Der Online-Handel boomt, immer mehr Verbraucher nutzen die Gelegenheit, im Internet zu shoppen. Häufig liest man in Online-Shops auch den Hinweis, dass man bei Fragen gerne anrufen und dann auch direkt telefonisch bestellen könne. Aber wie sieht das eigentlich rechtlich aus? Gelten am Telefon die gleichen Pflichten wie bei Bestellungen im Online-Shop?
Welche Widerrufsbelehrung muss verwendet werden?
Der Online-Handel ist aus rechtlicher Sicht eine komplizierte Angelegenheit. Abmahnungen drohen an jeder Ecke.
Auch Verhaltensweisen, die eigentlich dem Kundenservice dienen sollen, bergen hohe rechtliche Risiken, wie beispielsweise die Annahme von Bestellungen am Telefon.
Das OLG Koblenz (U. v. 28.03.2012, 9 U 1166/11) hat aktuell entschieden, dass einem Verbraucher auch ein Widerrufsrecht zusteht, wenn er einen bereits gekündigten Vertrag telefonisch abändert und letztlich doch verlängern möchte.
Aber welche Widerrufsbelehrung muss man als Händler bei telefonisch geschlossenen Verträgen verwenden?
Informationspflichten am Telefon
Auch telefonisch geschlossene Verträge gelten gemäß § 312b Abs. 2 BGB zu den Fernabsatzverträgen. Dies hat zur Konsequenz, dass auch bei diesen Geschäften die Informationspflichten aus Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB, §§ 312e, 355, 357 BGB erfüllt werden müssen. Nur die Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr aus § 312g BGB gelten hier nicht.
Darüber hinaus müssen diese Informationen dem Verbraucher spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages in Textform mitgeteilt werden.
Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Informationspflichten also um die gleichen, die auch für den Verkauf im Online-Shop gelten. Gerade hinsichtlich der Widerrufsbelehrung gibt es aber einen gravierenden Unterschied.
Widerrufsrecht bei telefonisch abgeschlossenen Verträgen
Sowohl bei online als auch bei telefonisch geschlossenen Verträgen steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu. Die Belehrung bei einer telefonischen Bestellung unterscheidet sich aber von der im Shop zu verwendenden Belehrung.
So heißt es (auszugsweise) in der Belehrung in einem Online-Shop:
“Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gemäß § 312g Absatz 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB.”
Wer den letzten, fett markierten Teil in der Belehrung auch für telefonische Bestellungen verwendet, informiert falsch über den Fristbeginn, denn die Pflichten aus § 312g Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 246 § 3 EGBGB gelten für telefonisch geschlossene Verträge nicht.
Dieser Teil muss also bei telefonischen Bestellungen weggelassen werden.
Bei einer falschen Belehrung über den Fristbeginn, beginnt die Widerrufsfrist niemals zu laufen, dem Verbraucher steht also ein unendliches Widerrufsrecht zu, wenn man diesen letzten Teil bei telefonisch geschlossenen Verträgen nicht entfernt.
Zeitpunkt der Informationserteilung
Für die Information über das Widerrufsrecht gilt bei allen Fernabsatzverträgen eine zweistufige Pflicht. Zum einen muss dem Verbraucher eine Information über
“das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere den Namen und die Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe einschließlich Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat, (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB)”
vor Abgabe seiner Vertragserklärung “in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich” zur Verfügung gestellt bekommen.
In einem zweiten Schritt muss der Verbraucher in Textform (also z.B. per Mail oder Papierform) über das Widerrufsrecht belehrt werden.
Vorlesen am Telefon?
Soll der Vertrag also schon am Telefon geschlossen werden, so müsste der Unternehmer streng genommen die Widerrufsbelehrung am Telefon vorlesen, um die oben genannte Informationspflicht vollständig und korrekt zu erfüllen.
Zwar spricht Art. 246 § 1 EGBGB davon, dass die Informationen “in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise” zur Verfügung gestellt werden müssen. Die in Nr. 10 genannten Detail-Informationen müssen dennoch alle genannt werden, also der Hinweis auf das Bestehen des Widerrufsrechtes, die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung – insbesondere auch Namen und Anschrift des Widerrufsadressaten – sowie die Rechtsfolgen.
Der bloße Hinweis
“Bei dieser Bestellung steht Ihnen ein Widerrufsrecht zu.”
erfüllt somit die Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht.
Ein Hinweis auf die im Online-Shop vorhandene Belehrung ist ebenfalls nicht ausreichend, da diese für telefonisch geschlossene Verträge ungeeignet ist (siehe oben).
Dauer der Widerrufsfrist
Damit die Widerrufsfrist nur 14 Tage beträgt, müssen gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB im Fernabsatz 2 Voraussetzungen erfüllt werden:
- Dem Verbraucher muss spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss eine (korrekte) Widerrufsbelehrung in Textform zugehen und
- der Verbraucher muss vor Vertragsschluss korrekt über das Widerrufsrecht unterrichtet worden sein.
