Bereits seit 2008 liegt ein Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über Verbraucherrechte vor. Am 24.03.2011 wurden im EU-Parlament umfangreiche Änderungen beschlossen, deren Sinn zumindest fragwürdig erscheint. So wird festgelegt, dass bestimmte Information künftig auf der Startseite von Online-Shops stehen müssen.
Lesen Sie mehr über eine neue zweifelhafte Pflicht.
Update: Kein Aprilscherz!
Update 23.6.2011: EU-Parlament hat Richtlinie beschlossen
Bereits Anfang März gab es große Aufregung über den Vorschlag des Parlaments, Händler künftig dazu zu verpflichten, auf Verlangen des Verbrauchers die komplette EU beliefern zu müssen.
Das EU-Parlament verlangt aber noch mehr. In Artikel 11 der Richtlinie soll ein Absatz 2a eingefügt werden, in dem es heißen soll:
"Auf Websites für den elektronischen Geschäftsverkehr ist klar und lesbar auf der Startseite anzugeben, ob Beschränkungen - einschließlich der Zahlungsmöglichkeiten - für Lieferungen in bestimmte Mitgliedstaaten bestehen."
Zunächst könnte man daran denken, dass es ausreichen würde, z.B. den Hinweis "Keine Lieferung nach Polen" aufzunehmen. Das geht aber nicht, da Art. 22a der geplanten Richtlinie den Händler ja gerade dazu verpflichtet, in alle EU-Mitgliedstaaten auf Verlangen des Verbrauchers zu liefern.
Wenn aber für die Lieferung in das EU-Ausland z.B. keine Expresslieferungen möglich sind, ist dies anzugeben. Kompliziert wird es, wenn Expresslieferungen nur in manche Länder möglich sind.
Dann sähe der Hinweis z.B. so aus:
"Expresslieferungen sind in folgende Länder nicht möglich:
Rumänien
Litauen
Griechenland
SchwedenGrundsätzlich möglich sind Expresslieferungen nach Spanien, hiervon ausgenommen aber Lieferungen auf die kanarischen Inseln und die Balearen."
Gleiches gilt für Beschränkungen der Zahlungsarten. Relativ einfach ist es noch, wenn man ausschließlich per Vorkasse ins Ausland liefert. Aber zu einfach sollte es ja nicht sein, dachten sich die Abgeordneten und hatten folgende Überlegung, die sie in einen neuen Erwägungsgrund 38a aufnahmen:
"Bei vielen Transaktionen haben die Verbraucher nicht genügend Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Zahlungsmethode oder müssen hohe Gebühren entrichten, wenn sie bestimmte Zahlungsmethoden nicht nutzen wollen.
Daher sollte eine Bestimmung aufgenommen werden, mit der sichergestellt wird, dass der Unternehmer dem Verbraucher verschiedene Zahlungsarten anbietet, die bei Fernabsatzverträgen sowohl elektronische als auch nicht elektronische Zahlungsmethoden umfassen sollte. [...]"
Zwar wurde eine entsprechende Verpflichtung nicht in die Richtlinie aufgenommen, aber dies kann noch in den weiteren Beratungen im Parlament geschehen.
Das bedeutet also, dass man dann schreiben müsste (Beispiel):
"Lieferungen ins EU-Ausland erfolgen nur per Vorkasse, Nachnahme oder PayPal, wobei eine Lieferung per Nachnahme nach Belgien nicht erfolgt."
Über Einschränkungen der Lieferart und der Zahlungsart zu informieren, dürfte dabei aber noch relativ einfach möglich sein, da es keines Recherche-Aufwandes hierfür bedarf. Problematischer wird es aber, wenn bestimmte Verkaufsmodalitäten in verschiedenen Ländern herrschen.
