iPhone, Blackberry und andere Smartphones werden immer beliebter. Diese Geräte machen auch das mobile Shopping möglich. Es gibt bereits zahlreiche sog. Shopping-Apps, also kleine Programme, über die der Verbraucher einkaufen kann. Das OLG Hamm urteilte, dass auch in diesen Programmen die Informationspflichten wie in einem normalen Online-Shop zu erfüllen sind.
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In dem Fall, welcher vor dem OLG Hamm (Urteil v. 20.05.2010 – I-4 U 225/09) verhandelt wurde, wurde eine Händlerin, die auf einer Internetplattform ihre Produkte anbot, abgemahnt.
Gegenstand der Abmahnung war jedoch nicht die Darstellung der Angebote auf der Internetseite der Plattform, sondern die Darstellung in der zugehörigen App für das iPhone bzw. den iPod Touch.
Fehlende Pflichtinformationen
Der Antragsteller berief sich dabei auf das Angebot von 10 kg “Kirschkerne I Premium-Qualität”.
“Bereits auf der Startseite bestand die Möglichkeit, in Bezug auf das angebotene Produkt durch einen Klick auf die Schaltfläche “Gebot abgeben/sofort kaufen” den Bestellprozess einzuleiten. Weder auf der Startseite noch im Laufe der Bestellung wurde auf das bestehende Widerrufsrecht hingewiesen. Auf der Startseite befand sich auch kein Hinweis auf das Impressum mit der Anbieterkennzeichnung. Das Impressum konnte nur durch einen Klick auf das nicht weiter erläuterte Symbol “>” aufgerufen werden. Im Angebot gab es auch keinen Hinweis darauf, ob in dem Preis Umsatzsteuer enthalten ist oder nicht.”
Auf die Abmahnung gab die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung ab. Der Antragsteller erwirkte eine einstweilige Verfügung beim LG Bochum (I-14 O 187/09).
Im Widerspruchsverfahren hat das LG Bochum die einstweilige Verfügung bestätigt, wogegen sich die Antragsgegnerin mit der Berufung an das OLG Hamm wandte.
Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
Die Antragsgegnerin meinte in dem Verfahren zunächst, dass der Antragsteller rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG handle. Diesen Vorwurf hat das OLG Hamm aber zurückgewiesen.
“Als Mitbewerber auf einem relativ kleinen Markt kann [der Antragsteller] ein berechtigtes Interesse an der Rechtsverfolgung haben, wenn er durch unlautere Wettbewerbshandlungen der Antragsgegnerin beeinträchtigt werden kann. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn wir hier Informationspflichten im Rahmen der Widerrufsbelehrung, der Preisangaben und der Anbieterkennzeichnung verletzt werden, die der Antragsteller selbst auch erfüllen muss. Das gilt umso mehr, als solche gesetzeswidrigen Angebote wegen der F-Vorgaben kaum zu beeinflussen sind und deshalb zu der wirtschaftlich erheblichen Maßnahme zwingen können, die Angebote bei F insgesamt zurückzuziehen.”
Motiv des Abmahners
Das Gericht stellte fest, dass das Motiv des Abmahners nicht die Erzielung von Gebühren war. Zwar mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin seit März 2008 11 mal wegen verschiedener Verstöße ab, es liegen aber noch keine massenhaften Abmahnungen vor.
Außerdem gab es zwischen dem Abmahner und der Abgemahnten eine Vereinbarung, dass gegenseitige Abmahnungen unter verzicht auf den Kostenerstattungsanspruch erfolgen.
“Wer durch Abmahnungen von Wettbewerbern Gebühren erzielen will, verzichtet in der Regel gerade nicht auf solche Kostenerstattungsansprüche. Er will sie vielmehr zusammen mit etwaigen Vertragsstrafen generieren. Die Art und Weise der Verfolgung gegenüber der Antragsgegnerin spricht somit weit eher gegen ein Gebührenerzielungsinteresse als dafür.”
Die Antragsgegnerin vermutete, dass der Antragsteller sich nur zum Zwecke der Überprüfung von Mitbewerber-Angeboten ein iPod angeschafft hatte. Diese Vermutung konnte die Antragsgegnerin aber nicht mit Fakten untermauern.
“Dagegen spricht, dass der Antragsteller nach den ihm zugegangenen Informationen schon im Eigeninteresse ein solches Gerät benötigte, um die Darstellung seiner eigenen Angebote dort überprüfen und gegebenenfalls die Angebote herausnehmen zu können.”
