Vor nicht allzu langer Zeit überwogen noch die Gerichtsentscheidungen, die zugunsten der Abmahner ausfielen. In letzer Zeit scheint es eine Trendwende zu geben. Neben dem OLG Hamm und LG Berlin eintschied nun auch das LG Bochum in einem Fall auf Rechtsmissbrauch, obwohl der Abmahner “nur” fünf Abmahnungen aussprach.
Lesen Sie mehr über die erfreuliche Entwicklung in der Rechtsprechung zum Abmahnungsmissbrauch.
Die Richter des LG Bochum (Urteil v. 7.4.2009, I-12 O 20/09) fanden deutliche Worte in einem Fall, in dem ein eBay-Händler im Jahr 2008 einen Umsatz von lediglich 2.430,36 € erzielte, aber gleichwohl Abmahnungen im “Wert” eines Vielfachen seines Jahresumsatzes aussprach.
Nebenberuflicher eBay-Händler war Abmahner
Der in Essen wohnhafte Kläger ist hauptberuflich Lokführer bei der Deutschen Bahn. Während einer Bahnfahrt lernte er seinen in Wiesbaden ansässigen heutigen Prozessbevollmächtigten kennen. Der Verfügungskläger bietet im Internet Tierbedarf an. Vorwiegend vertreibt er entsprechende Produkte über die Internetplattform eBay. Dort ist er als gewerblicher Verkäufer angemeldet.
Fünf Abmahnungen ausgesprochen
Im Jahre 2008 hat der Verfügungskläger 98 Rechnungen erstellt und hierdurch einen Umsatz von 2.430,36 € erzielt. Bei eBay liegen seit dem Jahr 2002 310 Bewertungen für ihn vor. Zwischen Februar 2008 und Februar 2009 hat der Verfügungskläger zumindest zwei Abmahnungen gegen eine Frau ….. und eine gegen …. aussprechen lassen. Eine weitere erfolgte am 09.03.2009 gegenüber …. .
Der Verfügungsbeklagte veräußert ebenfalls Tierbedarf aller Art als angemeldeter gewerblicher Verkäufer über die Internetplattform eBay.
Einstweilige Verfügungen beantragt
Unter dem 18.02.2009 hat der Verfügungskläger gegen den Verfügungsbeklagten eine einstweilige Verfügung erwirkt, in dem der Verfügungsbeklagten bestimmte Verhaltensweisen und Aussagen beim Handeln über eBay untersagt worden sind. Gegen diese einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch des Verfügungsbeklagten.
Abmahnbefugt auch bei geringfügigem Umsatz?
Der Verfügungskläger verteidigt die ergangene einstweilige Verfügung. Er hält seinen Antrag mit eingehendem weiteren Vorbringen im Schriftsatz vom 06.04.2009 für nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere bestehe keine Absprache zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten über eine Kostenbegrenzung.
“Es sei nicht vorgesehen, dass nur Gewerbetreibende mit einem gewissen Mindestumsatz Abmahnungen aussprechen dürfen.”
Der Verfügungsbeklagte bgeht von einem Rechtsmissbrauch des Verfügungsklägers aus. Hierzu behauptet er insbesondere, es seien weitere Abmahnungen ausgesprochen worden.
Gericht: Abmahnung unzulässig
Das Gericht entschied zugunsten des Abgemahnten:
“Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig. Die bereits ergangene einstweilige Verfügung war daher aufzuheben.”
Gewinnerzielungsabsicht stand im Vordergrund
Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
“Von einem Missbrauch ist daher auszugehen, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde Interessen und Ziele verfolgt werden, wobei ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimierter wettbewerbsrechtlicher Ziele nicht erforderlich ist (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rdnr. 4.1.0 m.w.N.).”
Missverhältnis zwischen Einnahmen und Abmahnkosten
Es ist davon auszugehen, dass sachfremde Motive überwiegen, wenn der Anschlussberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann. Entscheidend ist insoweit die Sichtweise eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers (Köhler a.a.O., Rdnr. 4.12.). So liegt es hier.
“Es liegt ein ausgesprochen krasses Missverhältnis zwischen den Einnahmen des Verfügungsklägers und dem durch den Ausspruch der Abmahnungen eingegangenen Kostenrisikos vor.
Kein wirtschaftlich vernünftig denkender Unternehmer würde bei einem Umsatz von lediglich 2.430,00 € innerhalb eines Jahres ein Kostenrisiko durch den Ausspruch von Abmahnungen eingehen, das den Jahresumsatz und natürlich erst recht den erzielten Gewinn bei weitem übersteigt.”
Nur geringfügige Verstöße
Die gerügten Verstöße waren auch nicht derart, dass sie den Geschäftsbetrieb des Verfügungsklägers unmittelbar gefährdeten. Aus objektiver Sicht können daher nur (zumindest überwiegend) sachfremde Motive den Kläger zum Ausspruch von Abmahnungen und zur Beantragung der einstweiligen Verfügung veranlasst haben.
“Insoweit passt die Beauftragung eines weit entfernt geschäftlich ansässigen Rechtsanwalts -ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme- ins Bild.”
Vielen Dank an den Kollegen RA Jörg Faustmann für die Übersendung des von ihm erstrittenen Urteils (cf).
Eine erfreuliche Tendenz.
Was sind daraus die Konsequenzen ?
