Neues Widerrufsrecht zum 11.6.2010: Mehr Rechtssicherheit für Onlinehändler

bundestagIm August letzten Jahres wurde im Bundesgesetzblatt ein Gesetz verkündet, mit welchem die Vorschriften des Widerrufs- und Rückgaberechts neu geordnet werden. Diese Änderungen treten am 11. Juni 2010 in Kraft. Wir haben für Sie die wesentlichen Änderungen, die zu mehr Rechtssicherheit führen, zusammengefasst.

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Am 03.08.2009 wurde im Bundesgesetzblatt, Seite 2355 das "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über Widerrufs- und Rückgaberecht" verkündet. Die Pressemitteilung des BMJ verkündete damals, dass diese Neuordnung zu mehr Rechtssicherheit führen werde.

Musterbelehrung steht im Gesetz

Eine der wesentlichen Änderungen ist die Aufnahme der Musterwiderrufs- und Musterrückgabebelehrung in das EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche). Damit erhält die Musterbelehrung den Rang eines formellen Gesetzes und verliert gleichzeitig ihren wohl größten Schwachpunkt: Die Angreifbarkeit durch die Instanzgerichte.

Als erstes Gericht erklärte im Jahr 2005 das LG Halle (Urteil v. 13.5.2005, Az: 1 S 28/05), dass die Verwendung der früheren, bis zum August 2004 geltenden Musterwiderrufsbelehrung aus der BGB-InfoV den Händlern nicht vor Abmahnungen schütze, da das Muster selbst nicht den Vorgaben der Normen (§ 355, 356 BGB) entsprach. Dieses Urteil sorgte für Aufsehen und vor allem Abmahnungen.

Neue Musterbelehrung im Jahr 2008

Nachdem im Jahr 2004 zwar eine "Reform" der Muster stattfand, jedoch keiner der Fehler korrigiert wurde, trat zum 01.04.2008 eine geänderte BGB-InfoV in Kraft, in welcher auch neue Muster enthalten waren. Dieses Muster wird bis heute in der BGB-InfoV verwendet.

Zwar hört man einzelne Stimmen, die auch in dieser Version noch Fehler entdecken wollen, uns ist allerdings keine einzige erfolgreiche Abmahnung dieser Belehrung bekannt. Lediglich fehlerhafte Verwendung des Musters wird häufig abgemahnt (z.B. 2 Wochen Frist bei eBay, 40-Euro-Klausel ohne vertragliche Vereinbarung).

Neue Rechtslage ab 11. Juni 2010

Zum 11. Juni 2010 werden die relevanten Vorschriften der BGB-InfoV aufgehoben, so auch die Anlagen, in denen die Musterbelehrungen bisher enthalten sind. Allerdings bedeutet das nicht, dass es diese Vorschriften nicht mehr geben wird.

Vielmehr werden diese in Art. 246 EGBGB neu eingeführt. Eine materiell-rechtliche Änderung ist damit aber nicht verbunden, die Normen der BGB-InfoV werden einfach übernommen. Mit Aufnahme in das EGBGB erhalten diese aber den Status eines formellen Gesetzes und können damit von den Instanzgerichten nicht mehr für unwirksam erklärt werden.

Gesetz privilegiert Musterverwendung

In einem neuen § 360 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB wird außerdem explizit gesagt, dass derjenige, welcher die Muster aus dem EGBGB verwendet, die gesetzlichen Anforderungen an eine korrekte Widerrufsbelehrung erfüllt.

Damit gibt die Verwendung der Musterbelehrung erstmals Rechtssicherheit, denn ein deutsches Gericht kann das BGB nicht für unwirksam erklären, anders als die bislang geltende BGB-InfoV.

Gleichbehandlung von eBay-Händlern und Online-Shops

Alle Shopbetreiber, die ihre Produkte auch über eBay oder ähnliche Plattformen vertreiben, können ebenfalls aufatmen. Wenn man sich an die Voraussetzungen hält, kann man in seinem Shop und bei eBay die gleiche Widerrufsbelehrung verwenden, denn die Fristen werden per Gesetz angeglichen.

Für die vierzehntägige Widerrufsfrist ist es auch weiterhin erforderlich, dass dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine korrekte Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt wurde. Speziell für den Fernabsatz wurde jedoch eine Sondervorschrift eingeführt:

"§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB:

Bei Fernabsatzverträgen steht eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbrauch gemäß Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 des Einführungsgesetzbuches zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat."

Damit kann auch der eBay-Händler, der bislang durch den früheren Vertragsschluss auf der Plattform (im Moment der Bestellung durch den Kunden) benachteiligt wurde, den Verbraucher rechtzeitig zur Wahrung der Zweiwochenfrist in Textform über das Widerrufsrecht belehren.

Wertersatz für bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme

Aufgrund der Gegebenheiten bei eBay war es bisher auch nicht möglich, dort Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zu verlangen, da gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB in seiner jetzigen Fassung vorschreibt, dass der Verbraucher auf diese Rechtsfolge spätestens bei Vertragsschluss hingewiesen werden muss.

