Viele Händler schreiben als Einleitung den Satz "Verbraucher haben folgendes Widerrufsrecht" vor die Widerrufsbelehrung, um den Kunden zu verdeutlichen, dass eben nur Verbrauchern dieses Recht zusteht und nicht auch Unternehmern. Den Vorspann zur Widerrufsbelehrung mahnte ein Händler ab, das OLG Hamburg sah in dieser Formulierung jedoch kein Problem.
Lesen Sie hier mehr über diese Urteil und über ein gegenteiliges Urteil des LG Kiel.
Das OLG Hamburg (Urteil v. 03.06.2010, Az: 3 U 125/09) hatte über die negative Feststellungsklage eines Abgemahnten zu entscheiden.
Dieser hatte vor seiner Widerrufsbelehrung den Satz
"Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht:"
gestellt. Anschließend folgte die zur Zeit der Abmahnung gültige Muster-Widerrufsbelehrung aus der BGB-InfoV.
Der Abmahner war der Meinung, dass der Verbraucher aufgrund des vorangestellten Satzes im Unklaren darüber gelassen werde, ob er selbst Verbraucher sei. Aus diesem Grund liege keine klare und unmissverständliche Widerrufsbelehrung vor, die aber in § 355 BGB gefordert wird.
Der Abgemahnte hielt dies für abwegig und wehrte sich mit der negativen Feststellungsklage gegen die Vorwürfe. Er meinte, er halte sich mit der gewählten Formulierung exakt an die gesetzlichen Vorgaben.
"Der Verbraucher werde klar und eindeutig über sein Widerrufsrecht belehrt."
Der Begriff des Verbrauchers sei bereits aus der Umgangssprache hinreichend bekannt, ähnlich wie andere juristische Begriffe, z.B. Käufer, Eigentümer oder Besitzer.
Der Abmahner verteidigte seine Abmahnung.
"Wenn der Kläger darauf verweise, dass (nur) Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehe, werde der Verbraucher eben nicht über sein konkretes Widerrufsrecht, sondern nur abstrakt über das gesetzliche Widerrufsrecht belehrt, welches jedem Verbraucher zustehe. Der angesprochene Kunde müsse dann noch selbst feststellen, ob er als Verbraucher anzusehen sei, und ihm deshalb das genannte Widerrufsrecht zustehe."
Der Begriff des Verbrauchers sei außerdem mehrdeutig. Der Abmahner berief sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil v. 11.12.2008, Az: 2 U 57/08), mit dem einem Händler verboten wurde, das Widerrufsrecht mit einem ähnlichen "Vorspann" einzuleiten, da der Verbraucher nicht wisse, wann er Verbraucher sei.
Am 06. August 2009, Az: 315 O 152/09, hatte das LG Hamburg dem Abgemahnten Recht gegeben und somit den "Vorspann" nicht als wettbewerbswidrig angesehen. Gegen diese Entscheidung wendete sich der beklagte Abmahner mit der Berufung.
Er war noch immer der Meinung, dass die Ansicht, der Verbraucher wisse, was ein Verbraucher ist, falsch sei. Dies würde auch ein Urteil des BGH v. 30.03.2009, VIII ZR 7/09 zeigen. Der Begriff des Verbrauchers werde darüber hinaus auch nicht in der Musterwiderrufsbelehrung verwendet, sondern lediglich in den Gestaltungshinweisen, die sich aber ausschließlich an den Unternehmer richten, der das Muster verwendet.
Der Abmahner war auch der Meinung, der Verkäufer müsse bei jeder Bestellung zunächst prüfen, ob der Besteller ein Verbraucher sei und erst dann dürfe er ihn darüber belehren, ob ihm ein Widerrufsrecht zustehe.
"Der Unternehmer müsse nach dem gesetzgeberischen Willen zunächst prüfen, ob und inwieweit dem Käufer ein Widerrufsrecht zustehe. Im Anschluss daran müsse er den jeweiligen Kunden über das Prüfergebnis informieren, nämlich über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechtes.
