Vor knapp einem Jahr wurde der Präsident des Vereins "Ehrlich währt am längsten", der massenhaft Online-Händler abmahnte, rechtskräftig verurteilt. Nun liegen uns mehrere Abmahnungen eines neuen Abmahnvereins namens "Online-Fair-Trade e. V." aus Stuppen vor, der angeblich falsche Widerrufsbelehrungen bei Amazon abmahnt. Die Legitimation des Vereins ist jedoch noch nicht geklärt, auch über die vorgeworfenen Rechtsverstöße lässt sich zumindest streiten.
Lesen Sie mehr über die neuen Abmahnungen und deren Hintergründe.
Der Verein behauptet, als Verein im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktiv zu legitimiert sein. Erforderlich wäre demnach, dass dem Verein
"eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt."
Derzeit kann aber noch nicht beurteilt werden, ob dies tatsächlich so ist. Der Verein, der laut Angaben des ihn vertretenden Rechtsanwaltes aus Dresden im Vereinsregister des AG Pirna unter VR 1051 eingetragen ist, hat keine eigene Internetseite, obwohl es erklärtes Ziel ist, "unlautere Geschäftspraktiken im Internet aufzudecken, Verursacher und Verbraucher zu informieren und Chancengleichheit und Fairness im Internethandel herzustellen." Auch Pressemeldungen o.ä. sind nicht aufzufinden.
Ungeklärt ist auch die erforderliche personelle Ausstattung ebenso wie die relevante Anzahl der Mitglieder. Interessant ist auch, dass ein externer Rechtsanwalt für nur 189 Euro Abmahnpauschale tätig wird. Dies ist zwar eine für Verbände übliche Pauschale, jedoch nur, soweit sie selbst tätig werden. Rechtsanwalt Johannes Richard aus Rostock, der bereits mehrere Fälle betreut, schreibt dazu auf seiner Internetseite:
"Es werden jedoch Erinnerungen an Versuche von Vereinen wach, Internethändler umfangreich abzumahnen, sei es der Verein "Ehrlich währt am längsten" oder des "Vereins zur Förderung des lauteren Wettbewerbs im Internet e. V."
Inhaltlich lässt sich über die (in allen Fällen identischen) Vorwürfe zumindest diskutieren. In den textbausteinartig aufgebauten Abmahnungen heißt es zu (angeblich fehlerhaften) Belehrungen über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht bei amazon:
"Ihnen ist dabei sicherlich entgangen, dass durch mittlerweile gefestigte Rechtsprechung festgestellt wurde, dass die Einräumung eines 14tägigen Widerrufsrechtes nur dann zulässig ist, wenn die Widerrufsbelehrung in Textform vor Abschluss des Vertrages dem Verbraucher zugeht."
Das ist in dieser Pauschalität schlichtweg falsch, denn eine Belehrung zusammen mit der Annahmeerklärung reicht aus. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB greift schon dem Wortlaut nach nur für Belehrungen NACH Vertragsschluss. Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluss, dass eine Belehrung VOR Vertragsschluss erforderlich ist.
Teilt der Händler in der Zugangs-Bestätigung E-Mail oder in der Auftragsbestätigung-E-Mail die Widerrufsbelehrung in Textform mit, erfolgt diese Mitteilung nicht nach Vertragsschluss, sondern vor Vertragsschluss oder bei Vertragsschluss. Daher greift die Vorschrift des Paragraphen 355 Abs. 2 S. 2 BGB schon nach dem Wortlaut nicht, so dass es bei der Zweiwochenfrist verbleibt. (weitere Infos zu diesem Thema hier).
Bei Verkäufen über den amazon-marketplace ist entscheidend, ob die Widerrufsbelehrung tatsächlich zusammen mit der Annahme der Bestellung per E-Mail verschickt wird. Keinesfalls sind jedoch die Vertriebswege amazon-marketplace und eBay einfach gleichzustellen. Zu amazon hat vielmehr das LG Berlin eine Zweiwochenfrist explizit bestätigt.
Das OLG Jena geht sogar einen Schritt weiter und meint unter Bezugnahme auf ein älteres BGH-Urteil, dass eine Belehrung VOR Vertragsschluss unzureichend ist:
“Dass der Verfügungsbeklagte bei Käufen unter der Option „Preis vorschlagen” im Rahmen einer ersten Kontaktaufnahme mit Kunden beim Aushandeln des Preises seine AGB mit einer Regelung zum Widerrufsrecht (per E-mail) übersendet, genügt nicht. Denn die Mitteilung der Widerrufsbelehrung vor der entscheidenden Vertragserklärung des Verbrauchers genügt nicht den gesetzlichen Erfordernissen (BGH NJW 2002, 3396, 3398).”
Der Senat hat ausdrücklich bestätigt, dass eine Belehrung zusammen mit der Bestellannahme für die Zweiwochenfrist ausreichend ist:
“Zwar wäre die Nennung der Zweiwochenfrist dann zutreffend, wenn der Verkäufer bei Einverständnis mit dem vom Kunden vorgeschlagenen Preis unmittelbar mit seiner Annahmeerklärung auch eine Widerrufsbelehrung in Textform (z.B. per E-Mail) übersendet."
Betroffene sollten sich also unbedingt beraten lassen, ob tatsächlich eine Unterlassungserklärung abgegeben werden muss. Wir werden in Kooperation mit unserem Anwaltsnetzwerk zudem eine Liste der Abgemahnten zusammenstellen, um zu prüfen, welchen Umfang die Tätigkeit des Vereins annimmt. (cf)
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