Aber auch hier hat der Gesetzgeber zum 11. Juni nachgebessert und einen neuen § 357 Abs. 3 Satz 2 geschaffen, sodass es ebenfalls ausreichend ist, wenn im Fernabsatz unverzüglich nach Vertragsschluss eine Belehrung in Textform erfolgt.

Was heißt "unverzüglich nach Vertragsschluss"?

Zwar wirft diese neue Vorschrift direkt die Frage auf, was "unverzüglich nach Vertragsschluss" bedeutet, allerdings handelt es sich bei dem Wort unverzüglich um einen im Gesetz definierten Begriff.

§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB definiert den Begriff "unverzüglich" als "ohne schuldhaftes Zögern".

Die Unverzüglichkeit ist dann gewahrt, wenn die Mitteilung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Frist erfolgte. Die Gesetzesbegründung zur Neuordnung des Widerrufsrechtes spricht davon, dass es ausreichend sein soll, wenn der Unternehmer die Belehrung in Textform am Tag nach der Bestellung mitteilt.

Ob diese Frist ausreicht, oder ob man nicht vielmehr eine Übermittlung in der Bestellbestätigungsmail verlangen wird, muss abgewartet werden, bis es erste Rechtsprechung hierzu gibt. Zu empfehlen ist aber die Aufnahme der korrekten Widerrufsbelehrung in die Bestellbestätigungsmail, die unmittelbar nach Abschluss der Bestellung versandt wird. Die sollte für die wenigsten Shopbetreiber ein Problem darstellen.

Rückgaberecht auch bei eBay möglich

Nachdem das KG Berlin (Urteil v. 18.06.2007, Az: 5 W 156/06) und das OLG Hamburg (Urteil vom 24.8.2006, Az: 3 U 103/06) in der Vergangenheit urteilten, dass aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ein Rückgaberecht bei eBay nicht eingeräumt werden kann, wurde dieses Thema in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert. Das LG Düsseldorf sah z.B. kein Problem darin, das Widerrufsrecht auch bei eBay durch ein Rückgaberecht zu ersetzen.

Der BGH (Urteil vom 09.12.2009 – VIII ZR 219/08) urteilte im September 2009 zu drei Klauseln innerhalb einer Rückgabebelehrung bei eBay. Dies setzt voraus, dass auch der BGH grundsätzlich die Einräumung eines Rückgaberechts bei eBay für möglich hält. Das OLG Hamm (Urteil v. 15.01.2010, Az: 4 U 197/09) ging sogar soweit, dass bei eBay Widerrufs- und Rückgaberecht parallel eingeräumt werden können.

Hintergrund ist, dass die herrschende Meinung davon ausgeht, dass es für die Einräumung des Rückgaberechtes erforderlich sei, dass dieses vor Vertragsschluss in Textform geschieht, was bei eBay nicht möglich sei.

Die Voraussetzung des § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB

"dass dem Verbraucher das Rückgaberecht in Textform eingeräumt wird."

wird aber zum 11.06.2010 ersatzlos gestrichen, sodass dann auch bei eBay das Widerrufsrecht durch das Rückgaberecht ersetzt werden kann.

Neue Musterwiderrufsbelehrung

Die neue Musterwiderrufsbelehrung findet sich in Anhang 1 zu Artikel 246 EGBGB. Im Folgenden finden Sie eine angepasste Musterwiderrufsbelehrung für Online-Shops, die Sie jedoch erst ab dem 11.6.2010 (keinesfalls davor) verwenden dürfen:

Weitere Voraussetzungen für die Verwendung des nachfolgenden Textes: Fernabsatzvertrag im elektronischen Geschäftsverkehr über Warenlieferungen, Widerrufsbelehrung und Hinweis auf die Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung erfolgt spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform, kein Kauf auf Probe, Vereinbarung der Übernahme der Rücksendekosten durch den Verbraucher im Rahmen des gesetzlich Möglichen („40-EUR-Klausel“) innerhalb der AGB, keine „Finanzierten Geschäfte“.

"Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder - wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird - durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an:

[Einsetzen: Namen/Firma und ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten. (Zusätzlich können angegeben werden Telefaxnummer, E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung an den Unternehmer erhält, auch eine Internet-Adresse.)]

Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf unsere Gefahr zurückzusenden. Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung oder der Sache, für uns mit deren Empfang.

Ende der Widerrufsbelehrung

Fazit

Das ab 11.6.2010 geltende Widerrufsrecht hebt erfreulicherweise die bislang geltende Ungleichbehandlung von eBay-Händlern und Online-Shops in den Punkten Fristlänge, Wertersatz und Rückgaberecht auf. Wer die ab 11.6.2010 geltenden Musterbelehrungen korrekt nutzt, erfüllt gemäß § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB die Voraussetzungen, welche das Gesetz an eine Widerrufsbelehrung stellt und kann nicht mehr erfolgreich für die Verwendung der Muster abgemahnt werden.

Ein kostenloses Whitepaper mit Mustern zur Verwendung in Ihrem Online-Shop können Sie hier herunterladen.

Zur Historie der Widerrufsbelehrung:

03.05.10