Verstöße gegen Informationspflichten
Nachdem das Gericht sehr ausführlich begründet hat, weshalb nicht von einem Rechtsmissbrauch auszugehen ist, stellte es fest, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Antragstellers besteht.
“Es liegt ein objektiv rechtswidriger Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG vor. Endverbrauchern wird auf die beanstandete Weise Ware der Antragsgegnerin angeboten, ohne dass die Verbraucher vor Einleitung des Bestellvorgangs über ihr gesetzliches Widerrufsrecht belehrt werden. Außerdem werden sie nicht klar und verständlich über den Anbieter informiert. Der unter einem insoweit nicht aussagekräftigen Zeichen mögliche Link auf das Impressum der Antragsgegnerin genügt nicht, wie das Landgericht schon zutreffend ausgeführt hat. Schließlich ist bei ihrer Preisangabe entgegen § 1 Abs. 2 PAngV auch nicht zu erkennen, dass in dem Preis die Umsatzsteuer enthalten ist.”
Haftung des Händlers
Das Gerichte stellte klar, dass der jeweilige Händler für das gesetzeswidrige Verhalten haftet, auch wenn er keine Kenntnis von der Darstellung der Angebote hat.
“Wird ein auf einer Handelsplattform eingestelltes Angebot vom Betreiber der Plattform automatisch für den Abruf durch mobile Endgeräte optimiert und kommt es beim mobilen Abruf dazu, dass Pflichtangaben wie das Bestehen des Widerrufsrechts oder die Anbieterkennzeichnung nicht mehr angezeigt werden, so haftet der Anbieter des Angebots wettbewerbsrechtlich, ohne dass es seinerseits auf ein eigenes Verschulden ankäme. Ein unlautere Zuwiderhandlung setzt nämlich allein ein objektiv rechtswidriges Verhalten voraus. Das ist hier das Anbieten von Ware an Endverbraucher ohne Erteilung der erforderlichen Informationen. Auf die Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden Umstände wie die Art der Darstellung komm es nicht (mehr) an. Die Haftung kann somit schon aus dem eigenen Handeln nämlich der Einstellung der Angebote bei F hergeleitet werden.”
Händlerin hätte Angebote entfernen müssen
Selbst wenn die Antragsgegnerin erst durch die Abmahnung auf die fehlerhafte Darstellung aufmerksam geworden war, hätte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nahe gelegen.
“Das auf den Apple Endgeräten in der beanstandeten Weise erfolgte Angebot von Kirschkernen konnte in Kenntnis der gesetzwidrigen Darstellung ohnehin nicht besehen bleiben. Die Antragsgegnerin hätte es – ohne wenn und aber – entfernen müssen, auch wenn sie dafür schadensrechtlich nicht haftbar gemacht werden könnte.”
Kein Bagatellverstoß
Das Gericht sah diese Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auch als spürbar i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG an:
“Bei einem solchen Verstoß gegen maßgebende Verbrauchervorschriften steht auch die Spürbarkeit der Beeinträchtigung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG nicht in Frage. Es ist gerade Sinn der Ausweitung der F-Angebote, dass auch die beliebten Apple-Endgeräte von Verbrauchern zum sofortigen Kauf benutzt werden. Diesen werden dann wesentliche Schutzrechte vorenthalten.”
Fazit
Bietet ein Shopbetreiber seine Produkte über Plattformen oder Seiten an, welche von Dritten programmiert und gepflegt werden, ist der jeweilige Händler dennoch wettbewerbsrechtlich für seine eigenen Angebote verantwortlich. Stellt man als Händler fest, dass man über bestimmte Drittanbieter nicht rechtskonform handeln kann, sollte man seine Produkte von solchen Plattformen entfernen, wenn man teure Abmahnungen vermeiden will. (mr)
Das heißt auf Deutsch: Jeder, der im Internet auch nur einen einzigen Artikel zum Verkauf anbietet, kann wegen fehlerhafter Darstellung von irgendjemandem, auf irgendeinem Gerät, egal ob man davon Kenntnis hat oder nicht, abgemahnt werden.
Man haftet also für etwas, was man selbst nicht will (Darstellung auf mobilen Endgeräten), von dem man keine Kenntnis hat, es nicht abstellen kann, und für das man jederzeit mit irgendeinem schlecht oder sogar zu diesem Zweck programmierten App abgemahnt wird.
Wenn das so ist, dann steht jeder Versandhändler in Deutschland mit einem Bein vor Gericht und mit dem anderen im finanziellen Ruin.
Ich musste den Artikel mehrmals lesen, weil es so unglaublich ist.
