Viele Shops bieten versandkostenfreie Lieferungen an. Dies ist ein Vorteil gegenüber anderen Shops, sodass man damit natürlich werben möchte. Allerdings stellt sich auch hier die Frage: Wie macht man dies korrekt? Das OLG Hamm hat einem Händler die Werbung mit dem Slogan "Lieferung frei Haus" jetzt untersagt, sofern für jede Bestellung eine Verpackungspauschale verlangt wird.
Das OLG Hamm (Urteil vom 04.05.2010, 4 U 32/10) hatte über die Frage zu entscheiden, inwieweit die Formulierung "Lieferung frei Haus" in einem Newsletter zulässig ist.
Die Antragsgegnerin (Betreiberin eines B2B-Shops) versandte einen Newsletter, in dem die Klausel
„Bei Online-Bestellungen liefern wir innerhalb Deutschlands generell frei Haus.“
enthalten war. Außerdem fand sich in dem Newsletter auch die folgende Information:
„Bei Bestellungen neutraler Ware unter 50,00 € Netto-Warenwert berechnen wir lediglich einen Mindermengenzuschlag von 4,80 €.“
Auf der Startseite ihres Shops warb die Antragsgegnerin nur damit, dass "bei Online-Bestellungen innerhalb Deutschlands und Österreichs frei Haus geliefert" werde.
Sie erwähnte weder den Mindermengenzuschlag noch die Tatsache, dass bei Zustellungen an Samstagen nach der Versandkostentabelle doch Versandkosten anfielen.
Darüber hinaus wies die Antragsgegnerin weder in ihrem Newsletter noch auf ihrer Website darauf hin, dass sie zusätzlich Verpackungskosten von 2,45 € je Sendung berechnete. Diese wurden erstmals in einer übersandten Auftragsbestätigung erwähnt.
In dem Newsletter verglich die Antragsgegnerin ihre Versandkosten u.a. mit denen der Antragstellerin. Hierbei berücksichtigte sie zwar den Mindermengenzuschlag, bezog die Verpackungskosten jedoch nicht in den Vergleich mit ein.
Die Antragsstellerin sah in der oben aufgeführten Darstellung der Versandkosten auf der Website und im Newsletter eine Irreführung, da der Mindermengenzuschlag nicht immer, die Samstagszuschläge nur in der Versandkostentabelle und die Verpackungskosten nie erwähnt werden würden. Auch der Versandkostenvergleich sei irreführend, da die Antragsgegnerin die bei ihr anfallenden Verpackungskosten nicht mit einbeziehen würde.
Die Antragsstellerin mahnte die Antragsgegnerin erfolglos ab und erwirkte anschließend eine einstweilige Verfügung vor dem LG Dortmund, gegen welche die Antragsgegnerin Widerspruch einlegte. Im Zuge des Widerspruchverfahrens bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung.
Gegen die Entscheidung des LG Dortmund legte die Antragsgegnerin Berufung ein. Das OLG Hamm wies die Berufung mit Ausnahme des Anspruchs auf Unterlassung der Werbung ohne Hinweis auf die bei Samstagszustellungen entstehenden Zuschläge zurück.
Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG setzt voraus, dass eine unlautere geschäftliche Handlung i. S. d. § 3 Abs. 1 UWG vorliegt. Diese ist gegeben, wenn die in der Werbung enthaltenden Angaben einen unrichtigen Eindruck hervorrufen und dieser geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen.
Soweit es durch die Irreführung zu Fehlvorstellungen der Kunden kommt, ist diese auch wettbewerbsrechtlich relevant. Dazu ist erforderlich, dass die täuschende Werbeangabe gerade wegen ihrer Unrichtigkeit bei ungezwungener Betrachtung geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen. Dies sei hier Fall, so das Gericht.
Die Werbeaussagen im Newsletter, der auch auf der Website veröffentlicht war, seien gemäß § 5 Abs. 1 UWG irreführend, urteilte das OLG Hamm, da die gewerblichen Abnehmer den Eindruck gewinnen, dass auf sie mit Ausnahme des Mindermengenzuschlages keine weiteren Kosten zukommen.
