Erhält man eine Abmahnung von einem angeblichen Mitbewerber, lohnt es sich, die Produkte dieses Händlers einmal genauer anzuschauen. Häufig decken sich die Betätigungsfelder der Händler nicht, wie in einem Fall des OLG Braunschweig.
Lesen Sie hier mehr über das Urteil.
Die Eigenschaft als Mitbewerber ist zu bejahen, wenn zwei Händler die gleichen Waren oder Dienstleistungen anbieten, der Verbraucher also zwischen zwei (oder mehreren) Händlern wählen kann und dennoch das gleiche Produkt erhält.
Im Fall des OLG Braunschweig (Urteil v. 27.01.2010, Az: 2 U 225/09) wurde eine Händlerin, welche gebrauchte Damen- und Kinderbekleidung bei eBay verkaufte von einem Designer und Hersteller von Herrenunterwäsche und Herrenbadebekleidung abgemahnt.
Die Abgemahnte handelte angeblich mit älteren Kleidungsstücken, welche ihr und ihrem Sohn gehört haben. Sie handelte in der Annahme, dass sie die Verkäufe als Privatperson tätige und hielt aus diesem Grund weder ein Impressum vor, noch wies sie die Umsatzsteuer aus oder informierte über das Widerrufsrecht. Hinzu kam, dass sie die Gewährleistung ausschloss.
Wegen diesen Verstößen hielt der Abmahner einen Streitwert von 35.000 Euro für angemessen, welcher Anwaltskosten i.H.v. 1.265,00 Euro nach sich zog.
Das Landgericht Braunschweig (Urteil v. 27.08.2009, Az: 21 O 1530/09) war der Argumentation des Abmahners und Klägers gefolgt und hatte die Beklagte zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt, allerdings nur aus einem Streitwert von 10.000 Euro, was 651,80 Euro entspricht.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie verteidigte darin ihre Argumentation, lediglich ältere, gebrauchte Kleidungsstücke zu verkaufen und nicht gewerblich zu handeln. Im Übrigen würden die Parteien auch nicht in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, da die angebotenen Waren nicht austauschbar seien. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit der Behauptung, er hätte soeben eine Damenkollektion entworfen und würde kurz vor einem Markteintritt stehen, sodass auch er anspruchsberechtigt sei.
Des Weiteren seien oft die Lebensgefährtinnen seine Kundschaft, die für ihre männlichen Partner Unterwäsche und Bademode kauften, weswegen er seine und die Kundschaft der Beklagten überstimmten. Letztlich komme es darauf aber gar nicht an, da es reiche, dass ein Konkurrenzverhältnis auf dem Bekleidungsmarkt bestehe, so der Kläger.
Das Gericht sah die Berufung als zulässig an. Außerdem hatte sie auch in der Sache Erfolg, da es am notwendigen Wettbewerbsverhältnis fehle. Zunächst äußerte sich der Senat im Allgemeinen zur Mitbewerberstellung.
"Als Mitbewerber ist anzusehen, wer in einem tatsächlichen oder doch potentiellen Wettbewerbsverhältnis zum werbenden Unternehmen steht. Es kommt darauf an, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren und Dienstleistungen austauschbar sind, was insbesondere der Fall ist, wenn sich Konkurrenzangebote einander gegenüber stehen und dem Werbeadressaten dabei Kaufalternativen aufgezeigt werden. Der Absatz des einen Unternehmens muss auf Kosten des anderen gehen können."
Anschließend entschied das Gericht, dass ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestünde.
"Ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der hiernach [nach Herrenunterwäsche bzw. -bademode] sucht, greift nicht alternativ nicht zu der von der Beklagten angebotene Damen- oder Kinderbekleidung, so dass das Angebot der Beklagten den Kläger nicht im Absatz behindern oder stören kann."
Der Umstand, dass auch die Partnerinnen der eigentlichen Träger der Wäsche diese suchen könnten, steht dem nicht entgegen.
Das Argument des Klägers, dieser stehe kurz vor einem Markteintritt auf dem Markt der Damenoberbekleidung ließen die Richter ebenfalls nicht gelten. Grundsätzlich bejahten sie eine Anspruchsberechtigung, wenn die konkrete Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts besteht. Die bloße abstrakte Möglichkeit sei jedoch nicht ausreichend. Eine solche konkrete Wahrscheinlichkeit sahen die Richter in dem Fall aber nicht.
"Für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs als Grundlage der Abmahnung hätte die konkrete Wahrscheinlichkeit eines solchen Marktzutritts des Klägers mit einer Damenlinie bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung bestehen müssen. Davon ist jedoch ebenfalls nicht auszugehen. Tatsächlich bietet der Kläger nach wie vor und damit noch zehn Monate nach der Abmahnung lediglich Herrenunterwäsche und -bademoden an, so dass von einem konkret bevorstehenden Marktzutritt im April 2009 nicht die Rede sein kann."
Außerdem kam das Argument der Damenkollektion das erste mal in einem Schriftsatz vom 10.12.2009 auf,
"wonach der Kläger "soeben" eine Damenkollektion entworfen haben will. Für den Abmahnungszeitpunkt schließt das die konkrete Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts aus, weil eine solche Kollektion jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert und sich die spätere Sortimentserweiterung des Klägers von daher noch nicht hinreichend konkret abgezeichnet hat."
Der Kläger konnte also nicht die Erstattung der Aufwendungen verlangen.
Abmahnungen bzw. Unterlassungsklagen scheitern nur selten am Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses. Die wenigsten Gerichte äußern sich überhaupt hierzu oder prüfen dieses näher. Dieses Urteil ist aber ein schönes Beispiel dafür, dass für die Bejahung der Mitbewerberstellung eher eine enge Marktabgrenzung vorzunehmen ist. Die Abgrenzung "Bekleidungsmarkt" ist viel zu weit. Dies macht auch deutlich, dass es wichtig ist, eine Abmahnung ernst zu nehmen und in jedem Falle anwaltlichen Rat einzuholen. (mr)