EU legt neuen Richtlinienvorschlag vor - Welche Auswirkungen hat dieser auf das Widerrufsrecht?

europa11Die Europäische Kommission hat am 08.10.2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher vorgelegt, kurz VRRL-E. Damit werden vier derzeit bestehende Richtlinien zusammengeführt. Regelungslücken und Unstimmigkeiten werden beseitigt. Dabei ist für den Shopbetreiber wohl am wichtigsten:

Das Widerrufsrecht soll vereinfacht und europaweit einheitlich geregelt werden.

Update 23.6.2011: Vereinheitlichung des Widerrufsrechtes beschlossen

Nach einer Überprüfung der Umsetzungsnormen von verschiedenen verbraucherschützenden Richtlinien kam die EU-Kommission zu dem Ergebnis, dass der Verbraucherschutz in den 27 Mitgliedsstaaten deutliche Unterschiede aufweist und dass dies ein Hindernis für einen freien Warenverkehr innerhalb Europas ist. Die Kommission erkannte, dass dies geändert werden muss und legte nach einer Vielzahl von Anhörungen und Stellungnahmen im Oktober letzten Jahres den neuen Richtlinienvorschlag über Rechte der Verbraucher vor.

mmr_neu_oj_113_woTrusted Shops Justiziar Carsten Föhlisch hat zu diesem Richtlinienvorschlag einen Aufsatz mit dem Titel "Endlich Vollharmonisierung im Fernabsatzrecht? - Auswirkungen der geplanten Europäischen Verbraucherrechtsrichtlinie" (MMR 2009, S. 75) verfasst. Die zentralen Punkt in Bezug auf das Widerrufsrecht sollen hier im ebenfalls kurz dargestellt werden.

Einheitliche Regelungen für ganz Europa

Eine zentrale Änderung zu den vorausgegangenen Richtlinien ist der sog. Vollharmonisierungsansatz. Dies bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung nicht von den Regeln der Richtlinie abweichen dürfen. Bisher legten Richtlinien lediglich sog. Mindeststandards fest, die strengere Regeln erlaubten. Das Ergebnis dieser Mindeststandards war allein bei der Widerrufsfrist fatal: In fast allen Mitgliedsstaaten gelten unterschiedliche Regelungen. Die Frist variiert zwischen 7 Werktagen, 8 Tagen, 10 Tagen, 10 Werktagen, 14 Tagen und 15 Tagen. Außerdem müssen besondere Formvorschriften in den einzelnen Ländern beachtet werden.

Will ein Händler derzeit europaweit Waren anbieten, benötigt er 27 unterschiedliche Widerrufsbelehrungen. Eine Belehrung in diesem Umfang ist praktisch unmöglich. Oder er müsste eine Belehrung haben, die aus den höchsten Standards der jeweiligen Länder zusammengesetzt ist. Dies ist aus unternehmerischer Sicht ebenfalls unmöglich.

Durch den Vollharmonisierungsansatz ist nun Schluss damit: Es soll eine einheitliche Frist von 14 Tagen in ganz Europa gelten.

Standard-Widerrufsformular

Im Richtlinienvorschlag ist vorgesehen, dass das Widerrufsrecht durch den Verbraucher mit Hilfe eines Standardformulars ausgeübt werden kann, und zwar auch auf einer website. Dieser Vorschlag geht jedoch vollkommen an der Realität vorbei. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb dem Verbraucher hier eine so hohe formale Belastung auferlegt wird. Ein einfaches Schreiben (per Post oder E-Mail), welches klar erkennen lässt, dass der Verbraucher den Vertrag widerrufen will, sollte hier ausreichen.

Besonders kritisch zu betrachten, ist die vorgesehene Möglichkeit, das Widerrufsrecht über ein Online-Formular auszuüben. Dies öffnet unseriösen Händlern Tür und Tor. Durch technische Pannen o.Ä. wird ein solches Formular niemals beim Händler ankommen, der einen Widerruf nicht will.

Eine Standard-Widerrufsbelehrung wäre hier mehr als wünschenswert gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass das Widerrufsformular durch eine solche Belehrung noch im Prozess der Richtlininengebung ersetzt wird.

30-Tage-Frist zur Rückabwicklung

Neu ist außerdem, dass der Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechtes, die Ware innerhalb einer Frist von 30 Tagen an den Händler zurücksenden muss. Diese Frist wird zwar auch jetzt schon durch die Fernabsatzrichtlinie vorgesehen, wurde in Deutschland jedoch nicht umgesetzt.

Außerdem ist auch das Problem der Versandkosten endlich gelöst. So schreibt der Vorschlag vor, dass die Hinsendekosten immer vom Unternehmer zu tragen sind, die Rücksendekosten dagegen immer vom Verbraucher. Diese Regelung ist sowohl für den Verbraucher wie auch für den Unternehmer vollkommen akzeptabel. Außerdem verschwindet dann endlich die völlig missratene "40-Euro-Klausel" aus dem BGB.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Erscheinen die Neuregelungen zum Widerrufsrecht noch äußerst sinnvoll, wird dieser Eindruck bei den Ausnahmen nicht bestätigt. Vielmehr zeigt sich hier wieder reines Lobbyisten-Werk.

