Aussage "Zusammenarbeit oder Abmahnung" ist rechtsmissbräuchlich

rote-karteDas OLG Hamburg hatte sich mit einem besonders dreisten Fall einer Abmahnung zu beschäftigen: die Antragsstellerin drohte der Antragsgegnerin mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, wenn diese nicht in geschäftliche Verbindung treten wolle. Das Gericht hielt eine danach erfolgte Abmahnung für rechtsmissbräuchlich.

Lesen Sie mehr über dieses Urteil in einem Gastbeitrag von RA Sascha Faber.

Über einen etwas anderen Fall der rechtsmissbräuchlichen Abmahnung hatte jüngst das Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil vom 7. Juli 2010, Az.: 5 U 16/10) entschieden. In diesem Fall wollte die Antragstellerin die Androhung mit einer Abmahnung nutzen, um mit der abgemahnten Antragsgegnerin ins Geschäft zu kommen.

Sollte man sich jedoch gegen die vorgeschlagene zukünftige „Zusammenarbeit“ entscheiden, werde man wohl das Mittel der Abmahnung wählen müssen.
Dieses Vorgehen hatte das LG Hamburg in erster Instanz noch als unbedenklich erachtet, das OLG hingegen sah hier durchaus ein rechtsmissbräuchliches Verhalten und hob das erstinstanzliche Urteil deshalb folgerichtig wieder auf.

Für uns oder gegen uns

Im Vorfeld ihrer Abmahnung hatte die Antragstellerin einen Testkauf bei der Antragsgegnerin durchführen lassen und festgestellt, dass eine sich auf der Verpackung des Produktes befindliche Aussage falsch und damit irreführend sei. Im Anschluss daran, wurde von der Antragstellerin eine Email mit folgendem Inhalt geschickt:

"Es gibt jetzt 2 Möglichkeiten, wie wir weiter miteinander verfahren:
1. Abmahnung durch Rechtsanwalt mit entsprechenden Kosten, Rücknahme der Produkte aus dem Markt und viel Ärger in der Kundschaft oder
2. Sie beenden die Zusammenarbeit mit Ihrem heutigen Lieferanten (dessen Name mich sehr interessieren würde) und setzen unsere XXXXX ein."

Nach Vorstellung dieser Alternativen wurden noch die Vorzüge der Produkte der Antragstellerin angepriesen.

Hier kam es nun zu der Abmahnung der Antragstellerin. Eine Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben. Die daraufhin von der Antragstellerin beantragte einstweilige Verfügung hat das LG Hamburg (312 O 566/09) erlassen. Auf Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG Hamburg daraufhin die Beschlussverfügung bestätigt, das Hanseatische Oberlandesgericht diese jedoch aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen.

Begleitumstände sprechen für Rechtsmissbrauch

Zwar hat auch das OLG festgestellt, dass es sich hier um „keinen der üblichen „klassischen Fälle des Rechtsmissbrauchs“ handele, die „Geltendmachung des Unterlassungsanspruches, nämlich die Begleitumstände des vorprozessualen oder prozessualen Vorgehens“ lassen jedoch eine rechtsmissbräuchliche Verfolgung gemäß § 8 Abs. 4 UWG erkennen.

"Der Wortlaut der e-Mail der Antragstellerin vom 3.8.2009 ist unmissverständlich. Die Antragstellerin versucht, die Antragsgegnerin von ihrem Lieferanten ab[zu]bringen und ihr eine Geschäftsbeziehung mit ihr selbst aufzuzwingen, und droht zu diesem Zweck mit unangenehmen und kostspieligen Folgen eines Abmahnverfahrens. Auch die Antragstellerin nimmt nicht in Abrede, dass dies die Zielrichtung dieses Schreibens war. ...

Ein Anspruch wird aber auch dann missbräuchlich geltend gemacht, wenn der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich die Anspruchsberechtigung „abkaufen“ zu lassen (Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., § 8 UWG Rz.4.23). Es stellt nämlich eine sachfremde Erwägung dar, wenn ein Anspruchsberechtigter seinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch als Mittel einsetzt, um sich oder einen Dritten erhebliche Gelder zu verschaffen. Dazu ist ihm die Klagebefugnis nicht eingeräumt worden."

Die Antragstellerin hat jedoch gerade aus der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsberechtigung heraus versucht, den behaupteten Verstoß zu nutzen, um selbst die Antragsgegnerin beliefern zu dürfen. Die vom Gericht heran gezogenen Begleitumstände, die auch in diesem ungewöhnlichen Fall auf eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung schließen lassen, enden jedoch nicht mit der Androhung der Abmahnung.

