Darf ein Unternehmen eine Marke eines Mitbewerbers als Schlüsselwort bei Google nutzen, um damit die dazu geschaltete Anzeige mit Link auf das eigene Angebot erscheinen zu lassen? Diese für alle im Internet Werbenden äußerst wichtige Frage wurde Anfang des Jahres vom BGH dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt. Hierzu wurde bereits an dieser Stelle auch vom Autor, der diese Verfahren auch geführt hat, eingehend berichtet.
Lesen Sie mehr über die Schlussanträge vor dem EuGH in einem Gastbeitrag von RA Volke.
Zwar lassen die Stellungnahmen zur deutschen Vorlagefrage vom Bundesgerichtshof in dieser Sache noch auf sich warten, allerdings wurden am 22. September 2009 die Schlussanträge des Generalanwaltes Poiares Maduro in einer zum Teil ähnlichen Sache aus Frankreich veröffentlicht, die einem Rechtsstreit vor dem EuGH über die Haftung von Google selbst bezüglich der Verwendung von Marken als solche Schlüsselwörter betreffen.
Das Ergebnis lautet vereinfacht aber auch sehr klar und deutlich: Eine Markenverletzung liegt nicht vor, wenn Marken Dritter als Google-AdWords verwendet werden.
Interessant ist das Verfahren für alle deutschen Shopbetreiber vor allen unter dem Aspekt, ob eine Nutzung von Marken Dritter, d.h. vor allem Mitbewerbern, in Google-AdWords eine Markenverletzung darstellt und somit unzulässig ist. Zwar ist der Generalanwalt aktuell aufgrund der vielfältigen Vorlagefragen auch noch umfassend auf die eigentliche Haftung von Google selbst eingegangen, diese Google-Haftung soll hier jedoch nur insoweit von Interesse sein, als daraus Schlüsse für eine Zulässigkeit insgesamt gezogen werden können.
Richtig ist zwar, dass die nun vorliegenden Schlussanträge Fälle der Google-Haftung behandeln und nicht direkt die unmittelbare Haftung der Werbenden. Dieser Aspekt wird erst in dem von uns begleiteten Verfahren, das vom BGH dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt wurde, abschließend behandelt werden. Dennoch kann durchaus von einer Übertragbarkeit wesentlicher Standpunkte der Entscheidung ausgegangen werden. Mittelbar bedeutet die Zulässigkeit der Ermöglichung der Nutzung von Marken Dritter durch Google zwangsläufig auch die Zulässigkeit der Nutzung selbst. Jedes andere Ergebnis wäre verwunderlich.
Es ist deshalb nicht nur stark zu bezweifeln, dass der EuGH sich ausnahmsweise nicht dem Schlussantrag des Generalanwaltes anschließt, sondern ebenso unwahrscheinlich ist es, dass die Entscheidung in den vom BGH vorgelegten Verfahren über die Zulässigkeit der Markennutzung durch den Werbenden selbst anders ausfällt.
Damit lässt sich bereits jetzt der Schluss ziehen, dass die „Markennutzung“ durch Google-AdWords wohl als zulässig gewertet wird. Hier nun einige Details zu den Schlussanträgen beim EuGH.
In überraschender Deutlichkeit stellt der Generalanwalt Folgendes heraus:
„Es ist offensichtlich, dass AdWords mit den Waren und Dienstleistungen, die von den Marken erfasst sind, nicht identisch und ihnen nicht ähnlich ist. Folglich ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so dass keine Markenverletzung vorliegt, wenn eine Benutzung erfolgt, die Anzeigenkunden erlaubt, in AdWords Stichwörter auszuwählen, die Marken entsprechen, damit Ads für ihre Webseiten als Ergebnisse von Suchanfragen, die diese Stichwörter betreffen, angezeigt werden.“
Denn, so der Generalanwalt weiter, die Hauptfunktion der Marke - die Gewährleistung der Herkunft der Waren und Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern - wird jedenfalls durch die Nutzung Dritter als Google AdWords nicht beeinträchtigt. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung bestehe bereits nicht.