Sie entnähmen der Werbeaussage „frei Haus“, dass keine zusätzlichen Kosten mehr anfallen würden. Auch wenn Versand- und Verpackungskosten etwas anderes darstellen und begrifflich zu unterscheiden sind, so erfolge im Kreise der Kunden der Parteien doch keine saubere Trennung.
Von einem Verkehrsverständnis, nachdem i. R. d. Fernabsatzes üblicherweise Verpackungskosten zusätzlich in Rechnung gestellt werden würden, könne der Senat nach der Lebenserfahrung nicht ausgehen. Verpackungskosten seien bei Internetangeboten als selbstständige Zusatzkosten nicht so bekannt, dass ein maßgeblicher Teil der gewerblichen Abnehmer von sich aus mit ihnen rechnen würde.
Auch die Aussage auf der Homepage der Antragsgegnerin, die Lieferung erfolge „frei Haus in Deutschland und Österreich“ sei irreführend, da Kunden angesichts der eindeutigen Werbeaussage nicht damit rechnen würden, ggf. noch eine Mindermengenpauschale zahlen zu müssen. Auch eine spätere Aufklärung (etwa durch die Versandkostenaufstellung) könne diese Irreführung nicht mehr beseitigen:
„Da die Angaben auf der Startseite zu den Versandkosten aber eindeutig und auch vollständig zu sein scheinen, könnte selbst eine spätere Aufklärung die Eignung zur Irreführung nicht mehr beseitigen.
Die Kunden hätten sich wegen der vermeintlich besonders günstigen Versandkostenregelung dann schon näher mit dem Angebot befasst. Das hat das Landgericht schon zutreffend ausgeführt.“
Im Hinblick auf die nicht mitgeteilten Samstagszuschläge verneinte das OLG allerdings eine Irreführung. Hierbei handele es sich um einen Sonderwunsch, darüber hinaus gehen die meisten Abnehmer nicht davon aus, dass eine Lieferung an Samstagen überhaupt in Betracht kommt.
Sollten sie eine Lieferung an diesem Tag wünschen, würden sie sich gezielt informieren und zwangsläufig auf die entsprechenden Angaben stoßen, sodass es nicht zu einer Fehlvorstellung diesbezüglich komme.
Vergleichende Werbung ist zwar grundsätzlich zulässig, in dem vorliegenden Fall genügt sie aber nicht den Objektivitätsanforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Es fehle nämlich an einer Berücksichtigung der Verpackungskosten.
Auch wenn es sich dabei nicht um Versandkosten im engeren Sinne handle, wird auf deren unterschiedliche Behandlung bei den verglichenen Anbietern nicht eingegangen, obwohl sie im Rahmen der Gesamtkostenbetrachtung für den Kunden von erheblicher Bedeutung sein können.
So berechne die Antragsgegnerin üblicherweise pauschale Verpackungskosten von 2,45 €, die Antragsstellerin hingegen Versand- aber keine Verpackungskosten.
„Da die Antragsgegnerin die Verpackungskosten in den Versandkostenvergleich nicht einbezieht, wird die Gesamtbelastung mit den Zusatzkosten zum Angebotspreis, auf die es dem Kunden entscheidend ankommt, nicht hinreichend ersichtlich.
Der Vergleich erweckt den Eindruck, die Antragsgegnerin könne insgesamt günstiger liefern und versenden als die Wettbewerber, obgleich er durch die einseitige zusätzliche Berechnung der Verpackungskosten [...] erheblich relativiert wird und sogar ins Gegenteil verkehrt werden kann [...]“.
Unabhängig davon, ob Sie einen B2B- oder einen B2C-Shop betreiben, muss bei der Werbung mit einer Versandkostenfreiheit darauf geachtet werden, dass diese korrekt dargestellt wird. Fallen Mindermengenzuschläge, Verpackungskosten o.Ä. an, so ist darauf bereits bei der Werbung hinzuweisen. Dies kann z.B. durch einen Sternchenhinweis geschehen. (mr)