Viele Shopbetreiber kennen das Problem: Der Postbote klingelt und überreicht die Abmahnung eines Wettbewerbers. Nach Konsultation eines eigenen Anwalts stellt sich heraus, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war. Aber wer zahlt nun die Kosten des eigenen Anwalts? Der Abgemahnte selbst? Der Abmahner? Oder gar sein Anwalt?
Wann muss der Abmahnanwalt die Anwaltskosten des Abgemahnten tragen?
Im vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall (Urteil v. 18.01.2007, Az.: 16 O 570/06) stritten sich die Parteien um die Erstattung von Rechtsverteidigungskosten gegen eine Abmahnung.
Mit relativ knapper Begründung bejahte das Gericht die Abmahnung als rechtsmissbräuchlich. Der Rechtsmissbrauch ergebe sich u.a. aus einer unverhältnismäßig hohen Zahl von Abmahnungen und den damit zusammenhängenden Rechtsanwaltsgebühren, die der Abmahnerin dadurch entstanden sind. Insgesamt mahnte diese 160 Mitbewerber ab, jeweils mit einem Streitwert von 10.000 bzw. 20.000 Euro ab.
Der Ausgangsfall in dieser Sache war das Ende einer Abmahnwelle. Der abmahnende IT-Händler hatte nach unseren Erkenntnissen sogar ca. 700 Wettbewerber abgemahnt. Das LG Bielefeld hatte in der Sache bereits entschieden, dass die ausgesprochenen Abmahnungen rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG waren.
Dann ging es nur noch um die Frage, wer den verteidigenden Anwalt zahlen muss. Dieser hatte in seiner Klage auf Kostenerstattung nicht nur die Abmahnerin verklagt, sondern daneben auch noch den abmahnenden Rechtsanwalt. Beide sollten im Rahmen der sog. Gesamtschuld für die Kosten haften.
Das bedeutet, dass der Kläger das Geld von jedem der beiden fordern kann. Also entweder vom Rechtsanwalt oder von der Abmahnerin. Und dabei steht es dem Gläubiger frei, ob er die kompletten Kosten von einem der beiden ersetzt haben will oder anteilsmäßig von beiden.
Die Berliner Richter sahen diesen gesamtschuldnerischen Anspruch als gegeben an und verurteilten den Abmahner sowie seinen Anwalt zur Zahlung der Kosten der Rechtsverteidigung gemäß § 826 BGB, da es sich bei einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung handele.
Auch das Amtsgericht Schleiden/Eifel entschied im Dezember 2008 in einem wegweisendem Urteil, dass eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstelle und deswegen der Abmahner zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Der Abmahnanwalt sollte sich genau überlegen, ob er eine Abmahnung ausspricht. Denn wenn sich herausstellt, dass diese rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG ist, wird er evtl. selbst auf Zahlung der Rechtsverteidigungskosten in Anspruch genommen.
Gerade wenn man sich überlegt, dass viele Kleinstunternehmer mit gerade einmal 200 Euro Monatsumsatz sich selbst durch eine übermäßige Abmahntätigkeit mit einem Prozesskostenrisiko von mehreren Tausend Euro belegen - wie dies z.B. auch in einem Fall aus Bielefeld war -, ist bei diesen wohl kein Erstattungsanspruch durchzusetzen. (mr)