Durch den Vorspann werde aus der Widerrufsbelehrung eine lediglich abstrakte Information über die Gesetzeslage. Dem Kunden werde jedoch nicht mitgeteilt, ob diese Regelung auf ihn zutreffe. Der Vorspann weise einen eigenen Inhalt auf, der die eigentliche Belehrung relativiere und beschränke. Das führe dazu, dass der Kunde von der Befassung mit der Widerrufsbelehrung abgelenkt werde."
Der Beklagte war der Meinung, dass ein solcher Zusatz außerdem überflüssig sei. Er ging davon aus, dass einem Unternehmer kein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt wird, wenn die Einschränkung auf Verbraucher vor der Belehrung fehle, da ihm klar sei, dass das Widerrufsrecht nur für Verbraucher gelte.
"Der Unternehmer, der die Widerrufsbelehrung des Klägers lese, sei ja regelmäßig selbst verpflichtet, Verbraucher entsprechend zu belehren. Ihm sei zweifellos klar, dass die Widerrufsbelehrung nur im B2C-Verhältnis, nicht jedoch - auch nicht als vertragliches Rücktrittsrecht - im B2B-Verhältnis gelte. Kein Unternehmer werde auf die abwegige Idee kommen, der Verkäufer habe ihm mit der Widerrufsbelehrung ein vertragliches Rücktrittsrecht einräumen wollen."
Das OLG Hamburg sah die Berufung des Beklagten als unbegründet an und konnte in dem "Vorspann" keinen Wettbewerbsverstoß erkennen.
"Die vom Kläger verwendete Widerrufsbelehrung ist nicht zu beanstanden."
In der Berufungsinstanz hatte der Beklagte noch geltend gemacht, die verwendete Belehrung verstoße gegen §§ 3, 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG. Die Belehrung sei irreführend, weil dort eine Widerrufsfrist von nur 2 Wochen genannt wurde. Aufgrund der wegen des "Vorspanns" unzureichenden Widerrufsbelehrung werde die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist aber nicht in Gang gesetzt, so dass das Widerrufsrecht deutlich länger bestünde.
Der Senat sah diesen Zusatz, der erstmals in der Berufungsinstanz eingebracht wurde, als nicht sachdienlich an, sodass über diesen nicht zu entscheiden war.
Das Gericht konnte nicht erkennen, dass die Widerrufsbelehrung durch den "Vorspann" gegen das Deutlichkeitsgebot aus § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen würde. Die Verbraucher werden durch den Vorspann nicht dazu verleitet anzunehmen, dass ihnen kein Widerrufsrecht zustehe.
"Durch die Voranstellung des einleitenden Satzes "Verbraucher haben das folgende gesetzliche Widerrufsrecht" wird die Belehrung nicht unklar oder intransparent. Die streitgegenständliche Belehrung - bzw. Einleitung für die Belehrung - ist vielmehr unmissverständlich. Verbraucher werden durch die verwendete Formulierung nicht dazu verleitet, den verwendeten Verbraucherbegriff falsch zu interpretieren und deshalb fälschlich davon ausgehen, dass ihnen ein Widerrufsrecht nicht zustehe."
Zwar erkannte das Gericht, dass die angesprochenen Verbraucher in Grenzfällen vielleicht nicht sofort erkennen könnten, ob sie nun Verbraucher sein oder nicht. Allerdings definierte der Kläger in Ziffer 1 Abs. 2 seiner AGB den Verbraucherbegriff, indem er den Gesetzeswortlaut wiederholte. Außerdem war dort auch der Begriff des "Unternehmers" wie im Gesetz definiert. Die AGB waren auch in der Bestellbestätigungs-Mail enthalten.
"Mithin erhält der Kunde die möglicherweise erforderlichen Erläuterungen bereits im Rahmen der Bestätigung der Bestellung."
Der Auffassung, dass ohne einen entsprechenden Vorspann den Unternehmern kein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt werde, erteilte das OLG Hamburg eine klare Absage.
"Das gesetzlich vorgesehene Widerrufsrecht steht nur dem Verbraucher (i.S. von § 13 BGB), nicht jedoch einem Unternehmer (i.S. von § 14 BGB) zu. Wird auch ein Käufer, der Unternehmer im Sinne von § 14 BGB ist, über das Widerrufsrecht belehrt, so hätte dies zur Folge, dass auch dem Unternehmer ein Widerrufsrecht im Sinne eines vertraglichen Rücktrittsrechts zustünde.
