Gerichte stoppen erneut rechtsmissbräuchliche Abmahnungen

RückschlagDie Abmahnung ist an sich ein legitimes Mittel, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Leider wird dieses Instrument immer wieder von Händlern und ihren Anwälten dafür missbraucht, um Gebühren geltend machen zu können. Von den Landgerichten in Leipzig und Gera wurde nun ein weiterer Massenabmahner gestoppt.

Lesen Sie mehr über diese Urteile.

In allen vier Verfahren ließ ein Autoersatzteile-Händler aus Zwickau Mitbewerber durch den gleichen Anwalt kostenpflichtig ab.

Reine Vertriebsgesellschaft

Die Klägerin war eine reine Vertriebsgesellschaft, welche in Ihrer Bilanz im Jahr 2008 gerade mal einen Jahresüberschuss von ca. 3.500 Euro auswies. Diese Gesellschaft vertrieb die Autoersatzteile über das Internet, selbst besaß sie aber diese Teile nicht. Vielmehr kaufte die GmbH diese Teile bei einer weiteren GmbH. Beide GmbHs haben den gleichen Geschäftsführer.

Einen nennenswerten Gewinn aus dem Einkauf und Weiterverkauf erzielte die Vertriebs-GmbH nicht. Dies führte dazu, dass der wirtschaftliche Erfolg der Klägerin bei der "Einkaufs-GmbH" eintritt und die Klägerin das wirtschaftliche Risiko trägt.

Abmahnwelle beim LG Leipzig

Im Zeitraum Juni 2009 bis Februar 2010 mahnte eben diese wirtschaftlich erfolglose GmbH zahlreiche Mitbewerber ab. Allein beim Landgericht Leipzig beantragte sie 63 einstweilige Verfügungen. Standardmäßig legte der abmahnende Anwalt einen Streitwert von 20.000 Euro zugrunde, teilweise aber auch 30.000 Euro. Nachdem das LG Leipzig in einigen Verfahren niedrigere Streitwerte ansetzte, folgte der Abmahner und legte teilweise Werte von 15.000 Euro zugrunde. Allerdings auch weit überzogene von 36.000 Euro oder 45.000 Euro.

Das LG Leipzig sah in zwei Urteilen vom 21.05.2010 (Az: 01HK O 605/10 und 01HK O 631/10) den Rechtsmissbrauch aufgrund einer Gesamtbetrachtung der folgenden Kriterien für gegeben an:

  • "Abmahnwelle im Zeitraum Juni 2009 bis Februar 2010, wobei das Gericht von weit über 65 Abmahnungen seitens der Klägerin ausgeht, da neben den Abmahnungen, die in 63 Fällen beim Landgericht Leipzig streitgegenständlich gemacht wurden, in diesem Zeitraum weit mehr Abmahnungen erfolgt sein dürften, auf die dann eine Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten erfolgte;
  • kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse der Klägerin an der Befolgung der Abmahnungen, da die Umstellung der von der Klägerin jeweils gerügten Widerrufsbelehrungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Mitbewerber der Klägerin keine nennenswerte Voreile im Wettbewerb bringt. Die Wettbewerbsverstöße seitens der Mitbewerber behindern nicht, jedenfalls nicht feststellbar, den Vertrieb seitens der Klägerin, dies bei Beachtung, dass im Internet mehrere Tausend Anbieter Autoersatzteile vertreiben;
  • die Angabe überhöhter Gegenstandswerte für die Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten;
  • Missverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin und dem Umfang ihrer Abmahntätigkeit. Das Umsatzvolumen der Klägerin ist hierbei nicht maßgebend. Maßgebend ist vielmehr der Umstand, dass die Klägerin als reine Vertriebsgesellschaft als Vielfachabmahner auftritt, ohne über ihren Umsatz einen nennenswerten Gewinn zu erzielen. Eine Gewinnerzielung ist auch nicht von der Klägerin beabsichtigt, da sie die von ihr vertriebenen Waren von der XY GmbH bezieht, die sie von dieser anscheinend zu annähernd den Verkaufspreisen einkauft. Die Gewinnerzielung aus dem Verkaufsgeschäft der Klägerin ist auf die XY GmbH oder auf ein dahinter stehendes Unternehmen verlagert;
  • die Art und Weise der Organisation des Vertriebsgeschäftes der abmahnenden Klägerin, die dazu führt, dass der wirtschaftliche Erfolg der Vertriebstätigkeit der Klägerin bei der XY GmbH eintritt und die Klägerin das wirtschaftliche Risiko trägt, was für die Klägerin wegen der außergerichtlichen und gerichtlichen Abmahn- und Rechtsverfolgungskosten eine potentielle Existenzgefährdung begründet;
  • das für die abgemahnten Mitbewerber bestehende wirtschaftliche Risiko, die bei ihnen aufgrund unberechtigter, insbesondere rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen angefallenen Kosten von der Klägerin erstattet zu erhalten, da die Klägerin über kein Vermögen verfügt, in welches eine Vollstreckung Erfolg versprechen würde."