Noch was. Weiß jemand, ob es möglich ist, zu verhindern, dass eine Internetseite auf einem mobilen Endgerät überhaupt angezeigt wird? HTML Befehl oder irgendein Trick?
@Michael Vieten
Wenn Sie Ihre eigene Website betreiben, haben Sie es selbst in der Hand, ob die mobile Darstellung anders als die “normale” Darstellung ist. Denn nur, wenn Sie Ihre Website entsprechend programmieren, wird sie auf einem mobilen Endgerät anders dargestellt als im “normalen” Browser. Dann können Sie auch selbst entscheiden, ob Sie eine App programmieren, in welcher Sie Ihre Produkte anbieten. Insofern ist es dort auch in Ihrem Verantwortungsbereich, ob Sie ein Impressum, eine Widerrufsbelehrung etc. bereit halten. Diese Entscheidungsfreiheit haben Sie aber beim Handel über eine Plattform nicht.
Hallo Herr Vieten, zunächst dachte ich auch so, aber es geht nicht um die Darstellung Ihrer Seite auf einem mobile Endgerät, sondern um die Abgebote Ihres Produkte über Apps von Drittanbietern, wie z.B. eBay. Und daruf haben Sie ja Einfluß. Das heißt natürlich in der Konsequenz, dass Sie keine Produkte über Plattformen verkaufen dürfen, was natürlich nicht im Sinne einer konsequenten Marktpräsenz ist.
Ich habe das so verstanden, das die Beklagte sehr wohl alle erforderlichen Informationen anbot, diese aber von dem App nicht dargestellt wurden. Das bedeutet, dass ein Dritter bereitgestellte Informationen unterschlägt, und der Händler dafür verantwortlich gemacht wird.
Das ist nach meinem Rechtsempfinden falsch. Der Verursacher eines Schadens muss haften.
So aber kann der Plattformbetreiber darstellen was er will oder gerade noch kann, und niemand belangt ihn für die Folgen.
Solange sich das nicht ändert, sind Verkaufsplattformen auf Grund des juristischen Risikos uninteressant.
Sie können durchaus mit gewissen Erfolgsaussichten versuchen Ebay für den Schaden der Ihnen aus der Abmahnung entstanden ist, haftbar zu machen. Gerichtsstand dürfte Luxemburg sein.
Gleichwohl sind Sie definitiv gezwungen, die Angebote bei Ebay so lange zu entfernen, wie Ebay diesen Zustand auf seinen Apps aufrecht erhält. Und der daraus resultierende Schaden (Umsatzeinbussen) sind sicherlich nicht erstattungsfähig.
Verkaufsplattformen wie Ebay und Co. die jetzt zunehmend in den M-Commerce verstossen, sind natürlich problematisch.
Ebay ist 2008 das WAP-Portal um die Ohren gehauen worden, in 2009 ist denen die Iphone-App zerschossen worden. in 2010 hat Ebay die Ipad-App und die Blackberry-App herausgegeben. Wenn Sie eins der Endgeräte haben, dann können Sie ja mal gucken, ob die was dazu gelernt haben…
Ich biete im Moment nichts mehr bei Ebay an…
Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, diese Shopping-Apps zu überprüfen, ohne die jeweiligen Geräte zu haben?
und was macht die Mehrheit, bietet Ihr noch über ebay an oder lässt Ihr es bleiben? Ich würde mich mal tierisch freuen wenn alle Händler in Deutschland für 30 Tage nichts bei Ebay anbieten würden. Das wäre doch mal eine schöne Aktion.
Wer macht mit?
Warum wird der Post von Herrn Reiter nicht angezeigt?
Reicht ebays Arm schon so weit?
Wie, wenn nicht so wie es Herr Reiter vorgeschlagen hat, wollen Sie sonst die Verursacher zwingen, Verantwortung ür die juristischen Folgen für ihr Handeln zu übernehmen?
Bisher ist immer der Händler dran. Der aber hat überhaupt keinen Einfluss auf die technische Umsetzung bei ebay, Amazon und co. Mehr, als alle juristischen Forderungen zu erfüllen und die Daten zu hinterlegen, kann man nicht. Korrekt anzeigen muss es der Plattformbetreiber.
Ach, und Herr Reiter, ich wäre sofort dabei. So etwas muss aber sauber vorbereitet werden. Eine Online Petition wäre auch eine Möglichkeit.
Ich habe gestern Ebay angeschrieben, ob diese Apps für das Mobile-Shopping abmahnsicher sind. Bin mal gespannt, ob überhaupt und was geantwortet wird.
