Wer eine Marke hat schützen lassen, möchte sie auch verteidigen. Kein anderer darf diese dann ohne die Erlaubnis des Inhabers für gleiche oder ähnliche Waren verwenden. Bekannt Marken werden dann gerne etwas abgewandelt. Wie man das darf, entschied kürzlich der BGH.

Lesen Sie mehr zu dem Urteil.

In mehreren Teilbeiträgen hatten wir bereits auf die Bedeutung des Markenrechts für den E-Commerce hingewiesen.

In diesem Beitrag soll es nunmehr darum gehen, dass nicht automatisch mit der Anmeldung und Eintragung einer Marke umfassende Verbietungsrechte bei etwaigen möglicherweise bestehenden Verletzungen der eingetragenen Marken bestehen.

Hintergrund dieses Beitrages ist eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 9. Februar 2012, Az.: I ZR 100/10 – pjur/pure), bei der es um einen Fall der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer vermeintlichen Markenrechtsverletzung ging.

Die Besonderheit des Falls war, dass die Marke, aus der die Ansprüche geltend gemacht wurden, an einen beschreibenden Begriff angelehnt war.

Der Sachverhalt

Hintergrund des gerichtlichen Verfahrens war der Fall, dass die Inhaber von mehreren Marken mit der Bezeichnung „pjur“, die unter anderem für Massageöle geschützt waren, gegen einen Online-Händler, dessen Geschäftsführer und den Domaininhaber vorgegangen war, die für Ihr angebotenes Produkt eines Massageöls den Begriff „pure“ verwendet hatten.

Nachdem sowohl das Landgericht Köln als auch das OLG Köln die Ansprüche aus den Marken vollumfänglich stattgegeben hatte, konnten nunmehr im Revisionsverfahren vor dem BGH die entsprechenden Ansprüche erfolgreich abgewehrt werden.

Verwechselungsgefahr

Grundsätzlich setzt die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Markenrecht immer voraus, dass eine Verwechselungsgefahr vorliegen muss. Eine Verwechselungsgefahr liegt nach der ständigen Rechtsprechung immer unter folgenden Aspekten vor, die auch in diesem Urteil wieder berücksichtigt wurden:

“Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist – ebenso wie bei § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG – unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.”

Kennzeichnungskraft

Zudem setzt die Rechtsprechung auch voraus, dass das eingetragene Markenzeichen zur Geltendmachung von Markenrechtsverletzungsansprüchen eine entsprechende Kennzeichnungskraft haben muss und somit eine Eignung aufweisen muss, sich für Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens als Unterscheidungsmittel von anderen Unternehmen bei den angesprochenen Verkehrskreisen einzuprägen und damit eine Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen schaffen zu können.

Hinsichtlich des im hiesigen Verfahren genutzten Zeichens „pure“ stellte der Bundesgerichtshof in seinem oben genannten Urteil folgendes fest:

“Von einem ohne weiteres beschreibenden Anklang ist bei der in Rede stehenden Wortmarke „pjur“ der Klägerin auszugehen. Das Markenwort „pjur“ ist angelehnt an das englische Wort „pure“ für „rein, sauber, unvermischt“.

Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, der beschreibende Anklang des Zeichenwortes „pjur“ sei erst nach mehreren gedanklichen Zwischenschritten erkennbar. Diese Annahme steht aber in Widerspruch zu den vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang – und zwar bei der Annahme klanglicher und begrifflicher Zeichenidentität – getroffenen Feststellungen.

Danach ist dem deutschen Publikum das englische Wort „pure“ weithin geläufig, so dass er es nicht buchstabengetreu, sondern wie die Klagemarke „pjur“ ausspricht. Erkennen die inländischen Verkehrskreise aufgrund des zum Grundwortschatz der englischen Sprache zählenden Wortes „pure“ ohne weiteres die richtige Aussprache, bedarf es nicht erst mehrerer gedanklicher Schritte, um die Anlehnung des Markenwortes „pjur“ in Bezug auf Massageöle an die Bedeutung des englischen Wortes „pure“ im Sinne von „rein, sauber, unvermischt“ zu erkennen.”

Aber: Eng begrenzter Schutzumfang

Jedoch schränkte der BGH vollkommen zu Recht die Rechte des Markeninhabers an der Bezeichnung „pjur“ erheblich ein.

Dabei berücksichtigte der BGH auch zutreffend, dass es sich insoweit bei der Bemessung des Schutzumfangs der eingetragenen Marke um einen Begriff handelte, der sich an beschreibende Angaben sehr stark anlehnt.

Hierzu führt das Gericht folgendes aus:

“Nach diesen Maßstäben ist von einer Beschränkung des Schutzumfangs der Klagemarke 1 auch im Streitfall auszugehen. Die Wortmarke „pjur“ erlangt Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die in Rede stehende Ware „Massageöl“ nur durch die vom englischen Wort „pure“ abweichende Schreibweise. Das Wort „pure“ ist für Massageöle glatt beschreibend …und daher nicht unterscheidungskräftig.

Der Schutz der Wortmarke „pjur“ erstreckt sich somit nicht auf das die Ware „Massageöl“ beschreibende englische Wort „pure“, ohne dass es darauf ankommt, ob die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird.

Die von dem englischen Wort „pure“ abweichende Schreibweise, die die Unterscheidungskraft der Klagemarke im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG begründet, kommt im Klang und im Bedeutungsgehalt bei den sich gegenüberstehenden Zeichen „pjur“ und „pure“ nicht zum Ausdruck. Die Ähnlichkeit im Klang und in der Bedeutung der kollidierenden Zeichen kann zur Begründung der Zeichenähnlichkeit oder -identität daher nicht herangezogen werden.”

Fazit

Dieses Urteil zeigt, dass es nicht automatisch mit der Eintragung einer Marke umfassende Ansprüche gegeben sind, gegen jeglichen Dritten vorgehen zu können, der gleiche oder ähnliche Bezeichnungen nutzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn und soweit Marken angemeldet und ggf. eingetragen werden, die sich sehr stark an beschreibende Angaben anlehnen. Diese erhebliche Einschränkung nimmt der BGH auch vollkommen zu Recht vor.

Ansonsten wäre es möglich, entsprechende Begriffe, die ähnlich zu beschreibenden Angaben sind, einzutragen und somit eine Monopolisierung von eigentlich freihaltebedürftigen beschreibenden Angaben vorzunehmen.

Dies hatte die in diesem Verfahren in Anspruch genommene Person bereits in der ersten Instanz vollkommen zu Recht eingewendet und dabei zum Beispiel folgende Beispiele gebildet:

Kann der Inhaber der Marke netjural Mitbewerbern die Verwendung der Bezeichnung natural untersagen?

Kann der Inhaber der Marke klier Mitbewerbern die Verwendung der Bezeichnung clear untersagen?

Kann der Inhaber der Marke akwa Mitbewerbern die Verwendung der Bezeichnung Aqua untersagen?

In der Konsequenz kann jedem Unternehmen geraten werden, keine Marken anzumelden, die sich an beschreibende Angaben anlehnen. In einem möglichen Rechtsverletzungsfall ist der Schutzumfang der Marke so stark eingeschränkt, so dass Ansprüche nahezu nicht durchsetzbar sind.

Über den Autor

RA Rolf Albrecht

Rolf Albrecht ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht in der Kanzlei volke2.0. Rechtsanwalt Albrecht schreibt regelmäßig als Gastautor Beiträge für den Shopbetreiber-Blog.

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