Ist die Rechtsmissbräuchlichkeit nach §8 IV gleichzusetzen mit Betrug ?
Ist der Anwalt und Mandant hier gemeinschaftlich tätig ?
Sind die Gebühren die der Anwalt nach RVG erhebt Gebührenübererhebung nach §352 StGB.
Ist der durch den Rechtsmissbrauch entstandene Schaden zu ersetzen, ggfls durch wen ? Anwalt oder Mandant oder beide ?
Nur wenn diese Fragen restlos geklärt werden, wird den Abmahngeiern Einhalt geboten, wenn sie merken das sich die vermeintlichen Abgemahnten auch wehren und Regress fordern dann werden sie anfangen zu überlegen ob sich die Abzocke noch lohnt.
Ansonsten werden sie , den fliegenden Gerichtsstand sein Dank, lediglich das Gerich meiden und woanders hingehen, irgendein Richter wird schon verständniss für die klammen Anwälte des Rechts haben, die doch nur ihr Überleben in Krisenzeiten sichern.
Und in diesem Zusammenhang :
Was sind zehn verurteilte Abmahnanwälte ?
Immerhin ein guter Anfang.
Ich würde dies in der Tat Fälle, in denen intern nach Honorarvereinbarung und extern nach RVG abgerechnet wird, als Betrug einstufen. Allerdings nicht alle Fälle des § 8 Abs. 4 UWG.
Hallo Herr Föhlisch,
das ist aber nicht unbedingt konsequent.
Nach meiner, als Nichtjurist natürlich laienhaften, Meinung ist es so, das wenn der Rechtsmissbrauch nach §8 IV festgestellt ist, unabhängig von den Gründen, für mich den Tatbestand des Betruges erfüllt.
Wenn ich das Recht missbrauche, dann schade ich damit einen anderen den ich unter Vorspielung falscher Tatsachen zu einem bestimmten Handeln zu seinem Schaden verleite.
Der Gesetzgeber hat sich was dabei gedacht als er diesen § in das UWG aufgenommen hat, ansonsten wäre es eine Lizenz zum Gelddrucken und letztendlich zeigt die ganze Diskussion um das Thema das hier was im argen liegt.
Hallo Herr Mühlbauer, die laienhafte Sichtweise ist ja durchaus geeignet, den Juristen die Augen für die “Gerechtigkeit” zu öffnen und insofern sehr positiv. Allerdings tun sich die Gerichte immer noch sehr schwer, überhaupt den § 8 Abs. 4 UWG zu bejahen. Der Schritt zum Straftrecht ist dann noch eine weitere Hürde. Aber “vom Gefühl” teile ich Ihre Ansicht durchaus. Sie hat nur leider noch keinen Einzug in die Rechtsprechung gehalten. Immerhin schöpfen die Gerichte in jüngster Zeit das Instrumentarium (§ 8 Abs. 4 UWG oder auch die Streitwertreduzierung) ja deutlich beherzter an als noch vor 2-3- Jahren aus, wo z.B. das OLG Frankfurt entschied, dass 200 Abmahnungen von Kleinigkeiten mit Textbausteinen nicht rechtsmissbräuchlich sei, auch wenn die Kosten hierfür den Jahresumsatz um ein Vielfaches übersteigen. Da hat das LG Bochum ja nun ganz anders entschieden.
Hallo Herr Fölisch,
ja ja die Frankfurter.
In Zusammenhang mit einer anderen Fragestellung hatte ich auch mit dennen mal zu tun, dabei konnte ich mir ein Lachen wirklich nicht verkneifen, aber es passt zur Rechtsunsicherheit in E-Commercerecht.
Bei der für mich wichtigen Frage ob gewerbl. Händeler bei ebay dem TMG als Diensteanbieter unterliegen, habe ich mich an meine IHK gewendet um von dort an die IHK Stuttgart als federführende IHK verwiesen zu werden.
Die Auskunft von dort war “Sicher, das OLG FFM hat so entschieden”.
Anschließend Faxte die nette Frau mir noch das Urteil.
Dort hatte ein OLG einen Satz in Stein gemeißelt :
“.. Es ist unstreitig, das Händler bei ebay, sofern sie gewerblich Handeln,
Diensteanbieter gem. TMG sind”
Bei der Besprechung mit meinem Anwalt fiel dann auf, das hierzu keine Randbemerkung oder Quellenangabe vermerkt war.
In habe dann versucht vom OLG FFM mir Informationen zu diesem Urteil zu beschaffen und wurde von der Geschäftszimmerdame nach der Nennung des AZ zu dem Richter durchgestellt. Sehr Bürgerfreundlich.
In dem Gespräch mit dem Richter hat es mich dann aber doch vom Stuhl gehauen. Dieser Satz sei als “obiter dictum” ( hoffe so richtig geschrieben ) in das Urteil gelangt, weil sich die streitenden Parteien darauf verständigt hätten.
Für mich als Nichtjuristen und normalen Händler der versucht in dem Gesetzesdschungel zu überleben ist das in der Konsequenz eine schallende Ohrfeige, da die Frage ob ein ebay-Händler Diensteanbieter ist, schlechthin dazu führt, das er den handel über ebay einstellen muß, denn die Anforderungen des TMG an den Diensteanbieter sind bei ebay technisch nicht zu realisieren. Somit muß sich der Händler von ebay verabschieden, willl er sich gesetzeskonform verhalten.