Wird eine der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt die Widerrufsfrist von einem Monat.
Verwendet man für die die Textform-Belehrung den Text, den man auch im Online-Shop verwendet, so wird der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt (siehe oben zum Fristbeginn). Gleiches gilt, wenn man die Informationen aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht nennt. Auch dann fehlt die korrekte Vorabinformation und die Widerrufsfrist beträgt einen Monat.
Übrigens: Kommt der Vertrag bereits am Telefon zustande, die Widerrufsbelehrung wird aber erst mit der Warenlieferung an den Verbraucher übersandt, so erfolgt die Textformbelehrung in aller Regel nicht mehr “unverzüglich” nach Vertragsschluss, sodass generell die Frist von einem Monat sowie ein eingeschränkter Wertersatzanspruch besteht.
Schickt man dem Verbraucher in Textform dann eine Belehrung zu, in der von einer Frist von 14 Tagen die Rede ist, hat man ihn weder korrekt vorab informiert, noch korrekt in Textform belehrt, sodass die Widerrufsfrist niemals zu laufen beginnt.
Wertersatz
Benutzt der Verbraucher die Ware während der Widerrufsfrist in einer Art und Weise, die über das Prüfen der Eigenschaften und Funktionsfähigkeit hinausgeht, so muss er für diese Nutzung Wertersatz leisten, sofern er zuvor über diese Rechtsfolge informiert worden ist und korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Informiert man den Verbraucher nicht über diese Pflicht zum Wertersatz, kann man als Händler nach einem erfolgten Widerruf auch keinen Nutzungswertersatz geltend machen. Gleiches gilt auch für den Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache nach § 357 Abs. 3 BGB, d.h. einen Wertersatz für die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung schuldet der Verbraucher dann nicht.
Das bedeutet, dass der Kunde bereits am Telefon über den Nutzungs- und den Verschlechterungswertersatzanspruch informiert werden muss. Andernfalls hat man als Händler keinen Anspruch auf diesen und müsste auch die Belehrung hinsichtlich der Widerrufsfolgen in der Textformbelehrung umschreiben, da darin ein Hinweis auf den Wertersatzanspruch enthalten ist.
Lösungsweg
Bereits am Beispiel des Widerrufsrechtes kann man sehen, wie risikoreich es ist, am Telefon Verträge zu schließen. Wir wollen aber nicht nur die Risiken aufzeigen, sondern auch den praktikablen Lösungsweg:
Verweis auf den Online-Shop
Ruft ein Verbraucher an, um z.B. weitere Fragen zu einem Produkt zu stellen und will dann direkt am Telefon bestellen, ist es die (rechtlich) sicherste Variante, ihn darauf zu verweisen, dass Sie telefonisch keine Bestellungen entgegen nehmen können und der Verbraucher diese bitte im Online-Shop abgeben solle.
Der Verweis auf eine weitere Kommunikation per e-Mail zum Zwecke des Vertragsschlusses ist ebenso kompliziert wie den Vertrag direkt am Telefon abzuschließen, dann bei individueller Kommunikation per Mail gelten die Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312g BGB) auch nicht und die Belehrung über den Fristbeginn muss auch hier anders ausfallen als im Online-Shop.
Korrekte Widerrufsbelehrung
Andererseits können Sie – bei fehlender Vorabinfo während des Telefonates – den Verbraucher korrekt in Textform über sein Widerrufsrecht belehren, mit der Folge, dass die Widerrufsfrist einen Monat beträgt und Abstriche beim Wertersatz gemacht werden müssen. Hier ist dann die Situation vergleichbar mit der früheren bei Verkäufen über eBay.
Fazit
Dem Kunden, der sich im Online-Shop umschaut, die weitere Bestellmöglichkeit per Telefon einzuräumen, mag aus Sicht der Service-Orientierung eine wunderbare Idee sein. Der Aufwand, diesen zweiten Bestellweg rechtlich sicher zu gestalten, dürfte mit dem vergleichbar sein, der getrieben werden muss, um die juristischen Vorgaben im Online-Shop zu erfüllen.
Hier sollten Händler genau abwägen, ob sich dieser zusätzliche Aufwand lohnt. Außerdem muss man dabei bedenken, dass bei fehlerhaften Belehrungen für telefonische Verträge auch Abmahnungen drohen. Am besten beantwortet man als Händler zwar die Fragen zu einem Produkt am Telefon, verweist für die Bestellung dann aber wieder auf den Online-Shop.
Übrigens sieht die Verbraucherrechterichtlinie die Möglichkeit vor, dass telefonisch geschlossene Verträge den Verbraucher nur dann binden, wenn es ein schriftliches Einverständnis durch den Verbraucher gibt. Sollte sich Deutschland für die Umsetzung dieser Vorschrift entscheiden, wäre es spätestens dann unwirtschaftlich, Verträge am Telefon zu schließen. Dann würde es schneller gehen, den Verbraucher auf den Shop zu verweisen, wo er schnell auf elektronischem Wege die Ware kaufen kann. (mr)
Das ist doch alles nicht mehr mit dem gesunden Menschenverstand in Einklang zu bringen. Das ist doch völlig krank.
