Neben Newslettern nutzen einige Online-Händler auch das Telefon für Marketing-Zwecke. Hat der Verbraucher jedoch nicht ausdrücklich seine Einwilligung in Werbe-Anrufe erteilt, handelt der Unternehmer wettbewerbswidrig. Nachdem das LG Berlin lediglich einen Streitwert von 5.000 Euro für unerbetene Telefonwerbung ansetzte, entschied das KG Berlin, dass in diesem Fall 30.000 Euro angemessen sind.
Lesen Sie hier mehr über die Gründe.
In einem Verfahren des LG Berlin (Beschluss v. 23.11.2009 - 101 O 92/09) wurde einem Händler unerbetene Telefonwerbung untersagt. Darüber hinaus wurde ihm untersagt, im Fernabsatz Waren zu verkaufen, ohne dabei über das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht zu belehren.
Das Landgericht setzte den Streitwert in diesem Verfahren auf je 5.000 Euro pro Verstoß fest, also auf insgesamt 10.000 Euro. Hiergegen legte die klagende Verbraucherzentrale Beschwerde ein und wollte mit dieser die Heraufsetzung des Streitwertes auf je 30.000 Euro pro Verstoß, also insgesamt auf 60.000 Euro erreichen.
Grundsätzlich legt ein Gericht den Streitwert nach freiem Ermessen fest. Das Kammergericht Berlin (Beschluss v. 09.04.2010 - 5 W 3/10) führt in seiner Entscheidung Orientierungspunkte auf, welche der Schätzung zu Grunde zu legen sind:
"Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung von Lauterkeitsrechtsverletzungen gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher anhand des drohenden Schadens bestimmt. Dabei sind u. a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, insbesondere durch die bereits begangene Verletzungshandlung) und die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen."
Als gewichtiges Indiz sieht das KG den angegebenen Streitwert in der Klage- bzw. Antragsschrift an, da diese "grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits" sei. Eine Ausnahme bei der Zugrundelegung dieser angegebenen Streitwerte gelte aber dann, wenn sich aus den Umständen des jeweiligen Falles eine Fehlerhaftigkeit der in der Klageschrift genannten Angabe ergibt.
Das Gericht entschied, dass in einem Fall, in dem die Klägerin eine Verbraucherzentrale ist, welche satzungsmäßig die Verbraucherinteressen wahrnimmt, der Streitwert wesentlich höher sein kann, als bei einer Klage eines Mitbewerbers.
Daher entschied das Gericht, dass der vom LG Berlin festgesetzte Streitwert von 5.000 Euro für unerbetene Telefonwerbung zu niedrig sei.
"Nach Maßgabe vorstehender Grundsätze erweist sich der vom Landgericht wegen der unerbetenen Telefonwerbung festgesetzte Wert von 5.000 € unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falls als deutlich untersetzt, und rückt diese Verletzung wertmäßig zu Unrecht in die Nähe des Bagatellbereichs."
Das Gericht begründet diese Entscheidung damit, dass unerbetene Telefonwerbungen einen massiven Angriff auf Verbraucherinteressen darstelle, welcher das auch verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verbrauchers und dessen Privatsphäre in "schlechterdings nicht hinzunehmender Weise missachtet".
Aus diesem Grund sei ein Streitwert von 30.000 Euro für unerbetene Telefonwerbung berechtigt. Der Bundesgerichtshof setzte in seinem Beschluss vom 14.04.2011 (I ZR 38/10) den Streitwert für das Unterlassungsbegehren wegen eines unerlaubten Anrufes ebenfalls auf 30.000 Euro fest.
Für eine fehlende Widerrufsbelehrung sei ein Streitwert von 5.000 Euro ebenfalls zu niedrig angesetzt, so das Gericht, wenn auch nur geringfügig. Normalerweise nimmt das Gericht für eine fehlende Widerrufsbelehrung einen Streitwert von 15.000 Euro an, kürzte diesen aber im vorliegenden Verfahren um die Hälfte auf 7.500 Euro.
Somit ergab sich ein Gesamtstreitwert von 37.5000 Euro. Nach dieser Höhe werden Anwalts- und Gerichtsgebühren berechnet, welcher der im Streitfall Unterlegene zu zahlen hat.
Das Urteil finden Sie im Volltext in der Rechtssprechungsdatenbank Berlin/Brandenburg.