Lange galt bei den Kölner Gerichten für die urheberrechtswidrige Übernahme von Fotografien („Bilderklau“) ein Streitwert von mindestens 6.000 Euro. Hiervon ist das OLG Köln nun recht unerwartet abgewichen und hat den Streitwert auf 3.000 Euro festgesetzt.
Was hat das OLG Köln zu diesem Schritt bewogen hat und welche Streitwerte setzen andere Gerichte an?
Neue Entwicklungen bedürfen neuer Betrachtungsweise
Die neuen Entwicklungen um das Internet hat wesentlich dazu beigetragen, dass das OLG Köln (Beschluss v. 22.11.2011, 6 W 256/11) seine bisher ständige Rechtssprechung überprüft und einen regelmäßigen Streitwert von 6.000 Euro jedenfalls für ein Produktfoto für einen Privatverkauf bei eBay für nicht mehr als angemessen betrachtet.
Oder mit eigenen Worten des zuständigen 6. Zivilsenats:
„Die Nutzung des Internet als Kommunikationsforum und Marktplatz breiter Bevölkerungskreise hat in den vergangenen Jahren nochmals an Umfang und Bedeutung gewonnen. Ohne die wirtschaftliche Bewertung dabei vorkommender Verletzungen immaterieller Schutzrechte durch private Internetnutzer zu bagatellisieren, muss dies im Ergebnis dazu führen, das Gewicht eines einzelnen Verstoßes heute eher geringer zu bewerten.
Im Gesamtgefüge der vom Senat für die Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet – sei es auf Handelsplattformen wie ebay, sei es beim Filesharing in Peer-to-Peer-Netzwerken (sogenannten Tauschbörsen), sei es bei anderen urheberrechtsrelevanten Formen der Internetnutzung – heute als angemessen angesehenen Gegenstandswerte erscheint insbesondere das objektive Interesse der in ihrem Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG beeinträchtigten Lichtbildner an der Unterbindung von Verletzungshandlungen der hier in Rede stehenden Art mit Regelbeträgen von etwa 6.000 Euro nicht mehr angemessen bewertet.“
Man mag sich fragen, ob die vom OLG Köln nun beobachteten Änderungen durch das Internet als Kommunikationsforum und Marktplatz nun tatsächlich so neu sind. Allerdings ist zu begrüßen, dass die technische Entwicklung durch die neuen Medien überhaupt in die Rechtspruch fließen.
Jedenfalls für eine private oder kleingewerbliche Nutzung von nach § 72 UrhG geschützten Lichtbildern sei ein niedrigerer Streitwert, im entschiedenen Fall von konkret 3.000 Euro, festzusetzen.
Jedoch sollte jeder, der nun grundsätzlich einen Streitwert von 3.000 Euro für eine urheberrechtswidrige Übernahme annehmen will vor einer Pauschalisierung der zitierten Entscheidung folgende Punkte beachten:
- Das OLG Köln hat sich von dem Regelstreitwert von 6.000 Euro für den konkret entschiedenen Fall losgesagt, ob und wann ein geringerer Streitwert auch für die Kölner Gerichte angemessen ist, ist weiterhin Sache des Einzelfalls wird aber beeinflusst, von
- der Frage, ob die unzulässige Nutzung gewerblich oder nur privat oder kleingewerblich erfolgte und
- (scheinbar), ob es sich um ein Lichtbild nach § 72 UrhG oder ein Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Abs. 2 UrhG handelt
Der letztere Punkt macht eine schnelle Einschätzung kaum möglich, da hier eine Abgrenzung getroffen werden muss, die ansonsten vermieden werden kann. So erreichen die zitierten Lichtbildwerke die für urheberrechtliche Werke grundsätzlich erforderliche Schöpfungshöhe
Schutz von Lichtbildern
Um die Abgrenzung zu einfachen „Knipsbildern“ zu erleichtern, hat der Gesetzgeber durch § 72 UrhG den Lichtbildschutz eingeführt. Lichtbilder genießen – bis auf wenige Ausnahmen – einen vergleichbaren Urheberrechtsschutz wie Lichtbildwerke. Spätestens bei der Beantwortung der Frage nach dem Streitwerts muss jetzt jedenfalls in Köln die – nun nicht mehr unnötige – Frage nach der Schöpfungshöhe gestellt werden.
