Die Rechtsprechung des OLG Hamburg wurde im Internet veröffentlicht und löste Verunsicherung unter Online-Händlern aus. Viele Shop-Systeme waren und sind auf die strengen Anforderungen des Gerichts technisch nicht vorbereitet. Mehr oder weniger seriöse Anwaltskanzleien haben dies zum Anlass genommen, auf Rechtsverstöße „hinzuweisen“, und zwar in Form von kostenpflichtigen Abmahnungen.
Im Dezember 2004, also kurz nach Veröffentlichung des ersten Urteils, wurden mindestens 150 Online-Händler abgemahnt, weil ein Hinweis auf MWSt und Versandkosten fehlte oder nicht in unmittelbarer Nähe der Preise erfolgte. Damals waren Händler aus der Sportnahrungsbranche betroffen. Seit Mitte 2005 werden ebenfalls eine Vielzahl von Händlern aus der Unterhaltungselektronikbranche abgemahnt, weil keine expliziten Angaben zu Versandkosten neben jedem Preis erfolgen (ein Link auf eine Versandkostentabelle wird teilweise als unzureichend eingestuft).
Die Firma „MM Chemnitz Süd“, damals Betreiberin des Shops mm.de, wurde im Jahr 2003 ursprünglich selbst abgemahnt, weil die Angaben zur enthaltenen MWSt nur in einer Fußzeile untergebracht wurden. So kam es auch zu einem Verfahren vor dem OLG Hamburg. Möglicherweise war dies auch einer der Gründe, warum verschiedene Filialen der Firma nun ihrerseits eine Reihe von Online-Händlern abmahnen, um für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.
In der Presse werden „Abmahnwellen“ damit begründet, man wolle sich davor schützen, dass Kunden Preise aus dem Internet mit Abholpreisen in stationären Filialen vergleichen, ohne zu wissen, dass der Versand nicht eingeschlossen ist.
Eine Abmahnung ist grundsätzlich ein legitimes Mittel, einen Unterlassungsanspruch wegen einer Rechtsverletzung außergerichtlich durchzusetzen. Allerdings wollte ein Händler die Sichtweise des OLG Hamburg nicht akzeptieren und hat gegen das ihn betreffende Urteil Revision eingelegt. Wann der BGH über die Frage entscheidet, ist derzeit allerdings völlig offen. Verfahrensdauern von mehreren Jahren sind durchaus üblich. Das BGH-Urteil hat sicherlich auch Auswirkungen auf den Katalogversandhandel, denn auch hier müssten Angaben direkt auf den Produktseiten gemacht werden.
Bis zur höchstrichterlichen Klärung laufen Online-Shop-Betreiber Gefahr, in Hamburg auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Wegen der Reichweite von Online-Angeboten kann sich der Konkurrent nämlich das Gericht aussuchen, das die für ihn günstige Rechtsauffassung vertritt (sog. „fliegender Gerichtsstand“). Im Zweifel wird dies das Landgericht Hamburg sein, bei dem derzeit „wäschekörbeweise“ Anträge auf einstweilige Verfügungen eingehen sollen.
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