Online-Händler müssen sich häufiger mit der Frage der Höhe des Wertersatzes nach erfolgtem Widerruf beschäftigen. Man kann hierfür keine pauschalen Berechnungsgrundlagen nennen, sondern muss sich an Einzelfall-Urteilen orientieren. Ein solches Urteil hat das AG Köln zur Nutzung einer Matratze während der Widerrufsfrist gefällt.
Das AG Köln (U. v. 4.4.2012, 119 C 462/11 – rechtskräftig) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, in welcher Höhe ein Verbraucher Wertersatz leisten muss, der insgesamt 5 Nächte während der Widerrufsfrist auf einer Matratze geschlafen hatte.
Der Online-Händler verlangte insgesamt einen Wertersatz i.H.v. 98,70 Euro (30% des Kaufpreises) für die Nutzung der Matratze. Diesen behielt er zunächst vom Erstattungsbetrag ein und wurde vom Verbraucher verklagt.
Nutzung von 5 Tagen
Der Verbraucher sagte selbst, er habe 5 Tage auf der Matratze geschlafen. Das Gericht entschied, dass diese Dauer nicht mehr als “Prüfung der Kaufsache” angesehen werden könne.
Allerdings schulde der Verbraucher nicht Wertersatz für die Nutzung der Matratze für die 5 Tage. Denn das Gesetz räumt dem Verbraucher ein, die Sache zu prüfen. 5 Tage seien allerdings zu lang.
“Die erkennende Abteilung geht wie die Beklagte davon aus, dass eine fünftägige Nutzung einer Matratze zu Schlafzwecken über den Umfang der Prüfung der Kaufsache hinaus geht, eine derartig genutzte Matratze kann von der Beklagten nicht als neuwertig veräußert werden.”
Zwei Nächte Prüfung OK
Das Gericht entschied aber, dass bei Matratzen eine Nutzung von einer oder zwei Nächten durchaus vom Prüfungsrecht des Verbrauchers erfasst ist.
“Ausreichend zur Prüfung der Qualität der Eigenschaften der Kaufsache wäre die Benutzung für eine Nacht, allenfalls über zwei Nächte, gewesen.”
Dementsprechend kürzte das Gericht den Wertersatz, den der Händler einbehalten durfte.
Da die ersten zwei Nächte innerhalb des Prüfungsrechtes des Verbrauchers lagen, muss er für diese Zeit keinen Wertersatz leisten, der Händler musste also noch 39,48 Euro an den Verbraucher auszahlen. Die restlichen 59,22 Euro standen ihm als Wertersatz für die übrigen 3 Nächte der Nutzung zu.
Problem: Beweislast
Die Entscheidung steht in Einklang auch mit den derzeit geltenden Wertersatzregeln. Denn nur die über die Prüfung hinaus gehende Nutzung der Sache ist gemäß § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB wertersatzpflichtig.
Der Unternehmer hatte hier in diesem Fall aber noch “Glück”, denn der Verbraucher hatte von sich aus gesagt, er habe 5 Nächte auf der Matratze geschlafen. Hätte er diese Information nicht gegeben, hätte der Unternehmer ihm diese Zeit der Nutzung nachweisen müssen, was wohl niemals gelungen wäre. (mr)
Da geht sie hin, die Legende vom Leihhaus Internet…
In welchem Laden darf ich 2 Nächte übernachten um eine Matratze zu testen?
Einmal Probeliegen – Das war es. Keine einzige Nacht ist gerechtfertigt.
Da bei Technik noch immer fleissig ausgeliehen wird sind wir inzwischen bei fast 20% pauschalem Wertersatz angekommen. Toleranz gibt es kaum noch.
@Michael
Das Probeliegen im Ladengeschäft ist hier nicht der einzige Maßstab. Das Fernabsatzrecht gibt dem Kunden andere Rechte. Zwar steht der Vergleich zum Ladengeschäft in der Musterbelehrung, aber im Gesetz findet sich dieser nicht. Der BGH hat außerdem entschieden, dass die Probemöglichkeit im Ladengeschäft nur ein Anhaltspunkt ist, aber nicht der einzige.
Im Übrigen bietet eine sehr große Zahl von Geschäften an, dass man mehrere Nächte auf der Matratze zur Probe schlafen kann.
