Kann getragene Unterwäsche einem Widerrufsrecht unterliegen? Wie ist es mit anderen von Verbrauchern genutzten Waren, wie etwa Zahnbürsten, Piercingschmuck, Kosmetik- oder Erotikartikeln? Die Shopbetreiber-Blog Autoren Rolf Becker und Carsten Föhlisch gehen diesen Fragen nach und entwickeln Kriterien für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes "zur Rücksendung nicht geeignet" nach § 312 d IV Nr. 1 Var. 3 BGB.
Die beiden Rechtsanwälte haben zu diesem Thema gerade einen Fachaufsatz in der "Neuen Juristischen Wochenschrift" veröffentlicht, der sicherlich viel Aufsehen in der Branche erregen wird.
Der Gesetzgeber hat in § 312d Abs. 4 BGB einen Ausnahmenkatalog zum Widerrufsrecht geschaffen, welcher keiner erkennbaren Systematik folgt, sondern reines Lobbyistenwerk ist.
Dennoch kann man anhand dieser Ausnahmen eine Kernüberlegung identifizieren: Vom Widerrufsrecht wurden solche Verträge ausgenommen, die ein spekulatives Element beinhalten (z.B. Wetten) oder die Waren zum Inhalt haben, die eindeutig auf die Bedürfnisse des Kunden oder nach dessen Spezifikationen angefertigt wurden, die von Verderbnis bedroht sind oder aber letztlich wertlos geworden sind und eine Rücknahme für den Unternehmer daher nicht zumutbar ist.
Ein Unternehmer wird aus seinem Standpunkt so ziemlich bei jedem Produkt sagen, dass eine Rücknahme unzumutbar ist. Es stellt eine sehr hohe Belastung dar, eine komplette Wohnzimmereinrichtung, die im Internet gekauft wurde, wieder beim Verbraucher abzuholen. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein genügen aber nicht den Anforderungen der Unzumutbarkeit. Dieses Risiko trägt nach dem Willen des Gesetzgebers der Unternehmer.
Es müssen vielmehr die Interessen der Verbraucher und die der Unternehmer miteinander abgewogen werden. So ist es dem Händler grundsätzlich zuzumuten, dass der Verbraucher die Verkaufsverpackung öffnet und dann immer noch sein Widerrufsrecht hat.
Die Beschaffenheit des Produktes darf sich dadurch aber nicht derart ändern, dass der Unternehmer nichts anderes mit dem Produkt mehr machen kann, als es zu vernichten.
Ein solcher Ausschluss nutzt auch dem Verbraucher, weil er dann von vornherein weiß, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht und nicht etwa nach Ausübung des Widerrufsrechtes davon erfährt, dass er 100% Wertersatz leisten muss und weder Ware noch Kaufpreis in den Händen hält.
Heizöl soll schon nach Willen des Gesetzgebers vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein, wenn dieses bereits in den Tank des Kunden gefüllt wurde, da dann nicht mehr gewährleistet werden kann, dass es noch die erforderliche DIN-Norm erfüllt und daher nicht mehr verkauft werden kann. Doch es gibt auch weitere vergleichbare Fälle.
Hat beispielsweise das Öffnen einer Verpackung zur Folge, dass das Produkt unter keinen Umständen weiter verkauft werden kann, dann sollten auch diese Produkte vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein. Wer als Verbraucher die Blister-Verpackung von Kontaktlinsen öffnet, dem sollte schon klar sein, dass man die so wertlos gewordenen Produkte nicht mehr in den Verkehr bringen kann. Anders liegt der Fall, wenn nur die Umverpackung fehlt.
Auch bei Hygieneartikeln stellt sich die Frage, ob diese vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind oder nicht. Ein pauschaler Ausschluss von "Hygieneartikeln" vom Widerrufsrecht ist jedoch schon wegen des Verstoßes gegen das Transparentgebot nicht möglich.
Nach der Verkehrsanschauung müssen jedoch solche Produkte ausgenommen sein, die zum "Prüfen" in Körperöffnungen eingeführt werden müssen oder sonst mit Körperflüssigkeiten in Verbindungen kommen.
