Die sogenannte Vertragsstrafe ist im Wettbewerbsrecht ein extrem wichtiger Punkt. Nach Erfahrung unseres Gastautors RA Richard wird durch Abgemahnte der Faktor Vertragsstrafe oftmals unterschätzt. Viele meinen, mit Unterschreiben der beigefügten Unterlassungserklärung und Zahlung der geforderten Kosten ihrer Schuldigkeit genüge getan zu haben. Dem ist jedoch nicht so.
Im Rahmen einer Abmahnung, sei es im Wettbewerbsrecht, Markenrecht oder Urheberrecht, besteht, wenn die Abmahnung berechtigt ist, ein Unterlassungsanspruch, d. h. der Anspruch, etwas zukünftig nicht mehr zu tun.
Wer einfach nur zusichert, etwas zukünftig nicht mehr zu tun, dem glaubt man im übertragenen Sinne nicht. Es muss - bildlich gesprochen - zukünftig weh tun. Nur dann entfällt die sogenannte Wiederholungsgefahr.
Die Wiederholungsgefahr bezeichnet die Gefahr, dass der beanstandete Verstoß zukünftig noch einmal begangen wird. Die einzige Möglichkeit, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, ist im Rahmen der Unterlassungserklärung die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung. Man spricht hier auch von einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Aus diesem Grund werden Unterlassungserklärungen auch als Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bezeichnet, weil sich der Unterlassungsschuldner (also der Abgemahnte) auf der einen Seite verpflichtet, zukünftig etwas zu unterlassen und auf der anderen Seite verpflichtet, eine Vertragsstrafe zu zahlen, wenn er die Handlung trotzdem wiederholt. Ohne Absicherung einer Vertragsstrafe wird die Wiederholungsgefahr regelmäßig nicht beseitigt.
Die Vertragsstrafe muss angemessen sein und eine Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens dokumentieren. Dies hat zur Folge, dass eine sehr niedrige Vertragsstrafe von bspw. 200,00 Euro nicht geeignet ist, die Wiederholungsgefahr fallen zu lassen. Üblich sind Beträge im Bereich von 5.000,00 Euro.
Für höhere Vertragsstrafen im Rahmen der Unterlassungserklärung muss es schon einen guten Grund geben. So wird bspw. angenommen, dass, wenn gegen eine Unterlassungserklärung verstoßen wird, nur eine höhere Vertragsstrafe als die ursprünglich vereinbarte geeignet ist, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, da sich der Abgemahnte von der niedrigeren Vertragsstrafe offensichtlich nicht hat abschrecken lassen, die beanstandete Handlung noch einmal zu wiederholen.
Die Formulierung des Vertragsstrafeversprechens gehört zu den zentralen Punkten einer Unterlassungserklärung. Eine möglichst präzise Formulierung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten im Sinne des Abgemahnten ist daher für diesen von immenser Wichtigkeit. Für den Abmahner am günstigsten ist die Einräumung einer festen Vertragsstrafe, bspw. in Höhe von 5.100,00 Euro.
Es gibt jedoch günstigere und für den Abgemahnten vorteilhaftere Formulierungen. Im Rahmen des sogenannten "Hamburger Brauchs" wird bspw. keine feste Vertragsstrafe vereinbart sondern lediglich eine angemessene Vertragsstrafe, die hinsichtlich ihrer Höhe gerichtlich überprüfbar ist.
Man spricht hier von dem sogenannten "Neuen Hamburger Brauch". Diese Option lässt dem Abmahner einen gewissen Verhandlungsspielraum, wenn es zur Verwirkung der Vertragsstrafe kommen sollte.
Wenn für den Fall der Zuwiderhandlung eine Unterlassungserklärung dahingehend abgegeben wird, dass die Vertragsstrafe nicht an den Abmahner sondern bspw. an eine gemeinnützige Organisation, Tierschutzverein oder andere geht, kann dies Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vertragsstrafe begründen. Gleiches gilt im Übrigen auch dann, wenn auf Grund der Abmahnung eine Unterlassungserklärung nicht gegenüber dem Abmahner sondern gegenüber Dritten abgegeben wird, wie bspw. der Wettbewerbszentrale, wie das LG Frankfurt (Urteil v. 09.04.2008, 3/8 O 190/07) entschied.
