Abmahnungen werden meist per Einschreiben mit Rückschein verschickt. So wird dokumentiert, wann die Abmahnung zugestellt worden ist. Ist der Abgemahnte allerdings nicht zu Hause, trägt er das Risiko, wenn die Benachrichtigungskarte verloren geht. Damit trägt er auch die Kosten eines anschließenden Verfahrens, obwohl er nie Kenntnis von der Abmahnung erlangte, entschied das LG Berlin.
Lesen Sie hier mehr dazu.In einem vom LG Berlin (Urteil v. 30.090.2010, 52 O 187/10) ging es letztlich nur noch darum, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.
Abmahnung per Post
Ein Wettbewerbsverein hatte einer Einzelunternehmerin eine Abmahnung per Einschreiben/Rückschein geschickt. Diese war wohl nicht anwesend, sodass das Schreiben bei der Post zur Abholung bereit gelegt wurde. Die Einzelunternehmerin holte es jedoch nicht ab.
Einstweilige Verfügung
Daraufhin stellte der Wettbewerbsverein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim LG Berlin. Diese Verfügung wurde auch erlassen. Hiergegen legte die Antragsgegnerin Kostenwiderspruch ein und erklärte gleichzeitig, dass sie den Anspruch auf Unterlassung anerkenne.
Die Antragsgegnerin behauptete, keine Abmahnung erhalten zu haben. Auch habe sie nie Kenntnis davon erlangt, dass ein Einschreiben für sie bei der Post zur Abholung bereit liege.
Ein entsprechender Benachrichtigungsschein habe sich zu keiner Zeit in ihrem Briefkasten befunden.
Die Antragstellerin meinte dagegen, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Es sei davon auszugehen, dass sie einen Benachrichtigungsschein von der Deutschen Post erhalten habe. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter der Deutschen Post keinen solchen Schein in den Briefkasten eingeworfen habe.
Die entsprechende Behauptung der Antragsgegnerin sei eine Schutzbehauptung.
Kosten des Verfahrens
Grundsätzlich trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens, wenn zuvor nicht abgemahnt wurde und der Antragsgegner den Anspruch auf Unterlassung sofort im Prozess anerkennt. Denn ohne eine Abmahnung, auf die der Abgemahnt nicht reagiert, besteht kein Anlass für ein gerichtliches Verfahren.
Das Gericht legte die Kosten des Verfahrens nach dem Widerspruch dennoch der Antragsgegnerin auf.
“Sie hat nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie keine Veranlassung zur Beantragung der einstweiligen Verfügung gegeben hat.”
Beweislast bei Abmahnungen
Der BGH hatte bereits im Jahr 2006 entschieden, dass der Abgemahnte, der im Prozess behauptet, keine Abmahnung erhalten zu haben, dieses auch darlegen müsse. Da es natürlich sehr schwierig ist, etwas dazulegen was nicht passiert ist, trifft den Abmahner hier die sog. “sekundäre Beweislast”. Dieser genügt der Abmahner, wenn er darlegen kann, dass er das Abmahnschreiben abgeschickt hat.
“Unstreitig ist der Antragsgegnerin das Abmahnschreiben vom 16.06.2010 nicht zugegangen. Der – hier streitige – Erhalt eines Benachrichtigungsscheins über ein für den Empfänger zur Abholung bereit liegenden Einschreiben bewirkt oder ersetzt nicht den Zugang des Einschreibens selbst.
Die Antragsgegnerin muss sich aber gem. § 242 BGB [Treu und Glauben] so behandeln lassen, als wäre ihr die Abmahnung zugegangen, da es nach Auffassung der Kammer überwiegend wahrscheinlich ist, dass ein Benachrichtigungsschein über ein abzuholendes Einschreiben in ihren Briefkasten eingelegt worden ist.”
Eidesstattliche Versicherung reichte nicht
Die Antragsgegnerin versicherte an Eides statt, dass sie keinen solchen Benachrichtigungsschein in ihrem Briefkasten vorgefunden habe, den sie als Einzelunternehmerin täglich und gewissenhaft selbst leerte.
Trotz dieser eidesstattlichen Versicherung hatte das Gericht noch erhebliche Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin eine solche Benachrichtigung nicht erhalten hatte.
“Allerdings lässt sich aufgrund des Rückbriefes der Deutschen Post die Einlegung des streitgegenständlichen Scheines nicht feststellen. Daraus geht lediglich hervor, dass das Einschreiben innerhalb der einwöchigen Lagerfrist nicht bei der Post abgeholt worden ist.
Die Kammer hält allerdings die Möglichkeit, dass der Briefzusteller versehentlich keine Benachrichtigungsnachricht eingelegt hat, für so gering, dass sie vernachlässigt werden kann.”
Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass sich ein Briefzusteller seiner besonderen Verantwortung bei Einschreiben/Rückscheinen bewusst sei, schließlich zahle der Kunde in diesen Fällen auch mehr Geld. Deswegen sei davon auszugehen, dass der Briefzusteller sich an die geltenden Vorschriften halte und immer eine Benachrichtigung im Briefkasten hinterlasse.
Allerdings meinte das Gericht auch, dass die Antragsgegnerin nicht bewusst gelogen habe, als sie die eidesstattliche Versicherung abgab.
“Denkbar ist genauso, dass sie den Benachrichtigungszettel beispielsweise versehentlich mit Werbeprospekten und -zeitschriften weggeworfen hat, ohne dies zu bemerken.”
Antragsgegnerin trägt Verlustrisiko
Nach all dem – so das Gericht – trägt die Antragsgegnerin daher das Risiko, dass der Benachrichtigungsschein verloren geht und damit im Prozess mit den Kosten belastet zu werden.