Ein örtlicher stationärer Wasserbetten-Händler bietet ein 2-wöchiges Probeschlafen zu Hause an. Die kommen vorbei, bauen das Wasserbett auf, erklären einem alles, nehmen den ganzen Verpackungsmüll mit. Wenn es einem nicht gefällt, kommen die wieder vorbei, tauschen die Matraze evtl. aus (anderer Härtegrad) – wieder 2 Wochen Probeliegen. Oder wenn es garnicht geht, bauen die das Wasserbett komplett ab und erstatten einem zu 100 % den Kaufpreis.
Ein großer Online-Händler für Wasserbetten bietet 3 Monate Umtauschrecht auf die Matratzen.
Schlafwelt.de bietet 30 Tage Probeschlafen auf konventionelle Matratzen an.
Das sind zwar “ausgewählte” Matratzen im Hochpreissegment, das können die wahrscheinlich nicht für eine 89 € Matratze machen, aber das verleiht der Sache ja nicht unbedingt weniger Gewicht.
@Martin Rätze: Genau darum geht es doch. Es wird eine Prüfung zugestanden wie sie im Ladengeschäft möglich gewesen wäre. Das ist der Wortlaut der Widerrufsbelehrung. Und nirgends kann man zwei Nächte übernachten, einen Fernseher während der WM testen, eine Kamera mit in den Urlaub nehmen oder einen Grill auf dem Sommerfest ausprobieren.
Wertersatz wird für viele Händler immer mehr zu einem alltäglichen Problem da die entstandenen Kosten ansonsten die ehrlichen Käufer zu tragen haben.
Entweder man will Service als Kunde, dann kauft man sehr teuer und hat entsprechende Möglichkeiten oder man kauft billig. Die Schmarotzerkunden um die es geht wollen aber beides und das wird nicht mehr toleriert.
@Michael
Ja, aber das steht eben nur in der Widerrufsbelehrung. Der Anspruch des Händlers auf Wertersatz steht aber in den §§ 312e, 357 BGB. Und dieser besteht nur, soweit die die Behandlung der Ware die Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise überschritten hat. Ob nun eine Nacht dafür ausreicht oder zwei Nächte zulässig sind, darüber mag man streiten können. Bei der Beurteilung dieser Frage mag der Vergleich mit einem Ladengeschäft hilfreich sein. Aber dies ist nicht der einzige Maßstab, wie der BGH in seiner Wasserbetten-Entscheidung klar gestellt hat.
Und selbst wenn man den Vergleich mit dem Ladengeschäft heranzieht, so ist es heutzutage üblich, dass man beim Kauf einer Matratze diese ein paar Nächte zu Hause probieren und auch wieder zurückbringen darf, wenn man z.B. Rückenschmerzen auf dieser Matratze bekommt.
Im Übrigen ist der Vergleich mit einem Ladengeschäft im mit einem ganz großen Fehler behaftet: Im stationären Handel gibt es kein Widerrufsrecht. Sodass man den Umgang mit dem “Umtausch” im Laden, der aus reiner Kulanz bzw. einzelvertraglicher Regelung stattfindet, nicht mit dem gesetzlich sehr eng geregelten Widerrufsrecht im Online-Handel gleichstellen kann.
Das eigentliche Problem im Falle der Rückgabe der Ware ist aber die Nachweiserbringung. Hätte der Verbraucher im Fall, der oben besprochen ist, nicht von sich aus gesagt, er hätte 5 Nächte Probegeschlafen, hätte der Händler einen Wertersatz von Null Euro erhalten. Denn der Nachweis über die Nutzung wäre ihm schlicht nicht gelungen.
Also als Verbraucher würde ich keine Matratze mehr kaufen wollen, auf der schon jemand geschlafen hat. Deshalb sehe ich aus Händlersicht sogar 100% Wertersatz als gerechtfertigt an! Punkt, aus! Wie schon Michael richtig bemerkt, kann man in keinem Ladengeschäft auch nur eine Nacht probeschlafen. Bei manchen Sachen, vor allem solchen, die hygienischen Gegebenheiten unterliegen, sollte man sich als Verbraucher auch mal klar darüber sein, das man sowas einfach nicht zurückgeben kann. Und Shopper, sparen Sie sich bitte ihren zynischen Ton, Leihhaus Internet ist leider aktueller denn jeh, in Zeiten, in denen die Menschen immer weniger Geld haben! Sie sagen doch selbst, das ein ein Probeschlafen nur in einem gewissen Hochpreissegment möglich ist, dies führt ihre eigene Aussage und Ihr Gutmenschendenken mal wieder völlig ad absurdum!