"Hinzu kommt, dass die Antragstellerin in der fraglichen e-mail der Antragsgegnerin neben einer kostspieligen Abmahnung noch weitere „Übel“ in Aussicht stellt, wenn diese sich nicht für eine Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin entscheidet. Denn die Antragstellerin stellt dort eine „Rücknahme der Produkte aus dem Markt und viel Ärger in der Kundschaft“ in den Raum. Dies sind aber gerade keine zwingenden Folgen der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches nach § 8 UWG, vielmehr dient dieses Szenario ersichtlich alleine dem Zweck, den Druck auf die Antragstellerin zu erhöhen, um sie so in eine Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin zu zwingen."

Rechtsverfolgung allein zum eigenen geschäftlichen Vorteil

Für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung eines Anspruches gemäß § 8 Abs. 4 UWG komme es nicht darauf an, ob der wettbewerbsrechtliche Vorwurf begründet ist oder nicht. Auch könne es nach Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichtes durchaus auch nicht einzig darauf ankommen, ob der grundsätzlich Anspruchsberechtigte (Antragstellerin) die Antragsgegnerin durch „Geltendmachung des Unterlassungsanspruches vornehmlich in deren Wettbewerb behindern will“.

Hier hatte die Antragstellern im Verfahren vergeblich versucht darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin doch nun einmal irreführende Angaben auf ihrer Verpackung gemacht habe und eine Berufung auf den Rechtsmissbrauch sei ihr unter Berücksichtigung des „unclean hands“ Einwandes deshalb verwehrt.

Auch sei doch durch beide der von der Antragstellerin angebotenen Handlungsalternativen sicher gestellt, dass die Verletzung beendet werde und die Allgemeinheit so vor weiterer Irreführung bewahrt werde.

Keine Forderung einer Unterlassungserklärung

Diesen Einwand hat das OLG, im Gegensatz zum LG Hamburg, nicht gelten lassen. Zwar hätte ein Eingehen der Antragsgegnerin auf den Vorschlag der Antragsstellerin in der Tat zur Folge gehabt, dass die angegriffenen Wettbewerbsverstöße nicht mehr begangen werden können.

Die Antragstellerin hat jedoch im Falle der angekündigten künftigen Zusammenarbeit nicht die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gefordert und somit auch in Kauf genommen, dass die betreffende Werbeaussage noch weiter verwendet wird. Daran ließe sich gut erkennen, dass es der Antragstellerin gerade nicht in erster Linie um einen Schutz der Allgemeinheit, sondern allein um den eigenen geschäftlichen Vorteil gegangen sei.

Auch Verfügungsverfahren durch vorprozessuales Verhalten betroffen

Schließlich hat sich die Antragstellerin noch darauf berufen, dass im betreffenden Verfügungsverfahren die außergerichtlich vorgenommene Erzwingung eines Geschäftsschlusses nicht von Belang sei, da die Antragsgegnerin bereits außergerichtlich nicht auf das Angebot eingegangen ist. Vielmehr, so die Antragsstellerin, geht es ihr nunmehr nur noch um eine Untersagung der inkriminierten Aussage. Dies hat das Gericht jedoch nicht gelten lassen und sah eine Auswirkung des einmal missbräuchlichen Verhaltens auch auf die anschließende prozessuale Geltendmachung.

"Der Missbrauch im Vorfeld der Verfahrenseinleitung schlägt aber auf den nachfolgenden Prozess durch; durch ihr Verhalten hat sich die Antragstellerin für die Verfolgung des hier in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes ein für allemal diskreditiert."

Ein konkreter Fall kann für die Annahme eines Rechtsmissbrauches genügen

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat bestätigt, dass die Annahme sachfremder Interessen und damit einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung über die klassischen Fälle wie z.B. bei massenhaftem Abmahnen, bzw. einem Gebührenerzielungsinteresse hinaus gehen kann. Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung muss anhand des Einzelfalles bestimmt und kann deshalb auch nur für den konkreten Fall angenommen werden, ohne das gesamte Abmahnverhalten der Partei in Art und Umfang näher betrachten zu müssen.

Die Hauptsacheklage beim LG Hamburg hat die Antragsstellerin und Klägerin nach dem Urteil des OLG im einstweiligen Verfügungsverfahren nunmehr zurückgenommen.

Über den Autor

ra_faberSascha Faber, LL.M. Medienrecht

Sascha Faber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Volke2.0.

29.09.10
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