Fazit
Die Fälle, dass Benachrichtigungskarten tatsächlich nicht im Briefkasten des Empfängers ankommen, dürften nicht selten im Alltag vorkommen. Wie einem Empfänger eines Einschreibens aber der Nachweis gelingen soll, dass der Postzusteller an diesem Tag etwas unaufmerksam war, und einen Fehler gemacht hat, lässt das Gericht leider offen. In der Praxis dürfte dieser Nachweis wohl auch fast nicht – oder besser: nie – gelingen.
Auf der anderen Seite müssen auch die Interessen des Abmahners beachtet werden, der mit dem Einschreiben/Rückschein bereits eine besondere Zustellform gewählt hat. Er muss sich darauf verlassen können, dass die Post ordnungsgemäß arbeitet und ein zurückkommendes Einschreiben bedeutet, dass der Empfänger es wohl nicht abholen wollte. (mr)
Guten Tag. War schon immer so Recht haben und Recht bekommen… Ich finde das unglaublich, wie weltfremd, resp. postfremd hier geurteilt wurde. Ich glaube, den Richtern würde ein Praktikum in einem Unternehmen zu anderen Einsichten verhelfen. Was wir hier mit der deutschen Post erleben, daß hätte sich meine Ostpreußenoma nicht im Traum einfallen lassen. Briefe die uns oder unsere Kunden nicht erreichen, Nachnahmen, die angeblich verloren gegangen sind (allein im letzten Jahr für etwa 300 Euronen, weil nicht als Einschreiben von uns deklariert, dito Paketnachnahmen per DHL. Was mich bei dieser hier zitierten Rechtsprechung besonders erbost ist, daß dem Abmahner nicht aufgetragen wurde, in Zukunft seine Einschreiben mit persönlicher Zustellung zu versenden. Für zig Euros mahnen, das ja, aber zu geizig um den geringen Mehrbetrag für “persönliche Übergabe” zu zahlen. Übrigens, wir versenden nicht mehr per Nachnahme und unsere Pakete lassen wir durch einen anderen Versender abholen.
Aus meinem Umfeld weiß ich, dass es einige Zusteller gibt, die aus Zeitgründen einfach den Einwurf “vergessen”. Wenn der Postverkehr vollends privatisiert wird, wird die Beweislast für Betroffene ggf. sehr belastend.
unfassbar, wenn man bedenkt wie unzuverlässig die Post ist.
Meist ist der Postbote zu faul, einen Abholschein
einzuwerfen.
In anderen Ländern können Unternehmer ihre Zeit und Energie dafür verwenden, ihr Unternehmen am Laufen zu halten. In Deutschland hingegen müssen sich Unternehmer mit Abmahnungen herumschlagen.
Diesen Artikel gelesen zu haben, bestärkt mich erneut, in diesem Land kein Unternehmen zu gründen, sei es für Online- oder Offline-Geschäfte.
“…Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass sich ein Briefzusteller seiner besonderen Verantwortung bei Einschreiben/Rückscheinen bewusst sei,…” – Selten so gelacht! Gestern kam bei mir der DHL-Abholer garnicht, die fertigen Pakete stehen hier rum. Abends beim Fahrer angerufen, ob er noch kommt, der war aber krank geschrieben, weil er tags zuvor einen Unfall hatte, also kam der Ersatzfahrer nicht, ich bin mal gespannt, ob heute jemand kommt, ansonsten muss ich nen Fass aufmachen, betrifft ja nicht nur Pakete die rausgehen sollen, sondern auch Lieferungen an mich, die sich laut Sendungststus gestern definitiv in der Zustellung befanden. Soviel zum besonderen Verantwortungsbewusstsein von Zustellern!
In Deutschland werden einem von allen Seiten Knüppel zwischen die Beine geworfen – von Seiten der Gesetzgeber mit unrealistischen Forderungen in Bezug auf Widerruf und Wertersatz, von den Gerichten durch völlig weltfremde Entscheidungen, von allen möglichen Instituten und Behörden die sofort Geld wollen für Ihre bloße Existenz und von der Gesellschaft allgemein. Denn es ist heutzutage meiner Ansicht nach ja schon verpönt Unternehmer (eventuell noch erfolgreich und gut verdienendend) zu sein. Dann ist man gleich ein geldgieriger Ausbeuter des kleinen Mannes, der nicht versteht, warum man ihm die Ware die er will nicht gleich schenkt.
Die vorliegende völlig praxisfremde Entscheidung des Gerichts dient wieder nur dazu die Unsicherheit des (kleinen) Unternehmers zu verstärken – jetzt muss man sich nicht nur Sorgen machen, dass man eine Abmahnung bekommt, sondern eher dass man sie nicht bekommt. Viel eher sollten die Gerichte schauen, dass sie diese unsinnige Abmahnereiwut wegen lächerlichen Kleinigkeiten, die jeglichem gesunden Menschenverstand widersprechen, endlich unterbunden werden!
Sehr schön gesprochen, kdesch, volle Zustimmung! Vor allem Ihre Aussage “jetzt muss man sich nicht nur Sorgen machen, dass man eine Abmahnung bekommt, sondern eher dass man sie nicht bekommt” zeigt sehr deutlich, wohin uns der Abmahnwahnsinn in Deutschland treibt, trotzdem ich beim lesen fast vom Stuhl gefallen bin vor lachen, auch wenn dies ein trauriges Thema ist. Zudem habe ich mal gehört, das ein Einschreiben mit Rückschein vor Gerichten garkeine Beweiskraft haben soll, da man ja nur ein leeres Blatt Papier verschickt haben kann, das einzige was als “zugestellt” anerkannt wird ist ein Faxbericht inkl. Übersicht des übertragenen Inhaltes.