Kein Wertersatz für bestimmungsgemäße IngebrauchnahmeNeben der längeren Widerrufsfrist gibt es bei eBay eine zweite Besonderheit gegenüber “normalen” Online-Shops: Es kann kein Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware infolge einer sog. “bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme” der Ware verlangt werden. D.h. Kunden können z.B. 1 Monat lang mit einer Friteuse frittieren und diese gegen volle Kaufpreisrückerstattung zurücksenden. Auch hier fragen wir uns: Warum denn eigentlich? In unserem Beitrag finden Sie eine Zusammenstellung aktueller Gerichtsentscheidungen, abweichender Meinungen und geplanter Änderungen des Gesetzgebers.

Lesen Sie mehr über die “Lex eBay” und warum dort anders als bei “normalen” Shops (noch) kein erweiterter Wertersatzanspruch besteht.

Wie auch bei der Frage der Fristlänge ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend dafür, ob der Händler erweiterte Wertersatzansprüche gegen den Kunden geltend machen kann. Das in solchen Fällen anwendbare Rücktrittsrecht sieht im Normalfall zwar einen Wertersatzanspruch für Schäden vor, die durch Beschädigungen der Ware durch den Kunden entstehen. Jedoch kann im Normalfall kein Wertersatz für “die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung” verlangt werden (§ 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Normalfall: Kein Wertersatz wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme

Hintergrund dieser Regelung ist, dass das Rücktrittsrecht auch dann Anwendung findet, wenn der Kunde den Rücktritt nicht zu verantworten hat, z.B. wenn die Ware mangelhaft ist und nicht repariert werden kann. Der Kunde soll dann keine Nachteile haben, wenn er die Ware, die er ja eigentlich behalten wollte, schon normal benutzt hat. Im Fall des Widerrufsrechtes, einem Unterfall des Rücktrittsrechts, sieht die Lage aber anders aus, denn hier kann der Kunde ohne jeden Grund vom Vertrag zurücktreten, ohne dass dem Verkäufer eine Pflichtverletzung wie die Lieferung einer mangelhaften Ware vorzuwerfen wäre.

Daher gibt es für diese Fälle eine Sonderregelung in § 357 Abs. 3 BGB. Dort heißt es:

Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 findet keine Anwendung, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat.”

Europarechtskonformität des Wertersatzanpruchs umstritten

Diese Regelung ist erst im Jahr 2002 in das deutsche Recht eingeführt worden und bis heute nicht unumstritten. So wird argumentiert, dass hierdurch das Widerrufsrecht des Kunden unzulässig eingeschränkt werde, weil der Kunde sich nicht ohne Kosten vom Vertrag lösen könne, wie dies Art. 6 Abs. 2 der europäischen Fernabsatzrichtlinie vorsehe. Abgesehen davon, dass eine solche Sichtweise für einen Händler, der benutzte Friteusen oder ähnliche Waren zurückgeschickt bekommt, wirtschaftlich nicht nachvollziehbar ist, spricht gegen diese Ansicht, dass die Kosten nicht durch Ausübung des Widerrufsrechtes, sondern durch Benutzung der Ware durch den Kunden entstehen.

Geht man von der Wirksamkeit des § 357 Abs. 3 BGB aus, ist für diesen erweiterten Wertersatzanspruch  – wie auch für die zweiwöchige Widerrufsfrist – Voraussetzung, dass der Kunde „spätestens bei Vertragsschluss in Textform“ über die Wertersatzmöglichkeit belehrt worden ist. Bei eBay erfolgt die Belehrung aus technischen Gründen jedoch erst nach Vertragsschluss, d.h. zu spät, um diesen Wertersatz zu verlangen.

Belehrung erfolgt bei eBay zu spät

So sehen es zumindest fast alle Gerichte. Ein Folgeproblem ist, dass in der alten Musterbelehrung des Bundesjustizministeriums (gültig bis 31.3.2008) keine entsprechende Differenzierung abhängig vom Belehrungszeitpunkt vorgesehen ist, so dass die Belehrung insoweit beim Einsatz bei eBay für falsch erklärt wurde. Dieser Fehler ist im neuen Belehrungsmuster korrigiert. Dort heißt es im Gestaltungshinweis 7:

Wenn ein Hinweis auf die Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung nicht spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgt, ist anstelle dieses Satzes folgender Satz einzufügen: „Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.“

Bei eBay muss die Belehrung also anders lauten als bei normalen Online-Shops, in denen vor oder zusammen mit der Bestellannahme per E-Mail über den Wertersatzanspruch belehrt wird. In einer Reihe von Gerichtsentscheidungen ging es darum, dass bei eBay die alte Musterbelehrung verwendet wurde, in der von einem erweiterten Wertersatzanspruch die Rede ist, ohne dass ein solcher bei eBay besteht.

