BGH: Händler muss dem Verbraucher die Hinsendekosten erstatten

bghIm April dieses Jahres entschied der EuGH auf eine Vorlagefrage des BGH, dass dem Verbraucher bei Ausübung des Widerrufsrechtes die Kosten der Hinsendung zu erstatten sind. Heute fällte der Bundesgerichtshof sein Urteil in dieser Frage. Da das Urteil des EuGH bindend ist, entschied der BGH ebenfalls, dass der Verbraucher die Hinsendekosten nicht tragen muss.

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Im Ausgangsfall ging es um eine Klausel eines Versandhändlers, mit der er dem Verbraucher die Kosten der Hinsendung in Höhe von 4,95 Euro vom Erstattungsbetrag abziehen würde, wenn dieser von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht. Dagegen klagte die Verbraucherzentrale NRW. Das LG Karlsruhe (Urteil v. 19.12.2005 - 10 O 794/05) und das OLG Karlsruhe (Urteil vom 5. September 2007, AZ 15 U 226/06) gaben der Klägerin jeweils Recht.

Der BGH setzte das Revisionsverfahren (Beschluss v. 01.10.2008 - VIII ZR 268/07) aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

"Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat?"

Schlussantrag des Generalanwaltes

Der Generalanwalt beim EuGH Paolo Mengozzi hatte in seinem Schlussantrag v. 28.01.2009 dafür plädiert, dass der Verbraucher die Hinsendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechtes nicht tragen muss, sondern dass ihm diese zu erstatten sind.

Antwort des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (Urteil v. 15.04.2010, Rs. C-511/08) antwortete auf diese Frage, dass dem Verbraucher sämtliche geleisteten Zahlungen zu erstatten sein:

"Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt."

Entscheidung des BGH

Da diese Auslegung des EuGH für die nationalen Gerichte bindend ist, entschied heute (07.07.2010) der BGH ebenfalls, dass der Verbraucher nicht mit den Hinsendekosten belastet werden darf, wenn er sein Widerrufsrecht ausübt.

Die Pressemitteilung Nr. 139/2010 des BGH dazu lautet:

"Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten darf, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht.

Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Sie stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € pro Bestellung in Rechnung. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Erhebung solcher Kosten nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts bei Fernabsatzgeschäften in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Die Revision des Versandhandelsunternehmens hatte keinen Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des BGH hatte das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat (Beschluss vom 1. Oktober 2008, Pressemitteilung Nr. 184/2008). Dies hat der EuGH bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass mit Artikel 6 der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - Rs. C-511/08, NJW 2010, 1941).

Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH ist § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312d, 357 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es Verkäufern von Waren im Fernabsatzgeschäft – wie der Beklagten im entschiedenen Fall – verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen."

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07.07.10