@shopper
Die Modalitäten sind verschieden. Die einen Wasserbettenhändler bieten lediglich ein Probemodell zum Probeschlafen an. Bei anderen muss man eine Reinigungsgebühr bezahlen die dann beim Kauf angerechnet wird – zum Teil auch nur teilweise. Andere wiederum berechnen dass in den Kaufpreis mit ein.
Der stationäre Händler kann das frei vereinbaren.
Im Internethandel sieht das so aus daß 15 Jahre nach Inkraftreten der Fernabsatzrichtlinie das Widerufsrecht immer noch ein juristisches Minenfeld ist.
Und der Händler kann eben im Gegensatz zum stationären Einzelhandel die Modalitäten zum Prüfen der Ware nicht völlig frei vereinbaren. D.h. selbst wenn man z.B. dem Kunden anbietet ein Vorführmodell ausgiebig zu testen, dann kann man danach wenn der Kunde online kauft sich nicht darauf berufen, daß der Kunde ja bereits ein Probemodell getestet hat. Eine feste Gebühr für das testen kann man auch nicht vereinbaren. Und wie lange und ob überhaupt ein Wertersatz möglich ist, entscheidet jedes Gericht anders. Ein anderes Amtsgericht könnte zu einem völlig anderen Ergebnis kommen.
Bestätigt mal wieder: Das einzige, was im Online-Handel immer noch stört ist der Kunde!
Während sich innovative Händler (online wie offline) Gedanken machen wie man den Kundenservice erhöhen kann (z.B. durch ein angemessenes Widerrufs- und/oder Umtauschrecht), jammern andere Krauter über die ach so schlimmen juristischen Fallstricke, die ihnen der Gesetzgeber aufdrückt.
Man kann das auch sehr gut an dem Beispiel mit der Matratze festmachen: Hier hat doch ein Händler tatsächlich, seine Arbeitszeit, seine Nerven, sein Geld für das Gerichtsverfahren etc. pp. verschwendet für maximal 98 € (die er noch nicht mal bekommen hat). Zusätzlich hat er einen potenziellen Stammkunden verloren.
Wenn Menschen nicht auf gebrauchten Matratzen schlafen wollen, dann frage ich mich, wie die das denn im Urlaub oder auf Geschäftsreisen machen?
Mit welcher Berechtigung darf ich als Händler einen pauschalierten Wertersatz denn ansetzen? Bei der Matratze war der Käufer ja noch so blöd dem mitzuteilen, dass er da schon 5mal drauf geschlafen hat. Hätte der dem Händler die Matratze kommentarlos zurück geschickt, wäre es dem Händler vielleicht noch nicht mal aufgefallen, das die Matratze überhaupt benutzt worden ist und er hätte die Matratze einfach als Neu weiterverkauft.
@Shopper:
Zitat:
“Und das obwohl es jeder als “unhygienisch” empfinden würde, wenn er als Kunde, [..] eine “bestimmungsgemäß benutzte Matraze” zugesendet zu bekommen.”
Quelle: http://www.shopbetreiber-blog.de/2011/03/10/olg-koblenz-widerrufsrecht-badeenten-hygieneartikel/
Ganz ernst zu nehmen bist du also nicht!
Warst du das eigentlich mit dem Badeentenshop?
Was soll das?
Was wollen Sie mit diesem einen aus dem Zusammenhang gerissenen Satz jetzt sagen? Der gesamte Beitrag bezog sich auch auf ein völlig anderes Thema – aber egal…
Man kann die gesamte Problematik anhand des Matratzen-Falles auch noch mal darstellen:
Kunde A: Bestellt online Matratze – packt sie aus – legt sich wie im Landengeschäft 5 Minuten drauf – stellt fest, ist zu weich – und schickt diese Kommentarlos zurück.
Kunde B: Bestellt online die gleiche Matratze – packt sie aus – schläft auf der Matratze 5 Nächte – bekommt Rückenschmerzen – und schickt die Kommentarlos zurück.
Der Händler hat also jetzt 2 Matratzen aus einem lupenreinen Widerruf. Er hat selber noch nicht einmal die Möglichkeit festzustellen – welche von den beiden Matratzen nun 5 Minuten oder 5 Nächte benutzt wurden. Beide Matratzen, sind praktisch wie neu.