Mit der genannten Entscheidung wurde zudem auch ein Schlusspunkt unter die bisherige Begründung der Kölner Gerichte für den bislang höheren Streitwert bei Urheberrechtsverstößen gesetzt.
Vor dem genannten Beschluss des OLG Köln wurde der Ansatz von mindestens 6.000 Euro damit begründet, dass es auch im Sinne der Allgemeinheit sei, das geistige Eigentum anderer zu wahren.
So hat das LG Köln (Beschluss v. 13.1.2010, 28 O 688/09) begründet:
„Bei der Streitwertmessung ist daher das Interesse der Verfügungsklägerin an der wirkungsvollen Abwehr eklatanter Verstöße gegen ihre geistigen Schutzrechte und ihre daraus resultierenden Vermögenspositionen zu berücksichtigen.
Diesbezüglich hat der Gesetzgeber mit den gesetzlichen Modifikationen des urheberrechtlichen Schutzes durch das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie“ vom 7.3.1990 mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Unterbindung der Missachtung geistiger Schutzrechte ein wichtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Diese gesetzgeberische Intention kann nicht ohne Auswirkung auf die Streitwertbemessung bleiben und zwar auch gegenüber Rechtsverletzern, deren individueller Verstoß nicht sehr erheblich ist.
Mit Rücksicht darauf hält die Kammer an dem festgesetzten Streitwert von 6.000 Euro für die unberechtigte Verwendung des Fotos durch die Verfügungsbeklagte fest.“
Andere Gerichte – andere Streitwerte
Die einen höher…
Selbstverständlich gibt es innerhalb der Rechtsprechung unterschiedliche Vorstellungen von einem angemessenen Streitwert für die unerlaubte Übernahme von Fotografien. Die Kölner Gerichte hatten sich bislang bezüglich der Begründung und der Höhe an einer Entscheidung des OLG Hamburg orientiert (Beschluss v. 10.3.2004, 5 W 3/04).
Auch in Hamburg sah man in der Festsetzung des Streitwertes einen gewissen Strafcharakter über den Einzelfall hinaus und hatte für zwei Verstöße (Stadtplanübernahme) einen Streitwert von 6.000 Euro ausreichen lassen.
Eine Erhöhung für den zweiten Fall auf insgesamt 9.000 Euro sei jedoch nicht geboten. Die 6.000 Euro erfüllen wohl schon ihren Zweck. Außerdem war der zweite Fall nur eine Teilvergrößerung des ersten.
Schließlich, so die Hamburger Richter befinde man sich noch im unteren Rahmen des (damals 2004) üblichen und unterhalb der vom Kammergericht in Berlin für einen ähnlichen Fall verlangten 10.000 Euro.
Das AG Hamburg (Urteil v. 11.9.2007, 36a C 54/07) ging 2007 noch weiter und sah einen Streitwert von 19.000 Euro für vier Fotos auf der Webseite eines CDU-Ortsvereins für vollkommen gerechtfertig an. So bestanden seitens des Gerichts keine Bedenken für 10.000 Euro für das erste und 3.000 EUR für alle weiteren Bilder anzunehmen.
Die anderen niedriger…
Anders das OLG Braunschweig. Dieses hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss v. 14.10.2011, 2 W 92/11) ausdrücklich davon distanziert in einem Streitwert für eine Urheberrechstverletzung den Strafcharakter widerspiegeln zu lassen. Stattdessen soll es auf den „Angriffsfaktor“ ankommen, bei einem vom Urheber vermarkteten Lichtbild auf den geltend gemachten Lizenzschaden.
Der vom Kläger geltend gemachte Lizenzsatz sei dabei zu verdoppeln, so dass man im konkreten Fall für den Unterlassungsanspruch den Lizenzsatz von 300 Euro auf 600 Euro verdoppelt hat.
Fazit
Ähnlich wie im Wettbewerbsrecht gehen die Vorstellungen über den Streitwert bei urheberrechtswidriger Fotonutzung in der Rechtsprechung noch sehr weit auseinander und können damit allein für ein Foto zwischen wenigen hundert und über 10.000 Euro liegen. Die aktuelle Tendenz – dafür spricht auch der jüngste Beschluss des OLG Köln – geht eher dahin, die Streitwerte gerade bei privater Nutzung wieder etwas abzusenken.
