert) soll dies gelten. Hier sind zunächst die Gerichte gefragt.
Es könnte also passieren, dass man im Prozess seinem Gegner die Bücher offen legen muss, aber das Gericht dann entscheidet, dass die Voraussetzungen für eine Streitwertreduzierung nicht gegeben sind.
Ins Gerichtskostengesetz soll außerdem eine Art Sonderstreitwert für Streitigkeiten nach UWG eingeführt werden. Dieser Beträgt 1.000 Euro ist vom Gericht dann anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand hinsichtlich des Unterlassungsanspruches keine genügenden Anhaltspunkte bieten.
Die Regierung begründete die Vorschrift mit sog. Bagatellfällen, in diesen solle der Streitwert nur noch 1.000 Euro betragen. Als Beispiel führte sie Verstöße gegen die Impressumspflichten an.
Dabei hat die Regierung aber übersehen, dass es hinsichtlich Impressumsangaben per Gesetz fast nie eine Bagatelle geben kann. Außerdem würde die Annahme einer Bagatelle dazu führen, dass der Unterlassungsanspruch gar nicht besteht und der Abmahner verliert. In solchen Fällen beträgt der Streitwert dann also 1.000 Euro. Der ursprünglich Abgemahnte hat gar nichts davon, denn die Kosten sind in solchen Fällen vom Abmahner zu zahlen.
Der Gesetzgeber hat es leider versäumt, die wirklichen unseriösen Geschäftspraktiken im Wettbewerbsrecht einzudämmen. Er hätte die Chance ergreifen sollen, die Regelungen zum Rechtsmissbrauch zu verschärfen, hiervon hätten alle Händler profitiert.
Das Bundesjustizministerium erklärt zum Gesetz auf seiner Website:
"Auch Missstände bei Abmahnungen im Wettbewerbsrecht werden begrenzt. Durch die in dem Entwurf enthaltenen Regelungen werden finanzielle Anreize für Abmahnungen deutlich verringert und die Position des Abgemahnten gegenüber einem missbräuchlich Abmahnenden gestärkt. Dadurch soll die Zahl der Abmahnungen abnehmen, die weniger im Interesse eines lauteren Wettbewerbs als zur Gebührenerzielung ausgesprochen werden."
Wie das mit dem nun verabschiedetem Gesetz aber erreicht werden kann, bleibt unklar. (mr)
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