Nachdem sich der Spiegel des Themas angenommen hat, berichten immer mehr Print-, Online- und Fernsehmedien über den wie es heißt "misslungenen Enwurf" der Muster-Widerrufsbelehrung, den das Bundesjustizministeriums unlängst vorgestellt hat.
Lesen Sie hier Ausschnitte von ZDF heute, Manager Magazin und Internet World Business.
Die im Jahr 2002 eingeführte und 2004 nur unwesentlich überarbeitete Muster-Widerrufsbelehrung zieht von je her Kritik aus Rechtsprechung und Literatur aus sich, wurde von einigen Gerichten für unwirksam erklärt und ist häufig Anlass für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von Unternehmern. Daher hat das Bundesjustizministerium unlängst einen Entwurf für die Neufassung der Musterbelehrungen vorgelegt. Wir haben hier im shopbetreiber-blog ausgiebig berichtet ("Kein Scherz: Neue Muster-Widerrufsbelehrung soll 4 DIN A4 Seiten lang werden").
Da mehr und mehr die Medien endlich das Thema aufgreifen, haben wir einen Pressespiegel zum Überblick der letzten Tage zusammen gestellt:
ZDF heute betont, dass "kaum ein Online-Shop vor Abmahnung sicher" sei. Der Redakteur Alfred Krüger zitiert auch eine Trusted Shops Umfrage zum Thema Shop-Abmahnungen und stellt die Problematik der Abmahnwellen bei eBay heraus.
Wer sich an die eBay-Regeln hält und keine Grafiken benutzt, ist immer noch nicht auf der abmahnsicheren Seite - auch dann nicht, wenn er sich in seiner Widerrufsbelehrung auf jenen offiziellen Mustertext verlässt, den sich vor Jahren das Bundesjustizministerium ausgedacht hat. Gerichte haben in diesem Mustertext wiederholt erhebliche Mängel entdeckt - so etwa die Landgerichte in Halle und Koblenz.
"Die Rechtsprechung sieht zum Teil die Muster als nicht ausreichend an", erklärt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Kritik kommt auch vom Kölner Unternehmen Trusted Shops. " In einer Umfrage aus dem April 2007 haben wir (...) festgestellt, dass 26 Prozent der Abmahnungen von Internethändlern mit dem Widerrufsrecht zu tun hatten", heißt es bei Trusted Shops. Schuld daran seien unter anderem die "zahlreichen Schwächen und Fehler" der "amtlichen" Vorlage.
Eindeutig, präzise und für jedermann verständlich - so sollte eine Widerrufsbelehrung sein, meint Carsten Föhlisch, Justitiar bei Trusted Shops. Ansonsten könne es passieren, dass die Belehrung ihren eigentlichen Zweck verfehle und "vom Verbraucher nicht mehr verstanden würde". Ein zu detailliertes Belehrungsmuster laufe zudem Gefahr, "für den Unternehmer nicht mehr handhabbar zu sein".
Der neue Mustertext schafft beides. Sein Juristendeutsch ist für den durchschnittlichen Verbraucher, den er ja schützen und belehren soll, in großen Teilen unverständlich. Obendrein ist er für eBay-Händler, die ihre Kunden übersichtlich informieren wollen, viel zu lang. Eine Widerrufsbelehrung nach Vorgabe des Bundesjustizministeriums müsste aus ungefähr 12.000 Zeichen bestehen - und wäre damit doppelt so lang wie dieser Artikel ...
Konrad Lischka berichtet in der Online-Ausgabe des Spiegel auch über die Problematik:
Textmonster für den Online-Handel: Der Ministeriumsentwurf für eine Muster-Widerrufsbelehrung verlangt, dass Web-Händler endlos Paragrafen zitieren. Experten urteilen: Der Entwurf wird Abmahnanwälte kaum stoppen - und die wichtigsten Praxisfragen bleiben eh offen.
Es werde "gar nicht möglich sein", Kunden vor der Vertragserklärung entsprechend zu informieren, warnt Carsten Föhlisch, Justitiar des Onlineshop-Dienstleisters "Trusted Shops" im Firmenblog. Denn dieses Textmonster ließe sich doch zum Beispiel bei Bestellungen über Internet-Handys "praktisch nicht unterbringen".