Allerdings kann gerade bei gewerblicher Nutzung im großen Stil hier im Einzelfall auch ein deutlich höherer Streitwert angenommen werden. Wie so oft kommt es auch hier auf den Einzelfall an. Ungeprüft sollte ein vom Urheber behaupteter Streitwert in solchen Fällen allerdings nicht bleiben.
Über den Autor
Sascha Faber, LL.M. Medienrecht
Sascha Faber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Volke2.0.
Nur damit der Jubel nicht grenzenlos wird: Das ist auch bei “nur” 3000 € immer noch ein sehr teurer Spass… Gerade bei einem privaten Bilderklau. Hinzu kommt auch weiterhin der Lizenzschadensersatz.
Interessanter an dem Urteil finde ich übrigens, dass das OLG Köln die Kosten eben nicht bei den 100 € gedeckelt hat, obwohl es sich um eine “private” Nutzung handelte.
Dazu gleich mal eine Frage. Im Wettbewerbsrecht gibt es ja den sog. “fliegenden Gerichtsstand”. Wie sieht es bei Urheberrechtsverletzungen aus ?
Wenn auch das möglich wäre, wird ja jeder Kläger beim OLG Hamburg seine Klage einreichen.
Hallo Herr Beyer,
grundsätzlich gilt auch im Urheberrecht bei Rechtsverletzungen im Internet der fliegende Gerichtsstand. Dies dürfte auch bei der unzulässigen Übernahme von Produktbildern der Fall sein.
Hallo Robert,
bei einer “normalen” Gebühr für die Abmahnung reduziert sich der Betrag von 459,40 EUR netto auf 265,70 EUR netto.
Viele Grüße
Rolf Albrecht
Das wäre ja nur die Kosten, wenn der Abmahner so blöd ist und den Streitwert in der Abmahnung nach den Kölner OLG ausrichtet und eben nicht den fliegenden Gerichtstand ausnutzt. Das wird bis auf weiteres nicht passieren.
Als ertappter Bilderdieb wird man deshalb überlegen müssen, ob man sich mit dem Abmahner irgend wie einigt – oder ob man es riskiert damit vor ein Landgericht zu ziehen, in der vagen Hoffnung, dass dieses den Streitwert auf “nur” 3000 € festsetzt. Denn selbst wenn man Glück hat und das Gericht setzt den Streitwert auf 3000 € fest, dann wird das mit den Kosten für das Gerichtsverfahren, den Kosten für den eigenen Anwalt und den Kosten für den Gegner-Anwalt) ein Vielfaches von den 459 €.
Man muss da also ganz schön sportlich unterwegs sein…
Immer auch noch dran denken, dass auch ein Schadensersatz in wohl dreistelliger Größenordnung hinzukommt.
Am meisten kann man deshalb “einsparen” wenn man das mit dem Bilderklau einfach sein läßt. Und jetzt soll mir keiner kommen, dass das so schwer ist…
Oder um das auch mal von einer anderen Seite zu betrachten…
Für die Erstellung eines einfachen Produktfotos geht durchaus schon mal eine Stunde drauf. Dazu zähle ich den Zeitaufwand das Produkt auszupacken, es entsprechend zu platzieren, das richtig auszuleuchten, die richtige Perspektive finden, mehrere Kamera-Einstellungen auszuprobieren, das Produkt wieder einzupacken, die gemachten Fotos auf den PC hochzuladen, das optimale Foto auszusuchen, diese Foto dann nachzuarbeiten etc. pp.
Wieviel Zeitaufwand bei einem konkreten Foto draufgeht, sieht man oftmals dem Foto garnicht an.
Hinzu kommt dann noch die nicht unbeträchtlichen Investitionen, die ein Shopbetreiber in Kamera, Fototisch, Beleuchtung, Software macht muss man ja auch noch hinzuzählen. Da kommt man sehr schnell auf einen dicken 4stelligen Betrag.
Eine Stunde Arbeit, 4stelliges Investitionsvolumen, erworbenes Know-How – all das macht den Wert eines Fotos aus.
Und dies alles hat also jetzt zukünftig einen Gegenwert von nur rund 265 €. D. h. es ist für jeden Bilderdieb tatsächlich lukrativer so ein Foto zu klauen, wenn man da auch noch mal das Risiko erwischt zu werden gegen rechnet.