Eine Unterlassungserklärung ist 30 Jahre wirksam.
Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen sich die Rechtslage ändert, d. h. das, was früher einmal abgemahnt wurde und im Rahmen einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgesichert worden ist, ist bspw. auf Grund einer Änderung der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung plötzlich zulässig.
Dies gilt bspw. für das Rabattgesetz oder den Wegfall des Saisonschlussverkaufs.
Es handelt sich bei einer Unterlassungserklärung jedoch um einen Vertrag, der erst einmal ausdrücklich beendet werden muss, da anderenfalls - Vertrag ist Vertrag - dennoch eine Vertragsstrafe zu zahlen ist. In diesem Fall kann die früher abgegebene Unterlassungserklärung gekündigt werden. Diese Kündigung muss jedoch ausdrücklich erfolgen.
Wenn gegen die Unterlassungserklärung verstoßen wird, spricht man auch von einer Verwirkung der Unterlassungserklärung. In diesem Fall kann der Unterlassungsgläubiger (Abmahner) eine Vertragsstrafe geltend machen. Des Weiteren kann noch einmal neu abgemahnt werden mit der Aufforderung, noch einmal eine Unterlassungserklärung mit einer diesmal höheren Vertragsstrafe abzugeben.
Nein. Zum einen muss genau geprüft werden, ob überhaupt ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung vorliegt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Kern der Unterlassungserklärung bzw. das sogenannte Verletzungsmuster. Hier kann es jedoch auf den Einzelfall ankommen.
Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass Abmahner zum Teil entweder aus Unwissenheit oder absichtlich sehr weit formulierte Unterlassungserklärungen beifügen, die weitaus weitgehender sind, als der ursprünglich abgemahnte Verstoß.
Wer bspw. wegen einer falschen Widerrufsfrist bei eBay abgemahnt worden ist, sich jedoch verpflichtet hat, zukünftig immer "ordnungsgemäß" über das Widerrufsrecht zu belehren, kann bei weiteren Fehlern in der Widerrufsbelehrung durchaus ein Problem bekommen.
Ungeschriebenes Merkmal für die Verwirkung einer Unterlassungserklärung ist jedoch das Verschulden. Ohne Verschulden ist eine Vertragsstrafe nicht zu zahlen. So nimmt bspw. das Landgericht Dresden (Urteil vom 23.01.2009, Az.: 10 O 2246/08) an, dass bei rechtlichen Fehlern in einem Internetauftritt kein Verschulden vorliegt, wenn der Auftritt zuvor durch einen Rechtsanwalt auf Grund der Abmahnung überprüft und freigegeben wurde.
Auch in den Fällen, in denen der Abgemahnte für einen Verstoß überhaupt nichts kann, weil es bspw. bei eBay zu einer Panne kam, kann über ein Verschulden diskutiert werden.
Oft liest man bei der Vertragsstrafe die Formulierung: "... unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs." Was bedeutet dies?
Diese Formulierung wird durch Abmahner gern genutzt (wobei wir in diesem Zusammenhang darauf hinweisen möchten, dass die Abmahner natürlicher Weise Unterlassungserklärungen beifügen, die so weitgehend und für ihren Mandanten so günstig wie möglich sind), um für jeden Einzelfall einer Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu generieren.
Dies kann zu einem Riesenproblem werden, da, wenn bspw. ein rechtlicher Fehler bei eBay vorliegt, es durchaus häufig ist, dass von diesem Fehler gleich mehrere hundert Auktionen betroffen sind.
Diese Formulierung, für die wir im Übrigen auch keine rechtliche Verpflichtung sehen, ist brandgefährlich: Der Bundesgerichtshof hat mit Entscheidung vom 17.07.2008, Az.: I ZR 168/05 (Kinderwärmekissen) angenommen, dass bei Verwendung dieser Formulierung für jeden Einzelfall eine Vertragsstrafe zu zahlen ist. In dem entschiedenen Fall wurde die errechnete Vertragsstrafe von mehr als 53 Millionen Euro aus Billigkeitsgründen auf 200.000,00 Euro herabgesetzt.
