Es gibt eine neue Gefahr für deutsche Händler, jedenfalls wenn sie einen ausländischen Shop betreiben, aber grundsätzlich auch dann, wenn der deutsche Shop einen Auslandsbezug aufweist. Uns liegt nun eine Abmahnung der Wettbewerbszentrale vor, in welcher ein aus Deutschland betriebener, nur auf Frankreich ausgerichteter Shop mit deutschem Impressum, in Deutschland nach französischem Recht abgemahnt wurde. Was kaum jemand weiß – hierzu ist die Wettbewerbszentrale durchaus befugt!
Lesen Sie mehr in einem Gastbeitrag von RA Andreas Thieme.
Grundsätzlich kann ein deutscher Wettbewerber oder ein Verband nur einen Shop mit Sitz in oder Ausrichtung nach Deutschland abmahnen. Nicht so die Wettbewerbszentrale wenn es um die Verfolgung von Verstößen gegen europäische Verbraucherschutzvorschriften geht!
Ausgangspunkt ist eine kaum bekannte EU-Verordnung, die Verordnung (EG) 2006/2004 vom 27. Oktober 2004 oder in Langform: „Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden“.
Auf Grundlage dieser Verordnung wurde in Deutschland das EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz (VSchDG) geschaffen. Danach ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur Verfolgung innergemeinschaftlicher Verstöße gegen europäische Verbrauchschutzvorschriften zuständig. Dort wiederum hat man als zuständiges Organ die Wettbewerbszentrale bestimmt.
Diese darf aktiv werden, wenn hinsichtlich bestimmter Verbraucherschutzvorschriften ein „innergemeinschaftlicher Verstoß“ vorliegt. Welche das sind, ergibt sich aus § 2 VSchDG in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung, der konkrete Vorschriften aufzählt. Hierzu zählen etwa die EU-Richtlinien zur irreführenden Werbung, zu Fernabsatz- und Verbraucherkreditverträgen, über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen oder die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.
Um solche Verstöße zu verfolgen, soll zwischen den zuständigen Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten, ebenfalls geregelt durch die VO, ein reger Informationsaustausch stattfinden.
Ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift liegt nach der Definition der VO vor, bei jeder:
„Handlung oder Unterlassung, die gegen die in Buchstabe a) genannten Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern schädigt oder schädigen kann, die in einem anderen Mitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die Handlung oder die Unterlassung ihren Ursprung hatte oder stattfand, […]“
Wird also in Deutschland gegen europäisches Recht verstoßen, etwa eine gegen die europäischen „Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen“, wie es in der Verordnung heißt, rechtswidrige AGB-Klausel verwendet und besteht dadurch die Gefahr („ein begründeter Verdacht“), dass (auch) französische Verbraucher beeinträchtigt werden können, kann dies durch die Wettbewerbszentrale nach französischem Recht – dass ja die europäischen Verbraucherschutzgesetze umgesetzt haben muss – abgemahnt werden.
Hierzu kann sie von der entsprechend in Frankreich zuständigen Behörde aufgefordert werden. Selbst ein rein in französischer Sprache gehaltener Shop, der ausschließlich nach Frankreich liefert, aber ein deutsches Impressum hat, muss also nicht nur – wohl eher seltene – Abmahnungen in Frankreich fürchten, sondern auch aus Deutschland durch die Wettbewerbszentrale.
Die EU-Verordnung gibt den Behörden der Mitgliedstaaten zahlreiche Rechte an die Hand, um die Rechtsverstöße abzustellen. Allerdings wurden nicht all diese Rechte in Deutschland auf die Wettbewerbszentrale übertragen. Diese hat lediglich die Befugnis, eine Abmahnung auszusprechen und auf die Abstellung des Verstoßes hinzuwirken, also eine Unterlassungserklärung zu fordern.
Die Behörde - das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - dagegen hat noch das Recht,
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Wettbewerbszentrale hier in Zukunft von diesen Befugnissen Gebrauch machen wird. Händler, die nicht nur nach Deutschland liefern, müssen aber doppelt gewarnt sein. Das gilt vor allem, wenn aus dem vermeintlich „sicheren“ Deutschland ein ausländischer Shop betrieben wird. Aber auch alle anderen Händler, die ins europäische Ausland liefern, sind betroffen.
Verstoßen sie gegen europäische Verbraucherschutzvorschriften drohen nicht nur „deutsche Abmahnungen“ von Wettbewerbern und entsprechenden Vereinen und Verbänden, sondern auch nach ausländischem Recht kann eine Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale erfolgen.
Die Brisanz liegt dabei darin, dass zahlreiche der europäischen Verbraucherschutzvorschriften nur Rahmen vorgeben, die konkrete Umsetzung in nationales Recht aber den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die hier teilweise sehr unterschiedliche Regelungen getroffen haben. Beispielhaft genannt sei etwa ein Händler, der das Widerrufsrecht im Fernabsatz gegen das Rückgaberecht ersetzt hat und auch nach Österreich liefert. Ein Rückgaberecht gibt es dort nicht.
Andreas Thieme, LL.M.
Rechtsanwalt Andreas Thieme, LL.M. ist Rechtsanwalt in der Kanzlei WIENKE & BECKER – KÖLN. Neben dem Fernabsatz und Wettbewerbsrecht, berät er insbesondere auch in Fragen des Gewerblichen Rechtsschutzes, vor allem im Markenrecht.
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