Schon öfter informierten wir Sie hier im Blog über Entscheidungen von Gerichten zur rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Häufig ist die Einschätzung, ob ein Rechtsmissbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG vorliegt oder nicht, sehr schwer. Die Gerichte haben in ihren Entscheidungen dafür die unterschiedlichsten Anforderungen gestellt. In unserer neuen Reihe "Urteile zum Rechtsmissbrauch" wollen wir Ihnen die wichtigsten Urteile noch einmal darstellen.
Lesen Sie hier Teil 1: Das Grundlagen-Urteil des BGH...
Im Jahr 2000 befasste sich der BGH in der Entscheidung "Vielfachabmahner" (Urteil v. 05.10.2000, Az: I ZR 237/98) mit der Frage, wann die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen rechtsmissbräuchlich ist.
Damals galt zwar noch das alte UWG und der Rechtsmissbrauch war in § 13 Abs. 5 UWG a.F. geregelt, der Inhalt der Norm (jetzt § 8 Abs. 4 UWG) hat sich jedoch nicht geändert, weshalb dieses Grundsatz-Urteil noch immer den entscheidenden Maßstab zur Bewertung der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen bildet.
In dem zu Grunde liegenden Fall ging es um einen Rechtsanwalt, der gleichzeitig Bauträger und Altbausanierer war, der einen Mitbewerber abgemahnt hatte, da dieser in wettbewerbswidriger Weise in einer Tageszeitung geworben hatte.
Zunächst bestand die Frage, ob zwischen dem Rechtsanwalt und der werbenden Beklagten überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Diese Frage lies der BGH aber letztlich offen, da er die Klage bereits aus anderen Gründen abwies, nämlich wegen rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung des Unterlassungsanspruches.
Der Senat legte in dieser Entscheidung gleich mehrere Kriterien fest, an denen sich messen lässt, ob eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ausgesprochen wurde oder nicht.
So legte der BGH fest, dass die Vorschriften über den Rechtsmissbrauch im UWG als Korrektiv für die breit angelegte Anspruchsberechtigung dienen soll. Daher sollte die Vorschrift eine Handhabe bieten,
"wenn der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch mißbräuchlich geltend gemacht wird, insbesondere wenn sachfremde Ziele - wie das Interesse, den Gegner durch möglichst hohe Prozeßkosten zu belasten - als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen."
Bei der Anwendung der Missbrauchsvorschrift ist auch zu beachten, in welchem Wettbewerbsverhältnis die Parteien stehen. Denn der eingeführte § 13 Abs. 5 UWG (jetzt § 8 Abs. 4) dient auch dazu,
"Mißbräuche abzustellen, die sich daraus ergeben haben, daß Mitbewerber auf der Grundlage eines lediglich abstrakten Wettbewerbsverhältnisses ohne wesentliche anderen Eigeninteressen als den finanziellen Anreizen, die sich aus der Rechtsverfolgung ergeben konnten [...]"
Da für die Klagebefugnis ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis ausreichend ist, war es möglich, dass sich Wettbewerber abmahnen, die sich aber niemals Kunden "wegnehmen" könnten. So begannen viele Händler, verschiedene Tageszeitungen und andere Medien auf Fehler von Mitbewerbern hin zu untersuchen.
Geschieht dies aber massenhaft, ist das nach dem BGH ein weiteres Indiz für den Rechtsmissbrauch.
"[...] massenhaft - häufig aufgrund eines systematischen Durchforstens von gewerblichen Anzeigen in Tageszeitungen oder Zeitschriften - Wettbewerbsverstöße abmahnen konnten."
An dem Fall war besonders pikant, dass der Abmahnende Mitbewerber gleichzeitig Rechtsanwalt war. Das Gericht sah die Abmahntätigkeit in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu seiner sonstigen Tätigkeit als Bauträger und Altbausanierer.
"Aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden dient seine Rechtsverfolgung vielmehr keinem anderen Interesse als seinem Gebühreninteresse als Rechtsanwalt."
Der Anwalt mahnte im Jahr 1997 etwa 150 Mitbewerber ab und im Jahr 1998 noch weitere 35.
Der BGH hob in seinem Urteil das Berufungsurteil auf und bestätigte das Urteil des LG München I, welches ebenfalls den Rechtsmissbrauch bejaht hatte. (mr)
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