Es ist unvorstellbar, z.B. Piercingschmuck nach einem Probetragen durch einen Kunden einem weiteren zu verkaufen. Ebenso unvorstellbar ist es, dass Erotikspielzeug wie z.B. Liebespuppen oder Vibratoren nach dem Auspacken durch einen Kunden wieder in Verkehr gebracht werden.
Windeln oder Wattepads werden ebenfalls durch bloßes Öffnen der direkten Umverpackung wertlos. Bei Earphones kommt es darauf an, ob diese durch Reinigung oder Austausch von Teilen wieder in einen verkehrsfähigen Zustand versetzt werden können.
Aber wie sieht das bei Unterwäsche, Strumpfhosen oder Socken aus? Bei Kleidungsstücken ist es selbstverständlich, dass man diese Anprobieren muss, um die Passform, Größe, etc. festzustellen. Diese ist auch im Ladengeschäft unter Einhaltung von bestimmten Vorgaben möglich. Das OLG Frankfurt hat daher den pauschalen Ausschluss von Unterwäsche vom Widerrufsrecht zu Recht für unzulässig erklärt.
Bei der Beurteilung, ob getragene Unterwäsche noch in den Verkehr gebracht werden kann, darf jedoch nicht berücksichtigt werden, dass dies unter einer Zweckentfremdung geschieht, denn es gibt ja durchaus auch einen Markt für getragene Unterwäsche. Solche Ware ist gleichwohl vom Widerrufsrecht ausgenommen.
Eine weitere Produktgruppe, bei denen es dem Unternehmer unzumutbar scheint, diese zurückzunehmen, wenn sie benutzt wurden, sind Kosmetikprodukte. Jedenfalls gilt dies für Cremes, Make-Up, Puder, deren Primärverpackung geöffnet wurde und Teile mit der Hand entnommen wurden oder auch für Deoroller, die bereits am Körper probiert wurden. Hier besteht die Gefahr der Übertragung von Krankheiten, sodass der Händler diese Produkte nur noch vernichten kann.
Anders dagegen ist es bei Parfum. Eine angebrochene Parfumflasche kann durchaus wieder aufgefüllt werden oder ggfs. noch als Tester verkauft werden.
Waren sind auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet, wenn sich im Widerrufszeitpunkt eine Situation für den Ausschluss des Widerrufes ergibt. Diese ist im Rahmen einer
zu bestimmen.
Der Verbraucher wird bei einem Auschluss des Widerrufsrechtes häufig bessergestellt als bei Rückgabe, da der zusätzlich zur Rücksendung zu entrichtende Wertersatz vielfach in die Nähe des vollen Kaufpreises rückt, die (z.B. angebrochene) Ware für den Verbraucher hingegen ihren ursprünglichen Wert weiterhin aufweisen kann.
Die Regelung des § 312d IV Nr. 1 Alt. 3 BGB ist damit interessengerecht und handhabbar. Umso dramatischer ist, dass der europäische Gesetzgeber plant, genau diese derzeit in Art. 6 III Spiegelstrich 3 der FARL enthaltene Ausnahmevorschrift in Art. 19 I c des Vorschlags für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher ersatzlos zu streichen.
Vollständiger Aufsatz
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Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Über die Autoren
RA Rolf Becker
Autor Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER (wienke-becker.de) in Köln. Der Autor von Fachbüchern (Fernabsatzgesetz, Versandhandelsmanagement, Werbetexten, Kanzleiführung) und Fachartikeln (siehe auch www.versandhandelsrecht.de) hat sich auf das Wettbewerbsrecht spezialisiert. Er berät auch zahlreiche Internetversandhändler.
RA Carsten Föhlisch
Autor Carsten Föhlisch ist Rechtsanwalt und Justiziar bei Trusted Shops und seit über acht Jahren ausschließlich mit Themen rund um den rechtssicheren Online-Shop befasst. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Lüneburg und regelmäßig als Referent für Verbraucherschutzrecht im E-Commerce tätig, u.a. für Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Wettbewerbszentrale e.V. (WBZ) und Universität Münster (ITM). Zahlreiche Veröffentlichungen zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels.