Benutzte Kosmetika sind nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen

Dem Verbraucher steht bei Fernabsatzverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Aber es gibt auch Ausnahmen davon, die im Gesetz geregelt sind. Leider sind die Formulierungen im Gesetz nicht eindeutig, sodass es immer wieder zu Abmahnungen kommt. Das OLG Köln entschied nun, dass benutzte Kosmetika nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden können.

Vor dem OLG Köln (Beschluss v. 27.04.2010 - 6 W 43/10; abrufbar bei MIR) ging es um die Verwendung der folgenden Klausel im Rahmen der Information zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht für Verbraucher:

"Kosmetik kann nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden."

Das LG Aachen erließ in diesem Punkt keine Verbotsverfügung, wogegen sich die Antragsstellerin mit der sofortigen Beschwerde wehrt.

Beschwerde hat Erfolg

Die Antragsstellerin hat, so das OLG Köln, gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch wegen einer falschen oder unzureichenden Belehrung der Verbraucher über ihr Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312d, 355 BGB.

"Die beanstandete Aussage, dass Kosmetik nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden könne, genügt den von Unternehmen zu beachtenden Anforderungen an eine fehlerfreie Belehrung nicht und ist geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen."

Gericht kritisiert Gesetzgeber

Das Gericht sieht den von der Antragsgegnerin vorgenommenen Ausschluss in Zusammenhang mit einem vorher stehendem Satz, der den Gesetzeswortlaut aus § 312d Abs. 4 Nr. 1

"auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können."

wiederholt, hält genau diesen aber für misslungen.

"Der Versuch einer Konkretisierung des auf Art. 6 Abs. 3 Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG beruhenden Ausnahmetatbestandes, dessen wenig präzise Formulierung verbreitet Lobbyeinflüssen zugeschrieben wird, muss indessen als misslungen angesehen werden."

Verbraucher wird irregeführt

Aus der Formulierung der Antragsgegnerin könne der Verbraucher nach Ansicht des Gerichts nicht erkennen, ab wann bei Kosmetikprodukten (z.B. Antifaltencremes in Tuben) sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll, so das Gericht.

"Dass er den noch in der Tube befindlichen und insofern "unbenutzten" Teil des Creme in jedem Fall soll zurückgeben dürfen, liegt allerdings fern. Ob jedoch erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. [...]

Ob ein Ausschluss der Rücknahme "angebrochener Kosmetika" sprachlich transparenter wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden."

Bloßes Öffnen der Verpackung

Das Gericht entschied, dass das bloße Öffnen der Primärverpackung (Tube, Dose, Flasche) oder andere Benutzungshandlungen, wie sie der beanstandeten Klausel mangels näherer Anhaltspunkte entnommen werden müssen, gehe über die mit § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzte Regelung der Fernabsatzrichtlinie hinaus.

"Die Ausnahmevorschrift darf nicht in ein allgemeines Kriterium der Unzumutbarkeit des Widerrufs wegen erheblicher Verschlechterung der zurückgesandten Waren für den Unternehmer umgedeutet werden, dem im Fernabsatz grundsätzlich das für ihn in der Regel mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Rücknahmerisiko zugewiesen ist.

Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der sich für den Verbraucher aus der fehlenden Möglichkeit ergibt, das Produkt vor Abschluss des Vertrages unmittelbar zu sehen und zu prüfen."

Wertersatzpflicht?

Der Senat sieht auch eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers nur unter bestimmten Umständen als gegeben an, wenn er die Kosmetika benutzt hat.

"Damit sind nationale Regelungen ausgeschlossen, nach denen der Verbraucher für eine Benutzung angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, so dass die richtlinienkonform ausgelegte Vorschrift des § 357 Abs. 3 BGB eingreift, sofern die "Benutzung" der gelieferten Kosmetikartikel über den in Ladengeschäften möglichen und geduldeten Gebrauch solcher Waren hinausgeht - wobei offen bleiben kann, ob dazu bereits das Öffnen der Primärverpackung gehört, wenn der Verbraucher sich mangels anderer Prüfmöglichkeiten (Testprodukt im Ladengeschäft) sonst keinen unmittelbaren Eindruck vom Duft oder von der Hautverträglichkeit des Kosmetikums verschaffen kann."

Der generelle Ausschluss von benutzten Kosmetika würde nach Ansicht des Senats die Effektivität des Widerrufsrechtes in Frage stellen und das Risiko eines Gebrauchs oder (teilweisen) Verbrauchs der Ware entgegen der gesetzlichen Wertung, die für solche Fälle gerade den Wertersatzanspruch vorsieht und so die Möglichkeit des Widerrufs gedanklich voraussetzt, auf den Verbraucher verlagern.

Das LG Wuppertal (Urteil v. 22.8.2006, 14 O 87/06) entschied, dass mit Öffnen der Verpackung eines Kosmetikproduktes dessen Verbrauch beginne, sodass bei angebrochenen Kosmetika stets 100% Wertersatz verlangt werden könnten.

Markt für gebrauchte Gesichtscreme

Gesichtscremes fallen auch nicht unter die Ausnahme "schnell verderblich".

"Dieser Ausnahmetatbestand kann zwar bei Lebensmitteln, Schnittblumen, Arzneimitteln und auch bei Kosmetikartikeln eingreifen; maßgeblich ist jedoch die objektive Verderblichkeit und eine darauf beruhende Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Ware, die etwa bei Arzneimitteln nicht einheitlich bewertet wird und auch bei Kosmetika nicht ohne weiteres anzunehmen ist; keineswegs kann es für den Widerrufsausschluss genügen, dass der Verkäufer nach dem Öffnen der Verpackung durch den Verbraucher Gefahr läuft, auf der zurückgegebenen Ware "sitzen zu bleiben"."

Die Antragsstellerin hatte im Prozess auch deutlich gemacht, dass es einen "Markt für gebrauchte Gesichtscremes" gibt und dies durch Vorlage entsprechender Angebote glaubhaft gemacht.

"Zudem hat die Antragsstellerin dargelegt und durch Angebote weiterer Internethändler glaubhaft gemacht, dass durchaus ein Markt für "gebrauchte" Gesichtscreme existiert; dass dies auch für andere Kosmetikartikel zumal des Hochpreissektors gilt, ist den in Wettbewerbssachen erfahrenen Mitgliedern des Senates bekannt und wird für die vom Verkehr akzeptieren Parfüm-Tester sogar von Autoren eingeräumt, die das Widerrufsrecht bei angebrochenen Kosmetika weitgehend beschränken wollen."

Fazit

Diese Entscheidung des OLG Köln macht wieder einmal deutlich, dass man keine eigenständigen Erweiterungen der Ausnahmen vom Widerrufsrecht vornehmen sollte, da sonst Abmahnungen drohen.

Ob ein Verbraucher aber besser informiert ist, wenn der Händler schreibt, dass Waren, "die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet sind", vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind, soll offen bleiben. Auch die Frage, ob ein Verbraucher tatsächlich nicht weiß - wie vom Senat unterstellt - was "benutzte Kosmetika" sind, muss jeder für sich beantworten. (mr)

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16.07.10