Was soll der Händler jetzt mit diesen Matratzen machen? Wegschmeissen, weil ja evtl. zu vermuten ist, dass diese 5 Nächte auch benutzt worden sind? Dies würde sicherlich dem hygienischem Empfinden des Kunden am nächsten kommen. Aber ist dies auch die sachgerechteste Lösung aus Sicht des Händlers? Was spricht dagegen, die Matratzen zu desinfizieren und dann als quasi “Neu” zu verkaufen? Was der Kunde nicht weiss macht ihn auch nicht heiss. Und wenn selbst der Händler nicht feststellen kann, ob eine Matratze benutzt worden ist, dann kann es der Kunde schon garnicht.
Lieben Shopper,
alle Matratzen sind werksmäßig in einer Kunststoffhülle verschweisst. Fehlt diese oder ist sie an einer Seite geöffnet, können Sie ja einmal veruchen, diese Matratze wieder an den Mann zu bringen.
Es bleibt de facto nur die Entsorgung. Kein auch nur halbwegs seriöser Händler wird so eine Matratze einem weiteren Kunden zum Kauf anbieten. Selbst dann nicht, wenn er ausdrücklich darum bittet um eine Ersparnis zu erlangen.
@hubtertchen.
Klar, das bei einem Widerruf alleinschon durch die Entfernung der Verpackung ein Wertverlust eintritt.
Wenn Sie sagen, dass diese Matratze – egal ob diese aus dem 5minütigem oder 5nächtigem Widerruf zustande kommt – für den Händler wertlos ist, dann kann das sogar sein.
Ab ich glaube, dass es selbst für diese Matratzen noch einen Markt gibt, auf dem man diese dann stark preisreduziert an den Mann bringen kann. Ich persönlich hätte damit z.B. kein Problem, wenn der Preis stimmt.
Es ändert aber trotzdem nichts an der Aussage, dass es rechtlich gesehen eigentlich keinen Unterschied macht ob die Matratze nun 5 Minuten oder 5 Nächte benutzt worden ist. Es macht nur einen Unterschied, wenn ich bei der Matratze als Händler tatsächlich einen Wertverlust feststellen und beweisen kann, der über das Auspacken hinaus geht.
Oh ich sehe da schon einen Teufelskreis… Erstmal kann man sich ne extra Kategorie in den Shop packen “Benutzte Matrazen, ganz billig” … Kunde findet dort nicht die Wunschmatraze, bestellt sie sich also zum Normalpreis, widerruft, Matraze landet stark verbilligt in der Gebrauchkategorie, Kunde kauft sie dann dort zum Schnäppchenpreis… Ist nur etwas Timing gefragt…
Nach Shoppers Ideen verkommt der Onlinehandel somit zum Schnäppchen-An- und Verkauf…
Ach gottchen – wieder die Krämer-Seele rausgepackt…
Es ist ja heute schon üblich, dass große Online-Händer (u.a. Medion) seine Rückläufer auf Ebay als solche gekennzeichnet verkauft.
Zalando, die ja nun wirklich ein riesige “Problem” mit Rückläufern haben, haben in Berlin ein Outlet losgemacht, wo die so etwas verkaufen.
Man kann die Dinge also schon trennen, damit dieser Effekt (der schon arg konstruiert ist) nicht auftreten läßt.
Im übrigen, frag ich mich nach wie vor, ob man nicht eine Matratze, wo lediglich die Plastikfolie entfernt wurde, die aber ansonsten absolut OK ist, nicht auch noch als NEU verkauft werden kann und ob wirklich jeder Kunde eine Plastikfolie erwartet.
Mal ganz abgesehen, gibt es da sicherlich Mittel uns Wege solche Matratzen, die ja häufig Standardgrößgen haben, beim Händler wieder einzuschweissen.
Meistens entscheidet man sich als Verbraucher nach der Probezeit für die Matratze. Vermutlich ist dieser Fall ein große Ausnahme und steht nicht an der Tagesordnung.
Ich denke das größere Problem sind bei großen Artikeln wie Matratzen die Rücksendekosten die immer wieder anfallen. Ob jetzt jemand 2 oder 5 Tage darauf gelegen hat ist das kleinere Übel, solange die Matratze weder verschmutzt ist noch einen üblen Geruch angenommen hat.
LG
Die Unterschiede zwischen den Liegezonen sind ohnehin kaum messbar, geschweige denn spürbar.