Newsletter dürfen grundsätzlich nur beim Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung verschickt werden. Dies gilt auch, wenn der Händler eine sog. Tell-a-friend-Funktion bereithält. Wer ist aber dafür verantwortlich, wenn das System des Händlers gehackt wurde und die Werbe-Mails dann von den Hackern versandt wurde? Hierauf hat das AG Berlin eine erste Antwort gegeben.
Update: LG Berlin hebt Urteil auf und sieht Geschäftsführer in der Haftung.
Vor dem AG Berlin-Mitte (Urteil v. 02.02.2011, 15 C 1001/11) verlangte der Empfänger einer Werbe-Mail Unterlassung wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Die Unterlassungserklärung sollte sowohl von der Betreiber-GmbH als auch von den drei Geschäftsführern persönlich abgegeben werden.
Einladung eines Shopping-Clubs per Mail
Die beklagte GmbH betreibt im Internet einen Shopping-Club. Dort können nur registrierte Mitglieder einkaufen. Mitglied kann man entweder durch Registrierung oder durch Einladung werden.
Hierzu hält die Beklagte eine vorformulierte Einladung bereit, mit der bereits registrierte Mitglieder unter Einfügung ihres Namens und eines frei editierbaren Teil des e-Mail-Textes für den Shopping-Club der Beklagten werben können. Wird ein so Geworbener Mitglied in dem Shopping-Club, erhält das werbende Mitglied eine Gutschrift.
Der Kläger war kein Mitglied bei der Beklagten und hatte auch sonst der Zusendung von Werbe-Mails zugestimmt. Am 20.12.2010 erhielt er aber eine e-Mail mit dem Betreff “Sarah zeigt dir …”
Inhaltlich bestand die Mail sowohl aus dem vorformulierten Text der Beklagten als auch noch aus einem weiteren.
Aufforderung zur Unterlassung
Am 04.01.2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie sich verpflichten sollte, ihm zukünftig keine weiteren Mails mehr zu schicken. Die Abgabe einer solchen Erklärung lehnten die Beklagten jedoch ab.
Im Prozess behaupteten die Beklagten, dass die streitige e-Mail weder von ihnen noch von einem registrierten Mitglied versandt wurde. Am 18. bzw. 19.12.2010 war das System der Beklagten vielmehr einem Hacker-Angriff ausgesetzt. Innerhalb von 72 Stunden seien so ca. 188.000 e-Mails verschickt worden. Nach der Entdeckung des Angriffs sei die Einladungsfunktion deaktiviert und eine Beschränkung auf 30 Einladungen innerhalb von 24 Stunden eingeführt worden.
Shopping-Club haftet nicht
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde in diesem speziellen Fall vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen, da die Beklagten nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hatten.
Grundsätzlich stellt das Gericht aber zunächst noch klar:
“Die unaufgeforderte Zusendung von Werbemails stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht das, gegen den sich der Empfänger verwehren kann, denn ohne Einschränkungen der e-Mailwerbung ist aufgrund ihrer Vorteilhaftigkeit für den Werbenden mit Nachahmungseffekten zu rechnen, welche zu einer Ausuferung führen.”
Auch die streitige Mail enthielt Werbung. Allerdings sah das Gericht die Beklagten weder als Versender noch als Verursacher dieser e-Mail an.
Grundsätzlich Haftung bei Tell-a-friend
Das Gericht entschied, dass grundsätzlich ein Unternehmen, welches eine Tell-a-friend-Funktion bereithalte auch dafür hafte, wenn hierüber unzulässige Werbung verschickt würde.
“Zwar hält die Verfügungsbeklagte eine vorformulierte Einladung auf ihrer Internetpräsenz bereit, in welche das einladende Mitglied nur noch seinen Namen und seine e-Mailadresse eintragen muss und die e-Mailadresse des Einzuladenden, ein eigener Text ist freigestellt.
