Bereits am 4. Oktober wurde bekannt, dass der BGH die Pflicht zur Platzierung der Angabe “inkl. Mwst zzgl. Versand” gelockert hat (wir berichteten). Nun liegt auch die lang erwartete Urteilsbegründung vor. Hierin stellt der Bundesgerichtshof erfreulicherweise klar, dass der nach § 1 Abs. 2 PreisangabenV erforderliche Hinweis nicht neben jedem Preis platziert werden muss, sondern z.B. auch auf der Produktdetailseite vorhanden sein kann.
Damit wird zahlreichen Abmahnwellen, wie z.B. 2006 von der Digital WorldNet durchgeführt, nun endgültig der Boden entzogen. Einleuchtende Begründung: Verbrauchern ist bekannt, dass im Versandhandel üblicherweise Versandkosten anfallen.
Lesen Sie mehr über die Urteilsbegründung des obersten deutschen Zivilgerichts zu einem Thema, das wie kaum ein anderes Shopbetreiber Nerven und Geld gekostet hat.
Im Fernabsatzhandel muss gemäß § 1 Abs. 2 PAngV darauf hingewiesen werden, dass die Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten und ob zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen. Da viele Händler diesen Hinweis nicht unmittelbar neben jeder Preisangabe platzieren, wurden seit Ende 2004 zahlreiche mehr oder weniger seriöse Abmahnwellen gestartet. Alle Abmahnungen basierten auf der strengen Rechtsprechung des OLG Hamburg.
Nach Auffassung des OLG Hamburg müssen die Hinweise auf MWSt und Versandkosten über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur beim Anbieten (1. Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 PAngV) sondern auch beim Werben mit Preisen (2. Fall des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV) erfolgen (OLG Hamburg, Urteil v. 23.12.2004 – 5 U 17/04). Zudem müssten sich die Hinweise entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den beworbenen Artikeln befinden, oder der Nutzer muss in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung eindeutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen einschließlich der Angaben nach § 1 Abs. 2 PAngV hingeführt werden, z.B. durch einen “sprechenden Link” (OLG Hamburg, Urteil v. 12.8.2004 – 5 U 187/03). Nicht ausreichend ist nach OLG Hamburg, wenn am oberen Bildschirmrand auf die Seiten “Allgemeine Geschäftsbedingungen” und “Service” hingewiesen wird, auf denen sich die Angaben nach § 1 Abs. 2 PAngV finden lassen. Auch ein Link mit der Beschriftung “mehr Info” erfülle diese Anforderungen nicht (OLG Hamburg, Urteil v. 3.2.2005 – 5 U 128/04).
Diese Rechtsprechung ist nun Rechtsgeschichte. Der BGH (Urteil v. 4.10.2007, I ZR 143/04) stellt klar, dass die Angaben auch auf einer nachfolgenden Seite (z.B. Produktdetailseite) vorhanden sein können, die der Kunde vor Einleitung des Bestellvorgangs aufrufen muss:
“Gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) wird bei Internetangeboten nicht bereits dann verstoßen, wenn auf einer Internetseite neben der Abbildung einer Ware nur deren Preis genannt wird und nicht schon auf derselben Internetseite darauf hingewiesen wird, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich zu dem Preis Liefer- und Versandkosten anfallen. Den Verbrauchern ist bekannt, dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise Liefer- und Versandkosten anfallen; sie gehen auch als selbstverständlich davon aus, dass die angegebenen Preise die Umsatzsteuer enthalten.
Es kann deshalb genügen, wenn die durch § 1 Abs. 2 PAngV geforderten Angaben jedenfalls alsbald sowie leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Internetseite gemacht werden, die noch vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss.”
In der weiteren Begründung des Verfahrens von Media Markt gegen Mindfactory konkretisieren die Karlsruher Richter die rechtlichen Maßstäbe des Hinweises auf Mwst und Versandkosten:
“Den gesetzlichen Erfordernissen des § 1 Abs. 6 PAngV kann auf verschiedene Weise Rechnung getragen werden. Die notwendigen Hinweise können nicht nur jeweils unmittelbar neben den Preisen der einzelnen Waren stehen, sondern z.B. auch in einem hervorgehobenen Vermerk auf derselben Seite (einer sog. Sternchen-Fußnote) oder auch auf einer nachgeordneten Seite, auf die ein unzweideutiger Link verweist.”
Demnach ist es nun möglich, den Hinweis “inkl. Mwst zzgl. Versandkosten” (”Versandkosten” verlinkt auf die Versandkostentabelle) durch einen Sternchenverweis in einer Fußzeile der Produktübersichtsseite oder auch erst auf einer Produktdetailseite zu platzieren, wenn der Kunde diese Seite aufrufen muss, bevor er ein Produkt in den Warenkorb legt. Es ist nicht mehr zwingend erforderlich, dass die Angaben neben jedem Preis auf jeder Produktübersichtsseite vorhanden sind, wie dies noch vom OLG Hamburg gefordert wurde.
Damit setzt der I. Zivilsenat des BGH seine äußerst begrüßenswerte Rechtsprechung zum Internetversandhandel fort. Doch Vorsicht: die Angaben müssen gemacht werden, bevor der Bestellvorgang eingeleitet wird, d.h. bevor Ware in den Warenkorb gelegt wird. Kann der Kunde von einer Übersichtsseite aus direkt bestellen, müssen die Angaben auch hier vorhanden sein. Eine Platzierung auf Produktdetailseiten reicht dann nicht aus, wenn der Kunde diese Seite nicht zunächst aufrufen muss, um einen Artikel in den Warenkorb zu legen.