Das Verlangen des Beklagten, den "Vorspann" wegzulassen, würde dazu führen, dass der Kläger - über seine gesetzliche Verpflichtung hinaus - jedem Kunden ein Widerrufsrecht zubilligen müsste. Die gegenteilige Rechtsansicht des Beklagten ist nicht überzeugend."
Auch eine vor der Belehrung liegende Prüfpflicht des Unternehmers, welche Eigenschaft der Kunde hat (Verbraucher oder Unternehmer) erkannte das Gericht nicht.
"Die in der Sphäre des Kunden liegende Verbrauchereigenschaft kann der Unternehmer regelmäßig nicht beurteilen. Er weiß nicht, ob ein bestellter Elektroartikel zu privaten oder gewerblichen Zwecken verwendet werden soll, denn dies ist der Bestellung nicht anzusehen. Eine diesbezügliche Sachaufklärungs- bzw. Erkundigungspflicht des Verkäufers sieht das Gesetz nicht vor."
Somit besteht weder eine Prüfungspflicht des Händlers.
Nachdem das OLG Stuttgart bereits das Gegenteil entschieden hat, bleibt abzuwarten, ob sich die meiner Meinung nach richtige Ansicht des OLG Hamburg durchsetzen wird. Das Gericht hat die Revision gegen diese Entscheidung zugelassen, sodass die Möglichkeit besteht, dass sich auch der BGH zu der Frage äußern kann, ob der entsprechende "Vorspann" verwendet werden darf - zumindest dann, wenn der Begriff "Verbraucher" in den AGB definiert ist.
Die Entscheidung, dass einem Unternehmer ohne diesen "Vorspann" ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt wird, verdient Zustimmung. Die Argumentation des Beklagten Abmahners, dass einkaufende Unternehmer wüssten, dass nur Verbrauchern ein Widerrufsrecht zustehe, weil der einkaufende Unternehmer ja selbst regelmäßig über das Widerrufsrecht belehren müssten, ist schon deshalb abwegig, weil es zahlreiche Unternehmer gibt, die noch nie jemanden über das Widerrufsrecht informiert haben. Man denke da nur an den Zahnarzt, der sich für seine Praxis ein Faxgerät im Internet bestellt oder an den Klempner, der neues Werkzeug online kauft.
Die Muster im Trusted Shops Praxishandbuch sehen ebenfalls einen solch einleitenden Satz vor. Außerdem wird in den Muster-AGB der Verbraucher definiert. (mr)
Heute wurde uns eine Entscheidung des LG Kiel, Urteil v. 09.07.2010, Az: 14 O 22/10, bekannt, die die Einschränkung des Widerrufsrechtes auf Verbraucher für wettbewerbswidrig hält. Dort ging es um den "Vorspann"
"Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn Sie Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind."
Zur Begründung führte das Gericht aus:
"Nach diesen Vorschriften, die im Übrigen gegenüber der früheren Rechtslage inhaltlich keine Änderungen enthalten, hat der Unternehmer den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über das „Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts“ zu belehren. Mit dieser Formulierung legt der Gesetzgeber die Prüfung, ob die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen eines Widerrufsrechts nach §§ 312d, 355 BGB vorliegen, gerade dem Unternehmer – und nicht seinem Vertragspartner – auf.
Die beanstandete Formulierung in der Widerrufsbelehrung, wie sie die Beklagte am 03.09.2009 gegenüber der Kundin XXX verwendet hat, wird dagegen auch bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, auf dessen Verständnishorizont abzustellen ist, den Eindruck erwecken, er selbst müsse zunächst einmal prüfen, ob er eigentlich Verbraucher i. S. d. § 13 BGB ist und damit das Widerrufsrecht in Anspruch nehmen könnte.
Das Risiko, insoweit zu einer rechtlichen Fehleinschätzung zu gelangen, wird damit gegen den Willen des Gesetzgebers auf den Verbraucher verlagert. Zugleich liegt in dieser Formulierung der Belehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht eine mögliche Irreführung des Verbrauchers über die ihm zustehenden Rechte i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG und ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2, 3, 11 UWG."