Auch das OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2007, Az.: 4 U 170/06) hat in einer Entscheidung eine Art rechnerisch mögliche Vertragsstrafe von über 2 Millionen Euro auf einen Verstoß, nämlich 5.100,00 Euro, herabgesetzt. Unabhängig davon kann es, wenn derartige Formulierungen unterzeichnet werden, für den Abgemahnten äußerst brenzlig werden, was im Übrigen zeigt, wie wichtig eine juristisch einwandfreie und für den Abgemahnten günstige Formulierung der Vertragsstrafe eigentlich ist.
Nach unserer Erfahrung nicht zwangsläufig. Zum einen muss (siehe oben) tatsächlich geprüft werden, ob die Vertragsstrafe tatsächlich verwirkt ist. Zum anderen - so unsere Erfahrung - besteht oftmals durchaus ein Verhandlungsspielraum.
In Fällen, in denen ein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung nicht ausgeschlossen werden kann, bietet es sich an, erst gar keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
So sind bspw. Verstöße gegen das Textilkennzeichnungsgesetz, die Preisangabenverordnung im Zusammenhang mit einer Grundpreisangabe oder Verstöße gegen die Versandkosteninformationen beliebte Fallen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass hier in den nächsten 30 Jahren Fehler passieren.
Es gibt durchaus Abmahner, die dies erkannt haben und durch regelmäßige Überprüfungen der Internetauftritte der Abgemahnten versuchen, die Unterlassungserklärungen zu "vergolden".
In diesem Fall bietet es sich an, keine Unterlassungserklärung abzugeben, sondern eine einstweilige Verfügung gegen sich ergehen zu lassen. Im Rahmen der einstweiligen Verfügung wird der Unterlassungsanspruch durch ein Ordnungsgeld abgesichert. Da das Ordnungsgeld in die Staatskasse geht, ist die Motivation des Abmahners nach unserer Erfahrung, den Auftritt später noch einmal zu überprüfen, nicht besonders hoch. Der Abmahner hat hiervon wenig.
Auch die Anwaltskosten für ein Ordnungsgeldverfahren sind relativ gering. Hinzu kommt, dass nach unserer Erfahrung Ordnungsgelder oftmals niedriger sind als Vertragsstrafen. Auch das Verschulden wird intensiver geprüft. Zudem besteht die Möglichkeit, den Ordnungsgeldanspruch auch in der zweiten Instanz noch einmal überprüfen zu lassen.
Muss ich noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, wenn gegen mich eine einstweilige Verfügung ergangen ist?
Nein! Die geforderte Unterlassungserklärung ist durch die einstweilige Verfügung ersetzt worden. Es besteht in diesem Zusammenhang keine Verpflichtung mehr, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dies sollte auf keinen Fall ohne anwaltliche Rücksprache getan werden. Uns sind durchaus Fälle bekannt, in denen aus Unwissenheit nach der einstweiligen Verfügung, um die Sache abzuschließen, eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde.
Soll eine Unterlassungserklärung abgegeben werden, wenn sich in der mündlichen Verhandlung zu einer einstweiligen Verfügung herausstellt, dass die Ansprüche des Abmahners berechtigt sind?
Nein. Es gibt durchaus prozessuale Möglichkeiten, bei einer Unterlassungserklärung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens keine Vertragsstrafe mit aufzunehmen.
So platt es klingt: Lassen Sie sich anwaltlich beraten. Vor dem Hintergrund, dass die Geltendmachung von Vertragsstrafen in der Regel mit einer neuen Abmahnung verbunden ist, ist eine fachkundige anwaltliche Beratung von großer Bedeutung. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, für den Abgemahnten günstigere Verhandlungsergebnisse zu erreichen.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er betreut in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen (www.internetrecht-rostock.de) die rechtliche Gestaltung von Internetshops und berät bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen im Internet.
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