Die Angaben nach der Preisangabenverordnung benötige der Verbraucher nicht erst im Zuge der Bestellung, sondern bereits, wenn er sich mit dem Angebot näher befasst. Daher müssten sie dem Angebot oder der Werbung eindeutig zugeordnet sein (§ 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV). Werden die erforderlichen Informationen dem Verbraucher erst gegeben, wenn er sich bereits zum Erwerb entschlossen und deswegen den Bestellvorgang durch Einlegen der Ware in den virtuellen Warenkorb eingeleitet hat, seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 PAngV nicht erfüllt, so der BGH.
Sehr deutlich erteilt der I. Zivilsenat des BGH jedoch der strengen Auffassung des OLG Hamburg zur Auslegung der Preisangabenverordnung eine Absage:
“Ein unmittelbarer räumlicher Bezug der Hinweise zu den Abbildungen der Waren oder ihren Beschreibungen wird durch § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV nicht zwingend gefordert. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich dies auch nicht aus § 4 Abs. 4 PAngV.”
Auch setzt das Gericht seine äußerst begrüßenswerte bisherige Rechtsprechung zum Verbraucherleitbild im Internet und zu “sprechenden Links” fort:
“Wenn wie hier Waren des täglichen Gebrauchs beworben und angeboten werden, ist dabei maßgeblich auf den durchschnittlichen Nutzer des Internets abzustellen (vgl. zu § 312c BGB BGH, Urt. v. 20.7.2006 – I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Tz. 21 = WRP 2006, 1507 – Anbieterkennzeichnung im Internet). Dieser ist mit den Besonderheiten des Internets vertraut; er weiß, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise („Links“) verbunden sind.
Den Verbrauchern ist allgemein bekannt, dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise Liefer- und Versandkosten anfallen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1996 – I ZR 162/94, GRUR 1997, 479, 480 = WRP 1997, 431 – Münzange-bot; Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211 Tz. 15). … Dem Verkehr ist geläufig, dass die Versandkosten als Drittkosten neben dem Warenpreis gesondert und nicht auf die Ware, sondern auf die Sendung erhoben werden. Die Versandkosten sind danach nicht schon deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Warenpreis auszuweisen, weil sie als Teil des Gesamt- oder Endpreises anzusehen wären (vgl. BGH NJW 2006, 211 Tz. 15).”
Wenngleich viele Shopsysteme (durch zahlreiche Abmahnwellen gezwungen) mittlerweile die Möglichkeit vorsehen, Hinweise zu Mwst und Versand direkt neben jedem Warenpreis zu platzieren, müssen Händler dies nun nicht mehr tun. Gerade aus Marketingsicht wurden die rechtlichen Hinweise oft als Formalismus und Platzverschwendung empfunden. Sicherlich wird auch die ein oder andere Unterlassungserklärung nach dem BGH-Urteil gekündigt werden können. (cf)
Wirklich nach langer Zeit mal wieder ein sinnvolles Urteil aus der obersten Gerichtsbarkeit, was viele Shop-Betreiber begrüßen werden. Schließlich nehmen Hinweise auf Steuer und Versand bei einigen Darstellungen (z.b. Bestseller-Produkte oder auch Neue Produkte) die gern in Sidebars integriert werden, relativ viel Platz weg. Schön, dass man jetzt wieder etwas freier wird in der Shop-Gestaltung.
Der Media-Markt und der liebe Herr RA Steinhöfel, Hamurg, haben uns für sehr teures Geld abgemahnt (Einspruch, einstweilige Verfügung etc.) , weil der Hiweis auf Mehrwertsteuer und Versandkosten in unserem Internetshop http://www.fotoshop.de nicht unmittelbar am, sondern genau 50 mm weiter unter dem Artikelpreis (!) platziert war, Streitwert 62.500,- Euro. Ein Urteil des OLG Hamburg.
Entsprechend dem Urteil des BGH, ist die Abmahnung aus 2004/2005 total haltlos/falsch.
Kann man das OLG, den Media-Markt und Herrn RA Steinhöfel, hier in Regress nehmen?
Ist die abgegebene Unterlassungserklärung aufgrund des Urteils noch rechtskräftig?
Die Partei, die in diesem BGH-Verfahren unterlag, muss die Gerichts- und Anwaltskosten der Partei tragen, die gewonnen hat. Inwieweit eine Unterlassungserklärung automatisch durch neue Rechtsprechung ungültig ist oder aktiv gekündigt werden kann, hängt von dem genauen Wortlaut der Unterlassungserklärung ab. Welche Kosten geltend gemacht werden können, hängt vom Ablauf des Verfahrens ab. Dies kann hier wegen des Rechtsberatungsgesetzes nicht geprüft oder beantwortet werden. Bitte wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens.
Ein Urteil, dass mit gesundem Verstand gefällt wurde. Die zwangsweise notwendigen Angaben zu Umsatzsteuer und Versandkosten in unmittelbarer Nähe zur Preisangabe gingen auf Kosten der Übersichtlichkeit, der gestalterischen Möglichkeiten des Shops und Benutzerfreundlichkeit. Das in Deutschland auf nahezu alles Mehrwertsteuer entrichtet werden muss gehört zur allgemeinen Lebenserfahrung und dient nun nicht mehr der Geschäftemacherei durch Ausnutzen unklarer oder lebensfremder Rechtssprechung.
Ist es wirklich machbar, dem Kunden die Versandkosten schon zu Beginn des Bestellvorgangs anzuzeigen ? In unserem Shop werden Versandkosten nach Gewicht berechnet. Oder auch beim Versand ins Ausland muss der Kunde erst mal den Bestellprozess starten und seine Adresse angeben, damit die Shopsoftware weiß, wohin die Ware gehen soll und dann entsprechend rechnen kann. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz oder verstehe ich da was falsch ?