Der BGH hat am 25. Januar entschieden, dass die Angabe eines Postfachs innerhalb der Widerrufsbelehrung im Jahr 2008 den gesetzlichen Anforderungen genügte. Diese Entscheidung kann aber nicht auf die derzeit gültige Rechtslage übertragen werden. Lassen Sie sich nicht verwirren, in der Widerrufsbelehrung muss eine ladungsfähige Anschrift genannt werden.
Heute reicht die Angabe eines Postfaches aber nicht mehr.
Die Pressemitteilung des BGH vom 25. Januar (mit red. Anm./Bearbeitung bei MIR) lautet:
"Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzgeschäft die Angabe einer Postfachadresse des Widerrufsadressaten ausreicht.
Der Kläger schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen, im Jahre 2008 im Wege des Fernabsatzes einen Sondervertrag über den leitungsgebundenen Bezug von Erdgas. Der Vertrag sah für die Dauer der bis zum 31. August 2010 vereinbarten Laufzeit einen Festpreis vor und räumte dem Kläger ein Widerrufsrecht ein. Die Widerrufsbelehrung enthielt als Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, die Postfachadresse der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
Am 1. Oktober 2009 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Vertragserklärung. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis durch den Widerruf wirksam beendet worden sei. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.
Die dagegen gerichtete Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Angabe eines Postfachs als Widerrufsadresse im Fernabsatz den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen genügte (§ 312d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1**, § 312c Abs. 2*, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF***).
Bei Fernabsatzgeschäften ist gemäß § 312c Abs. 2, § 312d Abs. 2 Satz 1, Art. 245 EGBGB****, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV aF***** der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und die Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, mitzuteilen. Die Angabe einer Postfachadresse als Widerrufsadresse genügt, wie der Bundesgerichtshof vor Inkrafttreten der BGB-InfoV (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – I ZR 306/99, NJW 2002, 2391 unter II – Postfachanschrift) bereits entschieden hat, den gesetzlichen Anforderungen. Daran ist auch nach dem Inkrafttreten der BGB-InfoV festzuhalten. Der Verbraucher wird durch die Angabe einer Postfachadresse in gleicher Weise wie durch die Angabe einer Hausanschrift in die Lage versetzt, seine Widerrufserklärung auf den Postweg zu bringen. Seine "ladungsfähige" Anschrift musste der Unternehmer bei einem Fernabsatzvertrag ohnehin angeben (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV aF*), was im zu entscheidenden Fall auch unstreitig geschehen war."
Diese Entscheidung hat keine Auswirkungen auf Online-Händler heute!
Das BGH-Urteil beschäftigt sich mit einem Fall, der im Jahr 2008 seinen Ursprung nahm.
Heute haben wir eine vollkommen andere Rechtslage als damals.
Und so steht auch eindeutig in der Pressemitteilung, dass die Angabe eines Postfachs den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen genügte.
Heute steht in § 360 Abs. 1 BGB:
Die Widerrufsbelehrung muss deutlich gestaltet sein und dem Verbraucher entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine wesentlichen Rechte deutlich machen. Sie muss Folgendes enthalten:
- einen Hinweis auf das Recht zum Widerruf,
- einen Hinweis darauf, dass der Widerruf keiner Begründung bedarf und in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist erklärt werden kann,
- den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und
- einen Hinweis auf Dauer und Beginn der Widerrufsfrist sowie darauf, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung oder der Sache genügt.
Aus dem Gesetz folgt unmittelbar, dass die Widerrufsbelehrung die ladungsfähige Anschrift enthalten muss.
Wer jetzt seine ladungsfähige Anschrift aus der Widerrufsbelehrung gegen die Angabe eines Postfaches ersetzt, begibt sich in akute Abmahngefahr. Auch die Musterwiderrufsbelehrung, welche heute im Rang eines Gesetzes steht, spricht davon, dass die ladungsfähige Anschrift anzugeben ist.
Das Urteil hat für den Shopbetreiber von heute keinerlei Bedeutung.
Die Entscheidung hat aber einen anderen wirklich interessanten Aspekt: Warum hat der BGH die Frage danach, ob bei dem Vertrag überhaupt ein Widerrufsrecht bestand, nicht dem EuGH vorgelegt? Denn am 18.3.2009 legt der BGH diese Frage schon einmal dem EuGH vor.
"Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist die Bestimmung des Art. 6 III Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz über die leitungsgebundene Lieferung von Strom und Gas?"
Seit diesem Beschluss hat sich an der Rechtslage noch nichts geändert. Der EuGH musste nämlich in diesem Verfahren nicht mehr antworten, da der BGH am 20.4.2010 im Wege des sog. Anerkenntnisurteils die Sache entschied.
In einem solchen Fall wird aber gerade nicht mehr zur Rechtsfrage entschieden, da der Beklagte den Anspruch des Klägers quasi freiwillig anerkennt. Ob sich der BGH in seiner Entscheidung von heute mit der Frage nach dem Bestehen eines Widerrufsrechtes bei Gaslieferungsverträgen überhaupt beschäftigt hat, kann man erst beantworten, wenn das Urteil im Volltext vorliegt. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. (mr)