Gerichtswechsel

Das Landgericht Leipzig wies den Antragssteller wohl in mehreren Verfahren darauf hin, dass sein Verhalten rechtsmissbräuchlich sei, wechselte dieser kurzerhand den Gerichtsort und führte weitere Verfahren beim Landgericht Gera:

"Nachdem in dem beim Landgericht Leipzig anhängigen Verfahren die Klägerin darauf hingewiesen worden war, dass ihre Abmahntätigkeit als rechtsmissbräuchlich beurteilt werden könnte, machte die Klägerin ihre Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen vergleichbarer Wettbewerbsverstöße beim Landgericht Gera anhängig."

Abmahnwelle beim LG Gera

Aber auch dieses Gericht war gut auf den Antragsteller vorbereitet und wies seine Anträge wegen Rechtsmissbrauchs zurück. Bei dem Gericht machte das Abmahnduo zwischen dem 05.03. und 01.04.2010 mindestens weitere 12 Verfahren anhängig. In dem Verfahren 2 HK O 79/10 vor dem LG Gera (Urteil v. 24.06.2010) gab der Abmahner noch zu, dass er sogar noch weitere 26 Abmahnungen ausgesprochen habe, ohne dass es zu Verfahren gekommen wäre. Er begründete dies mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, die er vor einiger Zeit erhielt.

"Die Antragsstellerin behauptet, im Jahr 2009 einen Jahresumsatz von 2,3 Millionen gemacht zu haben. Sie selbst sei vor einiger Zeit wegen ähnlicher Verstöße in Ihrem Internetauftritt abgemahnt worden. Daraufhin habe sie sich mit der Problematik näher befasst und festgestellt, dass viele Auftritte ihrer Wettbewerber nicht gesetzeskonform seien."

Der Abmahner verteidigte sich gegen den Vorwurf des Gebührenerzielungsinteresses damit, dass er gerade Gerichte gewählt hätte, die für niedrige Streitwerte bekannt seien:

"Die Rechtsverfolgung erfolge auch nicht im Gebühreninteresse, da in den Landgerichtsbezirken Leipzig und Gera im Regelfall der Gebührenstreitwert niedrig angesetzt werde."

Das mag zwar richtig sein, allerdings erzielt man auch bei niedrigen Streitwerten bei über 75 Verfahren ganz ordentliche Gebühren.

Das LG Gera (29.04.2010, 1 HK O 62/10) wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenfalls zurück, da diese rechtsmissbräuchlich gestellt wurde.

"Maßgebend für diese Beurteilung ist das kumulative Vorliegen der vorliegenden Umstände, die in einer Gesamtschau darauf schließen lassen, dass es der Verfügungsklägerin nicht in erster Linie darauf ankommt, die Wettbewerbsverletzung ihrer Mitbewerber im Interesse eines fairen Wettbewerbes zu unterbinden. [...]

Die Kumulation der Verdachtsindizien, die der Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht hat, insbesondere die Anzahl der Abmahnungen, die Art des Geschäftes des Verfügungsklägerin, die komplexe Gebührenvereinbarung zwischen der Verfügungsklägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten, die Wahl des fliegenden Gerichtsstandes, die Vernachlässigung des Ladengeschäftes, die Bilanzzahlen und das Auftreten von Fehlern bei der Abmahnung einzelner Mitbewerber ist jedoch ausreichend um die Vermutung der Prozessführungsbefugnis zu erschüttern."

Abmahnanwalt kommt durcheinander

In dem Verfahren in Gera (2 HK O 79/10) kam der Abmahnanwalt offensichtlich auch mit den unterschiedlichen Abmahnungen durcheinander.

"Aufgefallen ist dagegen, dass die Antragstellerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter nicht in jedem Fall in der Lage war, verfahrens- und gerichtsbezogen vorzutragen. Einigen Darlegungen und Argumenten fehlte im konkreten Verfahren der Anlass. Dies mag al Anzeichen einer Überforderung aufgrund einer zu großen Verfahrensanzahl gesehen werden."

Auch verwechselte der Anwalt eine Abmahnungen und schickte falsche vorformulierte Unterlassungserklärungen mit. So machte einer der Abmahnopfer glaubhaft,

dass die Verfügungsklägerin Bewerber abmahne und dem Abmahnschreiben strafbewehrte Unterlassungserklärungen für andere Mitbewerber beilagen.

Das Duo mahnt weiter ab

Normalerweise sollte man davon ausgehen, dass ein solches Abmahnduo nach mindestens vier Rechtsmissbrauchs-Urteilen sich zumindest eine Zeit lang etwas zurückhält. Nicht jedoch der Abmahner und sein Anwalt aus Zwickau. Nach unseren Informationen sind allein am 20.08.2010 zwei weitere Abmahnungen bei der Kanzlei Weiß & Partner aus Esslingen, welche die hier besprochenen Urteile erstritten hat, eingegangen.

Urteile noch nicht rechtskräftig

Der Abmahner hat gegen diese vier Urteile Berufung eingelegt, sodass sich als nächstes das OLG Dresden und das OLG Jena mit dem Fall beschäftigen dürfen. Einen ausführlichen Bericht über das Abmahnverhalten erhalten Sie auch auf der Homepage der Kanzlei Weiß & Partner.

Wir möchten uns an dieser Stelle auch bei RA Weiß für die Übersendung der Urteile bedanken.

Lesen Sie hier weitere berüchtigte Abmahnfälle:

24.09.10