Erneut fehlt es an einer Regelung, die Produkte, die aus Hygiene-, Gesundheits,- oder Sicherheitsgründen nach einer Nutzung nicht wieder verkauft werden können. Beispielhaft seien hier Unterwäsche, Arnzeimittel, Einwegspritzen oder Piercing-Schmuck genannt.

Dagegen soll eine neue Ausnahme für geringwertige Transaktionen geschaffen werden. Diese eröffnet bereits jetzt ein großes Problem: Was bedeutet "geringwertig"?

"Nicht zur Rücksendung geeignet" wird gestrichen

Der Passus, das Waren, die nicht zur Rücksendung geeignet sind, vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind, soll ersatzlos gestrichen werden. Zur Begründung wird angeführt, dass der Unternehmer Wertersatz verlangen könne, wenn der Verbraucher solche Waren widerruft. Hier wird verkannt, dass der Verbraucher durch eine solche Regelung schlechter gestellt wird, als wenn er von vornherein weiß, dass ein Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.

Kein Widerrufsrecht mehr bei eBay-Versteigerungen

Bereits jetzt sind nach deutschem Recht Versteigerungen vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Darunter fallen aber ihrer Definition nach keine Verkäufe im Rahmen von eBay-Versteigerungen. Das will der Richtlinienvorschlag ändern.

Durch eine neue Definition von Versteigerungen als eine Verkaufsmethode,

"bei der Waren oder Dienstleistungen vom Gewerbetreibenden in einem auf konkurrierenden Geboten basierenden Verfahren angeboten werden, das den Rückgriff auf Fernkommunikationsmittel einschließen kann und bei dem derjenige, der das höchste Gebot abgibt, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist; kommt ein Rechtsgeschäft auf der Grundlage eines Festpreisangebots zustande, so handelt es sich nicht um eine Versteigerung, auch wenn dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt wird, das Rechtsgeschäft in einem Bietverfahren abzuschließen."

Diese Regelung hat zur Folge, dass nach dem Vorschlag, eBay-Versteigerungen vom Widerrufsrecht ausgenommen sind, "Sofort-Käufe" jedoch nicht.

Wein-Lobby war sehr fleißig

Eine komplett neue Ausnahme soll Gesetz werden. So sollen zukünftig Verträge vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein, bei denen

"Wein geliefert wird, dessen Preis beim Abschluss des Kaufvertrags vereinbart wurde, dessen Lieferung aber erst nach Ablauf der in Artikel 22 Absatz 1 genannten Frist erfolgen kann und dessen aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat"

Als "geradezu skanalös" empfindet dies Carsten Föhlisch in seinem Aufsatz. Diese Ausnahme kann nur einen Grund haben:

"Dies kann man sich nur so erklären, dass der EU-Beamte, der die RL geschrieben hat, von der Weinhändlerlobby eine Kiste Wein geschickt bekommen und diese vor Abfassen des Richtlinienentwurfs ausgetrunken hat. Im nüchternen Zustand wäre man nicht auf die Idee gekommen, eine solche offensichtliche Lobby-Klausel allen Ernstes vorzuschlagen, ohne die anderen bestehenden Ausnahmen gründlich zu überarbeiten, wie es dringend geboten gewesen wäre."

Treffender kann man dies wohl nicht formulieren.

Fazit

Grundsätzlich wird der neue Richtlinienvorschlag begrüßt, da dieser die Belange sowohl von Verbrauchern wie auch von Unternehmern berücksichtigt. Gerade am Vollharmonisierungsprinzip sollte festgehalten werden, um so einen grenzüberschreitenden Verkehr zu erleichtern.

Update: Verbraucherrechterichtlinie beschlossen

Am 23.6.2011 hat das Europaparlament die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher beschlossen. Damit wird das Widerrufsrecht europaweit vereinheitlicht. Unter anderem gilt dann in dem Mitgliedstaat eine Widerrufsrist von 14 Tagen und die Regelung, dass der Verbraucher nach Ausübung des Widerrufsrechtes immer die Rücksendekosten zu tragen hat, wenn er vom Unternehmer darüber informiert wurde.

Über den Autor

RA Carsten Föhlisch

ra-carsten-foehlisch-tsAutor Carsten Föhlisch ist Rechtsanwalt und Justiziar bei Trusted Shops und seit über acht Jahren ausschließlich mit Themen rund um den rechtssicheren Online-Shop befasst. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Lüneburg und regelmäßig als Referent für Verbraucherschutzrecht im E-Commerce tätig, u.a. für Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Wettbewerbszentrale e.V. (WBZ) und Universität Münster (ITM). Zahlreiche Veröffentlichungen zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels.

11.02.09