@Shopper
Im ersten Moment, ja, kostet es dann vor dem OLG Köln “nur noch” 265 Euro. Neben der finanziellen gibt es aber noch eine weitere Folge: Das “geklaute” Bild muss entfernt werden. Und dann selbst erstellt werden – oder wieder klauen, erwischt werden, entfernen, klauen… –
Und man darf nicht die Erstellungskosten für das Foto mit den letztlich zu zahlenden Gerichts- oder Anwaltskosten vergleichen. Denn genau dafür gibt es den Streitwert. Die Kameraausrüstung, Licht etc. kaufen Sie einmal alle ein paar Jahre, die dürfen Sie also nicht bei jedem Bild in voller Höhe veranschlagen. Sie fallen also für jedes Bild nur in geringem Anteil an. Die Arbeitszeit fällt fix bei jedem Bild an, wobei auch die mit der Erfahrung wohl sinkt.
Pro Bild kommen also nicht dicke dreistellige Beträge zusammen (es sei denn, Sie haben einen Stundensatz von ein paar Tausender)…
Mit einem Streitwert von 3.000 Euro ist der Aufwand für ein Bild also gedeckt, wenn man diese Art der Berechnung zugrunde legt.
Ich will hier keine Urheberrechtsverletzung rechtfertigen. Aber wenn Sie jedes Bild einen “dicken 4stelligen Betrag kostet”, wäre das ziemlich unwirtschaftlich.
@Rätze
Zum Thema Arbeitszeit – mit der einen Stunde im Schnitt liege ich sicherlich nicht schlecht da, wenn man alles mal zusammenrechnet. Sicherlich gibt es Sortimente, die das auch in weniger Zeit schaffen, aber es gibt auch Sortimente (Mode) wo noch ganz anderer Aufwand (Model, Location) betrieben wird. Wie ich bereits geschrieben habe: Meist sieht man einem Bild gar nicht an, wieviel Arbeit da tatsächlich drin steckt.
Und man darf auch als Shopbetreiber für seine Arbeitszeit getrost einen Meister-Stundensatz ansetzen als Gegenwert ansetzen. Und da bin ich im 3stelligen Bereich.
Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ein Bild einen 4 stelligen Betrag kostet, aber dreistellig auch in einen Bereich von 250 € kommt man schon schnell, wenn man mal alles zusammenrechnet und fair kalkuliert.
Mit dem Thema Arbeitszeit und sinkt mit der Erfahrung:
Fährt ein Bauer mit seinem Traktor zum Landmaschinen-Mechaniker. Der Traktor läuft erkennbar unrund auf nur 3 Zylindern. Der Landmaschinen-Mechaniker ist ein alter Mann. Der hört sich das 3 Minuten an, geht in seine Werkstatt und kommt mit einem Hammer raus. Er öffnet die Motorhaube, nimmt Maß und haut einmal kräftig mit den Hammer auf den Motor-Block. Ein Ruck geht durch den Motor und er läuft auf einmal wieder wie am ersten Tag. Der Bauer ist begeistert! “Meister, was bin ich Ihnen schuldig?” Der Meister “120 €” Der Bauer “Wie 120 € – das waren ja gerade mal 5 Minuten Arbeitszeit, das kann doch nicht 120 € kosten!” Der Meister “Stimmt, die 5 Minuten kosten nicht 120 € – aber das gewußt wie und wo – dafür hab ich mein Leben lang gebraucht!”
In diesem Sinne…
Im übrigen ist das eigentlich spannende an dem Urteil, dass die Abmahnkosten nicht auf 100 € gedeckelt worden sind, obwohl hier ein Privatmensch das Foto geklaut hat. Das könnte bei allem Jubelgeschrei, dass jetzt ein Bilderklau billiger wird mal was drüber kommentierend schreiben…
Immer selber machen das ist am sichersten. Aber auch wir haben unsere Bilder schon bei Ebay gefunden.
Und wer hat nicht schon einmal sei es Privat oder Geschaeftlich sich was “ausgeliehen”. Von 100 Leuten mit Sicherheit 99.
@Shopper das ist super:
aber das gewußt wie und wo – dafür hab ich mein Leben lang gebraucht!”
Extrem hilfreicher Artikel. Danke.