Insofern ist es auch die Absicht der Verfügungsbeklagten, dass ihre Mitglieder möglichst viele andere Mitglieder einladen. Darin liegt im Wesentlichen das Marketingkonzept der Verfügungsbeklagten.
So dass sie als Mitstörer für unerwünschte Werbemails ihrer Mitglieder zu haften hätte, zudem diese mit Gutscheinen animiert werden.”
In dem speziellen Fall verneinte jedoch das Gericht eine Haftung, da der Versand der e-Mails über ein von Dritten eingeschleustes Programm versendet wurde.
“Hierfür haben die Verfügungsbeklagten nicht einzustehen.”
Berufung beim Landgericht
Das Urteil ist im Ergebnis zu begrüßen. Der Verfügungskläger hat es aber nicht akzeptiert und Berufung dagegen beim Landgericht Berlin eingelegt. Sobald die Entscheidung vorliegt, werden wir Sie informieren.
Fazit
Zunächst festigt das Gericht seine eigene Rechtsprechung in Bezug auf Tell-a-friend. Grundsätzlich haftet der Webseiten-Betreiber, der diese Funktion bereithält. Diese Haftung bestätigte das LG Berlin in einem anderen Verfahren.
Neu – und für Shopbetreiber erfreulich – an der Entscheidung ist, dass das Gericht für die Mitstörerhaftung quasi ein Verschulden verlangt. Das Verschulden ist eigentlich nur Voraussetzung, wenn es um Schadenersatzansprüche geht. Der Unterlassungsanspruch besteht grundsätzlich verschuldensunabhängig.
Man muss nun abwarten, wie das LG Berlin den Fall beurteilen wird. (mr)
Auf das Urteil hingewiesen hat Rechtsanwalt Sebastian Dramburg von der Kanzlei Schwenke & Dramburg, Berlin.
Update
Die Kanzlei Schwenke & Dramburg berichtet, dass das LG Berlin (15 S 1/11) die Entscheidung des AG Berlin aufgehoben hat und sogar die Geschäftsführer der beklagten GmbH in die persönliche Haftung für den Versand der Werbe-Mails ohne Einwilligung genommen hat.
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Ich finde es sehr gut, dass Ihr noch einmal explizit erwähnt was grundsätzlich gilt. Die Überschrift verleitet, zu denken, man wäre aus dem Schneider. Ein ausgenutztes offenes Tell-a-Friend-Script ist ja wahrscheinlich ebenfalls von einem Cracker bedient worden.
Meiner Meinung nach sind solche Tell-a-Friend-Funktionen nicht wirklich kontrollierbar.
* Hat man ein CAPTCHA, gibt es CAPTCHA-Breaker.
* Schafft man Restriktionen auf IP-Ebene, wird die Funktion über ein Botnetz ausgenutzt.
Bei dem beschriebenem Fall mag das etwas anders sein (wegen der Gutschrift-Funktion), in den meisten Fällen ist eine Tell-a-Friend-Funktion aber überhaupt nicht sinnvoll. Wenn ein Besucher oder Kunde meine Seite weiter empfehlen will, dann wird er das auch ohne ein entsprechendes Formular tun. Solche Empfehlungen sind doch viel wertvoller als vorgefertigte Texte.
Ich bin aber auf jeden Fall gespannt, wie das nun beim LG Berlin weiter beurteilt wird. Im DSL-Bereich gibt es ja auch so etwas wie Mitstörerhaftung. Ähnliches könnte man hier anwenden, wenn die ausgenutzte Sicherheitslücke (Über die das Schadprogramm eingeschleust wurde) offensichtlich war.
Ich habe mal hier eine längere Kommentierung des Falles veröffentlicht.
http://www.kanzlei-richter.com/spamabwehr-entscheidungen/ag-mitte-keine-haftung-fuer-freundschaftseinladungen.html
Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung!
Mit freundlichen Grüßen Stefan Richter