Die Zustellung von Lieferungen beim Nachbarn des eigentlichen Empfängers ist für den Händler mit hohen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Das LG Köln sah vor kurzer Zeit aber die Klauseln zur Nachbarschaftszustellung eines großen Logistikdienstleisters als wirksam an. Das OLG Köln hob dieses Urteil jedoch in der zweiten Instanz auf und erklärte die verwendeten Klauseln für unwirksam.
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Nachdem das LG Köln (Urteil v. 18.08.2010, 26 O 260/10) die Nachbarschaftsklauseln eines großen Logistikunternehmens für zulässig erachtet hatte, musste sich auch das OLG Köln (Urteil v. 02.03.2011, 6 U 165/10) als Berufungsinstanz mit diesen beschäftigen. Konkret ging es um folgende Klauseln:
"X darf Sendungen, die nicht in der in Absatz 2 genannten Weise abgeliefert werden können, an einen Ersatzempfänger abliefern. [...] Ersatzempfänger sind
1. Angehörige des Empfängers oder des Ehegatten, oder
2. andere, in den Räumen des Empfängers anwesende Personen, sowie dessen Hausbewohner und Nachbarn, sofern den Umständen nach angenommen werden kann, dass
sie zur Annahme der Sendungen berechtigt sind."
Der Senat neigte zunächst dazu, dass die Begriffe "Nachbar" und "Hausbewohner" in der angegriffenen Klausel zu unbestimmt seien mit der Folge, dass die Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam wäre.
Diesen Worten käme aber im Gesamtzusammenhang der Klausel keine entscheidende Bedeutung zu.
"Sie dienen lediglich dazu, einen räumlichen Bereich zu bestimmen, innerhalb dessen eine Ersatzzustellung vorgenommen werden kann. Die entscheidende Einschränkung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ersatzzustellung erfolgt durch die Auswahl des Ersatzempfängers und damit bei der Prüfung, ob den "Umständen nach angenommen werden kann, dass [diese Person] ... zur Annahme der Sendung berechtigt" ist."
Wenn diese Prüfung sachgerecht vorgenommen wird, könne es für den Empfänger unerheblich sein, ob die Begriffe den räumlichen Bereich exakt genug bestimmen, entscheidend sei vielmehr, dass
"die Wohnung dieser Person näher beim Empfänger liegt als die zuständige Postfiliale."
Das Gericht hielt es außerdem für fraglich, ob die Pflichten des Zustellers bei der Auswahl des Ersatzempfängers ausreichend in der Klausel geregelt seien.
Allerdings, so das Gericht, komme es auch auf diese Frage nicht an, da die Klausel bereits aus anderen Gründen unwirksam ist.
AGB-Klauseln sind dann unangemessen und somit unwirksam, wenn der Unternehmer durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Der Senat ging hier davon aus, dass sowohl der Beförderer wie auch der Empfänger der Sendung grundsätzlich ein Interesse an der Zulässigkeit einer Ersatzzustellung hätten, da diese der Beschleunigung und der Vereinfachung der Zustellung von Sendungen dienten.
Ein solches Verfahren müsste jedoch so ausgestaltet sein,
"dass es den wechselseitigen Interessen im Rahmen des jeweils zumutbaren so weit wie möglich Rechnung trägt."
Dies sei aber bei dieser Klausel nicht der Fall.
Die Beklagte trug vor, dass der Zusteller in der Praxis eine Benachrichtigungskarte dem eigentlichen Empfänger der Sendung zukommen lässt - etwa durch Einwurf in den Briefkasten.
"Die Beklagte praktiziert dieses Verfahren zu Recht, denn es muss - damit den Interessen des Absenders und des Empfängers Rechnung getragen wird - jedenfalls gewährleistet sein, dass der Empfänger einer Sendung von dieser erfährt und davon in Kenntnis gesetzt wird, wo er sich in Besitz nehmen kann.
Eine rechtliche Verpflichtung hierzu enthält die Klausel jedoch nicht.
Gründe hierfür sind nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Insbesondere ist die Übernahme einer Pflicht zur Einhaltung eines solchen Verfahrens der Beklagten ohne weiteres zumutbar, was sich darin zeigt, dass sie es nach ihren Angaben ohnehin bereits anwendet."
Die Logistikunternehmen sind jetzt gefordert, ihre AGB entsprechend anzupassen, denn jetzt haben sowohl das OLG Köln als auch das OLG Düsseldorf (Urteil v. 14.3.2007 - I-18 U 163/06) derartige Nachbarschaftsklauseln für unzulässig angesehen.
Es wird aber nicht reichen, die Verpflichtung zum Einwurf einer Benachrichtigungskarte in die AGB-Klausel mit aufzunehmen. Zwar war dies letztlich der Punkt, wegen dem das OLG Köln die Unwirksamkeit bejahte, allerdings hatte das Gericht auch Zweifel, ob die Pflichten des Zustellers ausreichend geregelt sind und auch ob die Begriffe "Nachbar" und "Hausbewohner" einem Verbraucher verständlich seien.
Das Gericht hat die Revision zum BGH nicht zugelassen. Die Beklagte kann jedoch die sog. Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Wenn sie das tut, wird das Urteil erst mit Zurückweisung dieser Beschwerde durch den BGH rechtskräftig. Wir werden Sie weiter über dieses Thema auf dem Laufenden halten. (mr)