Altes Belehrungsmuster ist fehlerhaft

In einem vom LG Dortmund (Beschluss v. 19.07.2007, 10 O 113/07) entschiedenen Fall bot der Antragsgegner über eBay einen „Weber Original Grill One Touch Gold“ zum Kauf an. Auf der Angebotsseite befand sich eine Widerrufsbelehrung. Dort hieß es:

„Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns ggf. Wertersatz leisten. Bei der  Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt … “

Das LG Dortmund hat entschieden, dass eine solche Widerrufsbelehrung bei eBay unzulässig sei. Diese weise den Verbraucher nicht darauf hin, dass Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware, die durch bestimmungsgemäßen Gebrauch entstanden ist, nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB außer Betracht bleibt.

Internetbelehrung entspricht nicht dem Textformerfordernis

Hiervon könne zu Lasten der Verbraucher nur dann abgesehen werden, wenn sie spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Möglichkeit hingewiesen werden (§ 357 Abs. 3 S. 1 BGB). Eine solche Belehrung des Verbrauchers finde aber bei Verkäufen über eBay nicht statt, da die ins Internet gestellte Belehrung nicht der Textform genüge, so das Gericht.

Ähnlich haben auch das LG Karlsruhe (Urteil v. 8.8.2007, 13 O 76/07 KfH I) und das OLG Stuttgart (Beschluss v. 04.02.2008, 2 U 71/07) in vergleichbaren Fällen entschieden. So argumentiert das OLG Stuttgart:

„bei eBay kommt im Fall einer Auktion der Vertrag mit deren Ende automatisch mit dem Höchstbietenden zustande und im Fall der „Sofort-Kaufen“-Option bereits mit deren Ausübung (§10,  § 11 Abs. 1 der AGB); … Bei einer derartigen Konstellation kann daher eine Belehrung des Verbrauchers in Textform spätestens bei Vertragsschluss allenfalls dann vorliegen, wenn der Kaufinteressent vor Abgabe seines Gebots (über die Bieterfunktion bei einer Auktion bzw. vor dem Anklicken der „Sofort-Kaufen- Funktion“) die auf der jeweiligen Internetseite bereitgehaltene Widerrufsbelehrung tatsächlich heruntergeladen oder ausgedruckt hätte. Hiervon kann man im Regelfall nicht ausgehen.”

Keine vorrangige Spezialregelung im Fernabsatzrecht

Das OLG Stuttgart hat weiterhin entschieden, dass § 357 Abs. 3 BGB auch nicht durch § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB verdrängt wird, wonach eine Belehrung “spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher” ausreicht:

„Letztlich regeln § 312c Abs. 2 i.V.m. § 1 BGB InfoV und §§ 355ff BGB völlig unterschiedliche Problemkreise: bei § 312c BGB geht es um Informationspflichten und deren Erfüllung (u.a. auch hinsichtlich des Zeitpunkts), bei § 357 Abs. 3 BGB darum, welche Rechtsfolgen aus einer zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilten oder eben nicht erteilten Information erwachsen.

In § 312d Abs. 6 BGB hat der Gesetzgeber im Übrigen ausdrücklich bestimmt, dass sich für bestimmte Fernabsatzverträge (Finanzdienstleistungen) die Wertersatzpflicht abweichend von § 357 Abs. 1 BGB bestimmt. Diese Vorschrift machte keine Sinn, wenn §§ 355ff, insbesondere § 357 BGB, bei Fernabsatzverträgen gar nicht gelten sollten.“

Ebenso entschied das LG Karlsruhe unter Verweis auf die Warnfunktion der Belehrungsvorschrift:

„Die Auffassung, bei § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB handle es sich um eine allgemeine Vorschrift denen § 312 c Abs. 1 und Abs. 2 BGB als Spezialvorschriften auch bezüglich der Rechtsfolgen vorgingen, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass hierdurch das Erfordernis einer Belehrung in Textform bereits vor Vertragsschluss für die verschärfte Haftung des Verbrauchers modifiziert werden sollte.