Trusted-Shops-Justiziar Carsten Föhlisch lobt zwar den Entwurf, weil er "nahezu alle Vorschläge" umsetzt, "die DIHK und Trusted Shops im Vorfeld unterbreitet hatten". Aber, so Föhlischs Hauptkritikpunkt: "Unternehmer werden nicht besser vor Abmahnungen geschützt, sondern wegen der gestiegenen Komplexität könnten neue "Steilvorlagen" für abmahnwillige Konkurrenten geliefert werden."
Der gleiche Bericht findet sich auch im Manager Magazin.
Dr. Matthias Hell stößt in der Branchenpublikation Computer Reseller News mit seinem Artikel Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück in's gleiche Horn:
Nach mehrjähriger Vorarbeit hat das Justizministerium nun einen Diskussionsentwurf für eine verbesserte Muster-Widerrufsbelehrung veröffentlicht, der schon rein formal nicht überzeugen kann: Der neue Mustertext ist rund vier DIN-A4-Seiten lang und damit alles andere als eindeutig und leichtverständlich.
»Wir freuen uns zwar, dass das Ministerium jetzt einige Verbesserungen umsetzen will, die die Gerichte fordern«, erklärt Carsten Föhlisch, Justiziar des Zertifizierungsdienstes für Onlinehändler Trusted Shops, zu dem Entwurf. »Derart lange Belehrungstexte sind jedoch für Unternehmer unpraktikabel und für die Verbraucher intransparent«.
Diese Intransparenz kritisiert auch Golem.de.
Anders als von DIHK und Trusted Shops vorgeschlagen sollen Händler entsprechend dem Entwurf verpflichtet werden, in der Belehrung viele Paragrafen im Wortlaut wiederzugeben. Damit umfasst der Text - abhängig vom speziellen Fall - zum Teil über 1.700 Wörter, das sind rund vier DIN-A4-Seiten Text. Dies sei für Unternehmer unpraktikabel und für die Verbraucher intransparent, meint Trusted Shops. Zudem wird kritisiert, dass das Muster nach aktueller Planung weiterhin Bestandteil der Verordnung BGB-InfoV bleibt und auch künftig keinen Gesetzesrang hat. Dadurch sei es nach wie vor möglich, dass Gerichte Textbestandteile monieren, weil sie dem übergeordneten Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) widersprechen. Händler hätten bei Verwendung des neuen Musters auch in Zukunft keine Rechtssicherheit.
Die Ausgabe 24/2007 der Internet World Business fragt auf Seite 1: "Droht ein Papierwust?"
Das Dauerdrama um die korrekte Formulierung einer Widerrufsbelehrung im E-Commerce nimmt groteske Züge an. Nachdem mehrere Gerichte den vom Justizministerium empfohlenen Mustertext für rechtswidrig erklärt hatten, stand die Zypries-Behörde unter Druck - und produzierte jetzt eine Monstererklärung, welche zukünftig jedem Versandpaket beiliegen soll. Auf mindestens vier Seiten im DIN-A4-Format wird dem Bürger künftig erklärt, welches seine Rechte im E-Commerce sind.
Carsten Föhlisch, Justiziar des Shop-Zertifizierers Trusted Shops, begrüßt zwar, dass das Ministerium im neuen Mustertext fast alle Anregungen von Trusted Shops und DIHK berücksichtigt hat, findet aber den Umfang völlig überzogen. Zudem soll die neue Belehrung wieder nur den Rang einer Verordnung haben - und wäre so weiterhin juristisch angreifbar. Wie es anders geht, zeigt sich in Belgien. Dort hat die Widerrufsbelehrung Gesetzesrang und besteht aus einem Satz. fk
Dies sind nur einige Medien-Berichte zum Thema, viele weitere lassen sich nach kurzer Google-Recherche zudem finden.
Zum Hintergrund
Lesen Sie hier über die Pläne des Bundesjustizministeriums, die Kritik von Trusted Shops und die Alternativen zum jetzigen Entwurf.
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