Was ist mit den Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen?
Müssten die nicht auch am Telefon vorgelesen werden?
Na da freuen sich aber unsere zahlreichen Kunden älteren Jahrgangs, die selber keinen Internetzugang haben und nur nach Empfehlung von Freunden bei uns telefonisch bestellen. Was soll ich denen dann sagen: ich kann Ihre Bestellung nicht aufnehmen, weil das deutsche/europäische Fernabsatzgesetz mir keine rechtssichere Möglichkeit dazu bietet? Unfassbar…
Ein “unverbindlicher ” Telefon-Muster-Widerrufsrecht-Text würde sicher vielen Lesern sehr sehr helfen. Natürlich nichts rechtsverbindliches, nur als Anhaltspunkt quasi.
Zitat: “Andererseits können Sie – bei fehlender Vorabinfo während des Telefonates – den Verbraucher korrekt in Textform über sein Widerrufsrecht belehren, mit der Folge, dass die Widerrufsfrist einen Monat beträgt und Abstriche beim Wertersatz gemacht werden müssen. ”
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie eine entsprechende Formlierung, vorallem für die Abstriche beim Wertersatz, hier posten würden.
Bzw. ein “unverbindlicher ” Telefon-Muster-Widerrufsrecht-Text würde sicher vielen Lesern sehr sehr helfen. Natürlich nichts rechtsverbindliches, nur als Anhaltspunkt quasi.
An solchen Gesetzen merkt man mal wieder, dass die größte Berufsgruppe der Abgeordneten im Bundestag die Anwälte sind. Sie machen Gesetze um sich selbst Arbeit zu verschaffen.
Man sollte bei der nächsten Wahl vielleicht mal darauf achten, dass man weniger Anwälte in den Bundestag wählt. Vielleicht kommen dann eher Gesetze zustande, die man mit dem gesunden Menschenverstand verstehen kann, und die sowohl Händlern als auch Kunden verständlich sind, anstatt so eines wie dieses hier, das einem erst seitenweise erklärt werden muß.
Einen Zugewinn an Gerechtigkeit kann ich bei solchen Gesetzen nicht erkennen.
Ich stimme llamaz zu, das ist mit dem gesunden Menschenverstand nicht mehr zu vereinbaren. Mir ist aufgefallen, dass Trusted Shops in letzter Zeit häufig etwas einseitig berichtet – oder täusche ich mich? Ich würde mir wünschen, dass sich Trusted Shops kritischer gegenüber solche Gesetze äußert.
Ach ja: was ist denn mit den Leuten, die per Fax oder gar – bitte, jetzt keinen Schock bekommen – per Brief bestellen? Mahnt man diese Kunden wegen Nutzung antiquierter Bestellformen ab?
Die Kunden müssen endlich mal an das Widerrufsrecht angepasst werden.
Beraten wird im Internet sowie am Telefon. Verkauft wurd bei uns ausschlieslich übers Internet. So kommt diese Problematik garnicht erst bei uns auf.
Armes Deutschland.
Ich werde sicher keinen Kunden vergraulen, weil er entweder keine E-Mail-Adresse hat oder sich selbst als Super-Dau in Bezug auf’s Onlineshopping bezeichnet.
Wenn ich einen Kunden am Telefon berate, erwartet er auch, dass das gleich alles in trockene Tücher gebracht wird.
Ich will es kurz machen:einfach nur krank und an jeder Realität vorbei, natürlich will ich mich ja gerade von den anonymen Shops unterscheiden und bin am Telefon erreichbar, und natürlich wollen Kunden, die Fragen gestellt haben und von mir gut beraten wurden, gleich bestellen, es gibt doch nichts widersinnigeres, als den zufriedenen und bestellbereiten Kunden auf den Online shop zu verweisen, viele Kunden wollen nicht online bestellen, der Zeitaufwand ist ihnen zu gross, sie sitzen im Auto oder am Arbeitsplatz, oder was immer, sie springen ab oder sind unzufrieden, wenn ich die telefonische Bestellung abwürge, und wenn ich ihnen dann noch das Widerrufsrecht, was in der Praxis auch im Online Shop sowieso keiner liest, vorlesen würde, würde er mich fragen, ob ich ganz gesund wäre und den Hörer auflegen und nie wieder bestellen, werde also weiterhin, bei Kunden, die es so wollen, die Bestellung telefonisch aufnehmen und das Risiko auf mich nehmen, in der Hoffnung, daß kein Kunde auf solche absurden Ideen kommt, die ihnen unser “Recht” ermöglicht, da kann man wirklich nur noch verzweifeln!