EintrittskartenDas AG München hat bereits mit Urteil vom 2.12.2005 (182 C 26144/05) entschieden, dass der Verkauf von Eintrittskarten durch einen Zwischenhändler vom Anwendungsbereich der Vorschriften über Fernabsatzverträge ausgenommen sei. Demnach bestehe insbesondere kein das Widerrufsrecht gem. § 312d BGB. Doch andere Gerichte haben zu diesem Thema anders entschieden.

Müssen Vermittler von Eintrittskarten, Reisen oder Lotteriedienstleistungen Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumen?

In dem vom AG München entschiedenen Fall ging es um die telefonische Bestellung von vier Eintrittskarten für eine Veranstaltung des Starkochs Witzigmann zum Preis von 626 Euro. Die Kundin hatte diese Bestellung im Anschluss fristgerecht widerrufen und weigerte sich, die Tickets zu zahlen. Sie berief sich darauf, dass es sich hier um einen Fernabsatzvertrag handele, der ein Rücktrittsrecht einräume.

Das AG München entschied jedoch gegen die beklagte Käuferin der Tickets und verurteilte Sie zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Das Gericht sah hier keinen Grund für die Anwendung des Fernabsatzgesetzes und des daraus resultierenden Widerrufssrechts.

In der Begründung des Urteils heißt es dazu unter anderem:

“Die Beklagte konnte nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten. Ein Rücktrittsrecht ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ist das Fernabsatzgesetz im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte hier als Unternehmer oder Privatperson gehandelt hat, da vorliegend ein Ausnahmetatbestand vom Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes gemäß § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB vorliegt.”

Es sei nicht nötig, dass der Vertragspartner die letztlich angestrebte Dienstleistung selbst erbringt. Hier vermittelt der Kläger Tickets für die Freizeitveranstaltung, was somit in den Anwendungsbereich des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB falle. Diese Vorschrift nimmt die genannten Verträge vollständig von Informationspflichten und Widerrufsrecht im Fernabsatz aus.

Ähnlich entschied schon das LG Berlin in seinem Urteil vom 07.07.2004 (33 O 130/03). Die Klägerin hatte bei der Beklagten, die als als Vermittlerin von Reiseleistungen auftrat, eine Reise gebucht. Reisen sind ebenfalls vom Fernabsatzrecht ausgenommen, wenn sie direkt beim Veranstalter gebucht werden. Hier war jedoch ebenfalls ein Vermittler im Spiel. In Bezug auf das Widerrufsrecht entschied das Gericht in diesem Zusammenhang:

“Der Beklagten ist zwar insofern Recht zu geben, dass die Regelungen über Fernabsatzverträge über §§ 312b ff. BGB wegen § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB unmittelbar nicht anwendbar sind. Der von der Beklagten hierfür vorgetragene Grund, dass nämlich Reiseveranstalter und auch Reisevermittler nicht darauf verwiesen werden können, einem zweiwöchigen Widerrufsrecht ausgesetzt zu sein, trifft zu.”

Anders entschied hingegen das AG Wenigerode in seinem Urteil vom 22.02.2007 (10 C 659/06). In diesem Fall ging es wieder um den Verkauf von Eintrittskarten für die WM 2006 bei ebay. Hierzu urteilte das AG Werningerode:

“Beim gewerblichen Weiterverkauf von Eintrittskarten im Wege des Fernabsatzes besteht ein Widerrufsrecht auf Seiten des Verbrauchers. Weder ein bereits erfolgter Rücktritt noch der Ablauf der Veranstaltung vor Widerruf stehen einem nachfolgenden Widerruf gem. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB entgegen.

Es handelt sich bei der Versteigerung um einen Kaufvertrag und damit nicht um eine Dienstleistung. Die Ausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB, nach dem bei Verträgen über Freizeitgestaltung die Fernabsatzvorschriften keine Anwendung finden, gilt nicht für Vermittler.”

Für diese Ansicht spricht, dass dem Sinn des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB entsprechend Dienstleistern eine gewisse Planungssicherheit eingeräumt werden soll, nicht jedoch die mit Tickets spekulierenden Zwischenhändler geschützt werden sollen. Dem europarechtlich eng auszulegenden Ausnahmetatbestand liegt die Überlegung zugrunde, dass es für Veranstalter häufig schwierig ist, ihre Kapazitäten kurzfristigen Änderungen der Marktlage anzupassen.

In diesem Sinne entschied bereits das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 27. 3. 2002 (6 U 200/01) einen Fall, bei dem es um die Frage ging, ob ein Vermittler von Lotteriediensten den Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumen muss. Das OLG Karlsruhe bejahte dies. Zwar sei die Lotteriedienstleistung selbt nach § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB vom Fernabsatzrecht ausgenommen. Nicht jedoch der Geschäftsbesorgungsvertrag des Vermittlers:

“Dies hat seinen Grund in der besonderen Struktur von Wettgeschäften, die auf den Eintritt eines ungewissen zukünftigen Ereignisses abstellen und bei denen üblicherweise die Chancen zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Wettpartnern eingeschätzt werden. Dann wäre es in der Tat nach der Eigenart des Geschäfts unangemessen, wenn sich ein Teil – insbesondere bei einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse – einseitig von seiner Wette durch einen Widerruf lösen könnte.

Von solchen Ungewissheiten, Spekulationen und aleatorischen Reizen ist dagegen die Geschäftsbesorgung durch die Bekl. nicht betroffen. Es sind keine durchgreifenden sachlichen Gründe erkennbar, warum der Verbraucher nicht widerrufen können soll, solange – bildlich gesprochen – der Lottoschein noch bei der Bekl. liegt und diese sich noch nicht auf den Weg zur Annahmestelle gemacht hat.”

Die gegenteiligen Entscheidungen aus München, Berlin, Wernigerode und Karlsruhe zeigen, dass es in diesem Bereich noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt. Soweit sich Tickethändler und Reisebüros auf das Nichtbestehen eines Widerrufsrechtes nach § 312d Abs. 4 BGB berufen wollen, muss hierauf gem. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV hingewiesen werden. Wer Abmahnungen vermeiden will, sollte Kunden aber besser ein Widerrufsrecht einräumen. (cf)

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