Es sei daran erinnert, dass z.B. bis Mai 2010 eine Vorkasse-Vereinbarung in Belgien verboten war und bis zu einem Urteil des EuGH vom 3. Dezember 2010 in Ungarn keine Kontaktlinsen über das Internet verkauft werden durften. Alkohol darf beispielsweise in Schweden nur an Personen über 20 Jahren verkauft werden. Auch hierauf ist dann hinzuweisen, da dies eine Lieferbeschränkung i.S.d. geplanten Artikel 11 darstellt.
Der Vorschlag in der Richtlinie ist hier eindeutig und lässt keine Interpretationen zu: "klar und lesbar auf der Startseite". Durch diesen eindeutigen Wortlaut scheidet die Möglichkeit der Informationserteilung über einen sprechenden Link, welcher auf eine Seite verweist, die all diese Informationen enthält, aus.
Was soll eine solche Pflicht auf der Startseite denn bringen? Potentielle Kunden - zumindest neue - kommen nicht über die Startseite in den Shop und werden diese Informationen somit niemals wahrnehmen. Dieser Vorschlag ist also völlig unüberlegt und vor allem unnötig.
Die Kommission hatte mit dem Entwurf einer Verbraucherrechte-Richtlinie einen guten Anfang gemacht. Europaweit sollten die Pflichten für Händler vereinheitlicht werden, die nationalen Parlamente hätten davon nicht abweichen dürfen. Bereits im Schwab-Bericht wurde dieses Konzept der Vollharmonisierung leider aufgegeben.
Der jetzt vom EU-Parlament vorgeschlagene Text führt neben dieser unsinnigen Pflicht auf der Startseite zahlreiche weitere neue Regelungen ein, die nichts mehr mit Verbraucherschutz zu tun haben. Man kann hier nur an die Vernunft der Parlamentarier appellieren, die Änderungen zurückzunehmen und den wirklich guten Vorschlag der Kommission anzunehmen.
Noch ist die Richtlinie kein geltendes Recht. Es bleibt zu hoffen, dass die Interessenverbände der Wirtschaft massiven Druck auf die Abgeordneten ausüben werden, um den größten Teil der geplanten Änderungen wieder rückgängig zu machen.
Übrigens plante die EU ursprünglich, die Informationspflichten im Online-Handel zu reduzieren und zu vereinheitlichen. Beide Pläne wurden offensichtlich aufgegeben.
Was soll dem bulgarischen Verbraucher diese Information auf einem deutschen Online-Shop nützen, wenn er kein Wort Deutsch spricht? Fehlt nur noch, dass diese Information in allen 23 Amtssprachen bereitgehalten werden muss.
Wir werden Sie in weiteren Beiträgen über die anderen Änderungsvorschläge unterrichten. (mr)
Viele Leser dachten, bei diesem Beitrag handelte es sich um einen Aprilscherz. Leider muss ich Sie enttäuschen. Dieser Unsinn stammt nicht von uns, sondern tatsächlich vom EU-Parlament. Der oben angesprochene geplante Artikel 11 Abs. 2a steht so tatsächlich im derzeit diskutierten Entwurf der Verbraucherrechterichtlinie.
Was diese Pflicht bringen soll, konnte ich bisher noch nicht erkennen. Der Binnenhandel wird dadurch unter Garantie nicht gefördert. Und das ist immerhin das erklärte Ziel der Richtlinie.
Ich möchte es noch einmal betonen:
Es handelt sich bei diesem Beitrag nicht um einen Aprilscherz!
Am 23. Juni 2011 hat das EU-Parlament die Verbraucherrechterichtlinie beschlossen. Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen Rat und Parlament. Zahlreiche Änderungswünsche des Parlamentes konnten sich (zum Glück) nicht durchsetzen. So unter anderem die Verpflichtung über Informationen zu Auslandslieferungen auf der Startseite.
Allerdings muss der Shopbetreiber künftig spätestens zu Beginn des Bestellprozesses (also spätestens im Warenkorb) über bestehende Lieferbeschränkungen sowie die angebotenen Zahlungsarten informieren. Das dürfte aber für viele Shopbetreiber keine große Umstellung bedeuten, da sie diese Informationspflicht bereits jetzt erfüllen.