Wenn der Generalanwalt - und damit wohl aller Voraussicht nach auch der EuGH - nunmehr der Ansicht ist, dass das Angebot von Google an Anzeigenkunden Marken Dritter als AdWords zu verwenden, zulässig sei, dann kann die Verwendung der Marken durch die Anzeigenkunden selbst wohl auch nicht unzulässig sein. Eine anders lautenden Entscheidung wäre zumindest dann sehr überraschend.
Die für die Annahme einer Markenverletzung zudem notwendige Verwechslungsgefahr sieht der Generalanwalt bei der bloßen Verwendung einer Marke als Google-AdWord ebenfalls nicht gegeben. Jedenfalls könne diese nicht einfach vermutet, sondern müsse positiv festgestellt werden. Diese Feststellung könne jedoch laut Schlussantrag gerade deshalb nicht gelingen, da die „natürlichen Ergebnisse“ von Google ebenfalls keine „echten“, also vom Markeninhaber stammenden Ergebnisse darstellen.
Auch die als „natürliche Ergebnisse“ bezeichneten Suchergebnissen von Google werden vielmehr auf Grundlage bestimmter Kriterien bei der Suche nach Stichwörtern nach der von Google bestimmten Relevanz angezeigt. Dabei werden auch viele Seiten angezeigt, die gerade nicht von den Markeninhabern stammen.
Die Nutzer sind es gewohnt, die Ergebnisse, seien es die „Natürlichen“ oder die Anzeigen, zunächst nicht direkt den jeweiligen Markeninhabern zuzuschreiben, sondern hierzu das gesamte Ergebnis zu lesen und zu werten. Eine Verwechslungsgefahr ist deshalb auszuschließen.
Neben den hier beispielhaft genannten rechtlichen Problemen hat der Generalanwalt auch massive tatsächliche Bedenken eine Markenverletzung anzunehmen:
„Wenn der Gerichtshof feststellt, dass Google dadurch eine Markenverletzung begeht, dass bei der Suche nach bestimmten Stichwörtern Websites angezeigt werden, kann es schwierig werden, die Situation in Bezug auf AdWords von der Situation in Bezug auf die Suchmaschine Google zu unterscheiden.“
Dies ist völlig korrekt und zeigt wie eine ganze Reihe von weiteren Äußerungen, dass der Generalanwalt auch die tatsächliche Dimension dieser Entscheidung voll erfasst hat und die Augen auch vor den praktischen Problemen nicht verschließt, die sich aus einer anderweitigen Entscheidung ergeben können. Allerdings wird es darauf aber wohl aufgrund der fehlenden Markenverletzung im Ergebnis sowohl in der zu erwartenden Entscheidung des EuGH als auch in der Praxis nicht mehr ankommen.
Der Generalanwalt hat erfreulich eindeutig und sehr überzeugend Stellung bezogen und eine Entscheidung des EuGH zur Zulässigkeit der Nutzung fremder Marken als Google-AdWords in große Nähe rücken lassen. Alles andere als eine Entscheidung in Richtung Zulässigkeit dieser Werbeform sowohl in den Vorlagefragen aus Frankreich als auch aus Deutschland wäre deshalb eine große Überraschung.
Falls der EuGH die zu erwartenden Entscheidungen fällt, wäre das vom Autor schon lange bereits angekündigte neue Werbezeitalter bei Google angebrochen und eine Revolution des Online-Werbemarktes perfekt.
RA Claus Volke
Claus Volke ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbs-, Marken- und Patentrecht) und Lehrbeauftragter für IT-Recht. Er ist Inhaber der Kanzlei volke2.0, die seit über 10 Jahren bundesweit ausschließlich im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz in den Informationstechnologien tätig ist.