Dem Erfordernis der Belehrung in Textform kommt insoweit ersichtlich Warnfunktion bei verschärfter, die Rücktrittsvorschriften zu Lasten des Verbrauchers modifizierender Haftung zu. Dies wird auch durch die Information nach § 312 c Abs. 1 BGB, welche wie dargelegt, vorliegend der Textform nicht genügt, nicht entbehrlich …“

Nur vereinzelt abweichende Entscheidungen

Anders hatte hierzu lediglich OLG Hamburg mit Beschluss v. 19.06.2007 (5 W 92/07) entschieden. Der 5. Zivilsenat meint, dass auch bei eBay ein erweiterter Wertersatz verlangt werden kann, weil die Regelung des § 312c Abs. 2 BGB systematisch vorrangig sei:

„Indessen enthalten die §§ 355 ff BGB nur allgemeine Vorschriften für alle Gesetze, nach denen dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt ist. Speziell für den Fernabsatz ist in § 312 c BGB näher festgelegt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die Widerrufsbelehrung mit dem in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV niedergelegten Inhalt zu erfolgen hat…

Die Erfüllung der Informationspflichten nach § 312 c Abs. 2 BGB hat … in Textform zu erfolgen, und zwar bei Waren – darum geht es hier – spätestens bis zur Lieferung  an den Verbraucher (§ 312 c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Diese Regelungen zur Widerrufsbelehrung im Fernabsatz sind als Spezialregelungen zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs anzusehen und gehen in ihrem Anwendungsbereich § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vor

Somit kann der Antragsgegner  sich die Haftung des Käufers für Verschlechterungen in der Weise erhalten, dass er innerhalb der Online-Auktion entsprechend der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV über die Rechtsfolgen des Widerrufs informiert, sofern er noch spätestens bis zur Lieferung der Ware dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung in Textform zukommen lässt.“

Diese Ansicht hat sich bislang jedoch ebenso wenig durchgesetzt wie die der Langerichte Flensburg und Paderborn, wonach eine Internet-Belehrung bereits dem Textformerfordernis genüge.

Fehlerhafte Belehrung kann abgemahnt werden

Schließlich liege auch in einem solchen Fall ein Verstoß i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG vor, so das OLG Stuttgart:

„… es handelt sich bei den Vorschriften, welche die Belehrung des Verbrauchers über Widerrufsrechte regeln, um Marktverhaltensregelungen zum Schutze der Verbraucher, weshalb eine unterbliebene, falsche oder unzureichende Belehrung nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter ist. …

Letztlich geht es ja auch nicht um einen Verstoß gegen § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB, sondern um einen solchen gegen § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Führt die Regelung des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB dazu, dass die Belehrung über die Wertersatzpflicht als Teil der von § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV geforderten Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs (hier: die Wertersatzpflicht bei Verschlechterung der Sache) falsch oder irreführend (bzw. nicht transparent i.S.v. § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist, liegt eine unzureichende und damit wettbewerbswidrige Belehrung vor.“

Anders ist kürzlich das Kammergericht Berlin davon ausgegangen, dass bei unveränderter Verwendung des alten Belehrungsmusters auch bei einer falschen Klausel zum Wertersatzanspruch bei eBay nur ein nicht abmahnbarer Bagatellverstoß vorliege. Die Begründung ist allerdings sehr fragwürdig. Daher sollte unbedingt das neue Belehrungsmuster verwendet werden, das eine entsprechende Differenzierung je nach Vertriebsweg (eBay oder Online-Shop) vorsieht.

Wertersatzregelungen sollen per Gesetz angeglichen werden

Die Ungleichbehandlung von Online-Shops und eBay-Händlern in Sachen Wertersatz wird es voraussichtlich ab Oktober 2009 nicht mehr geben. Denn analog zur Angleichung der Widerrufsfrist plant der Gesetzgeber auch, die Regelung zum Wertersatz für eine durch die sog. bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung bei Online-Shops und eBay anzugleichen. Hierzu wird der § 357 Abs. 3 BGB entsprechend geändert, indem nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird:

„Bei Fernabsatzverträgen steht ein unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtet hat.“

Um das sachlich gerechtfertigte Ergebnis, nämlich eine rechtliche Gleichbehandlung von Internetauktionshäusern mit „normalen“ Internetshops, zu erreichen, wird ein dem § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des Entwurfes nachgebildeter Satz eingefügt, so das Bundesjustizministerium:

„Mit dieser neuen Regelung, die § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des Entwurfes nachgebildet ist, wird den Besonderheiten bei Internetauktionen Rechnung getragen. Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 kann der Unternehmer vom Verbraucher Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur verlangen, wenn der Verbraucher „spätestens bei Vertragsschluss“ in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Durch die Einfügung des neuen Satzes wird sichergestellt, dass Fernabsatzgeschäfte über eine Internetauktionsplattform und solche, die sich in einem „normalen“ Internetshop vollziehen, rechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden.”

Lesen Sie auch hier im Blog:

Sowie unseren Gastbeitrag in der Internet World Business 17/2008:

Die Lex Ebay fällt! – Der Gesetzentwurf zur Neuordnung der Widerrufsvorschriften ist ein großer Wurf

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