Vermutlich sähe das Äquivalent eines solchen Urteils auf Richterebene etwa so aus:
Wenn ein Richter eine Entscheidung fällt und dadurch unbeteiligte Dritte so starke Nachteile erleiden, dass diese sich zu Selbstjustiz gegen den Richter verleiten lassen, haftet der Richter selbst für sein Urteilsverhalten und dessen Folgen, selbst wenn er die Auswirkungen auf besagte Dritte nicht erahnen konnte, da allein der objektive Tatbestand, dass diese Dritten infolge seines Urteilens zu der Tat verleitet wurden, für die Haftung des Richters relevant ist.
Zum Glück weiß natürlich jeder, dass Selbstjustiz verboten ist und Richter eh für nichts haften; oder so ähnlich.
“Sie bürden den Menschen schwere Lasten auf, die sie aber selbst nicht anrühren wollen.”
Nicht alles was hinkt ist sofort ein Vergleich…
Ist nicht schon die Ãœberschrift “Händler haftet für Fehler in der Shopping-App” falsch gewählt?
Haftet letztendlich nicht auch der Anbieter der Shopping-App gegen über dem Händler für den entstandenen Schaden? Kann der Händler nicht den Anbieter der Shopping-App hier in Regress nehmen?
Vielleicht können die Juristen mal zu dieser Frage Stellung nehmen…
@Warning
Zunächst haftet der Händler selbst auf Unterlassung. Diese Pflicht zur Unterlassung kann der Händler nicht an den Anbieter “weiterreichen”. Und nicht die Anwaltskosten zur Verteidigung gegen eine Abmahnung sind ja das eigentliche Problem von Abmahnungen, sondern die Folgen (Verwirkung der Vertragsstrafe oder die Anordnung gerichtlicher Ordnungsmittel).
Ob aber der Anbieter der Plattform für z.B. finanzielle Schäden aufkommen muss, ist eine interessante Frage.
Zum einen kann man anbringen, dass der Anbieter für die fehlerhafte Darstellung letztlich verantwortlich ist, weil er die Felder oder Links bei der Programmierung vergessen hat. Allerdings kann dagegen eingewendet werden, dass der Händler sich freiwillig für den Handel über die Plattform entschieden hat und hätte kontrollieren können, ob ein rechtskonformes Anbieten der Waren auf dieser Plattform (in den verschiedenen Darstellungsvarianten) möglich ist. Unterlässt er diese Kontrolle oder entscheidet sich vielleicht sogar wider besseren Wissens für den Handel über die Plattform, ist eine Haftung des Anbieters wohl ausgeschlossen.
Was den Kauf von Produkten über Apps angeht sind wir nun zumindest etwas schlauer. Aber der App-Kauf selbst in noch immer ein rechtsleerer Raum?
Hier wird ebenfalls ohne Widerrufsrecht und ohne weitere Informationen ein Produkt (nämlich die App) auf dem deutschen Markt zum Kauf angeboten. Mit nur einem Klick auf den “Kaufen” Button ist das Produkt erworben.
Die Apps sind oft schlecht beschrieben und in manchen Fällen sogar fehlerhaft. Eine Rückgabe ist im Android Markt innerhalb von 48 Std., bei Apple gar nicht möglich. Diese Praxis wird derzeit von allen scheinbar akzeptiert…
Wenn die App eingesetzt wird, um damit gewerblichen Handel zu treiben, liegt beim Kauf derselben ein B2B-Geschäft vor, für das das Widerrufsrecht für Verbrauchergeschäfte natürlich nicht gilt. Softwarekauf ist aber kein “rechtsfreier Raum”, sondern es gilt (internationales) Kauf- und Handelsrecht. Dass die Rechtsdurchsetzung bei grenzüberschreitenden Geschäften schwieriger ist, ist auch kein spezifisches App-Problem.
Hallo,
ich, bereits abgemahnter onlinehändler finde es zum kotzen dass es in Deutschland für Abmahnabzocker so einfach ist, einem das hartverdiente Geld aus der Tasche zu ziehen. Denn nicht jeder Händler wird steinreich. Natürlich gibt es immer schwarze Schafe aber die Masse der onlineanbieter geht nicht bewusst hin um den Endverbraucher zu betrügen oder zu täuschen, sowie es aus diesen Urteilen hervorgeht. Wenn der Gesetzgeber nicht in der Lage ist dies zu unterbinden, ist das einfach nur lächerlich, siehe mal wieder dieses Beispiel, oder eines der vielen anderen.
Gruß an alle gleichgesinnten
Joachim