Update: Die entsprechende RL (EU) 2023/2673 ist am 18.12.2023 in Kraft getreten. Mit Art. 11a VRRL haben die Vorgaben für eine „Widerrufsfunktion“ bei allen Fernabsatzverträgen, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen wurden, in den finalen Rechtsakt Einzug gehalten. Die Mitgliedstaaten müssen bis zum 19.12.2025 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen und diese ab dem 19.6.2026 anwenden. Wir werden Sie noch in einem separaten Beitrag hierüber informieren.

Ein neuer Vorschlag der EU sieht die Einführung eines Widerrufsbuttons bei Fernabsatzverträgen vor. Bereits im Juni hatten sich das Europäische Parlament und der Rat vorläufig geeinigt. Das Parlament hat nun die entsprechende Richtline gebilligt.

Hintergrund

Die Europäische Kommission hatte am 11.5.2022 einen Vorschlag zur Änderung der RL 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie; VRRL) und zur Aufhebung der 20 Jahre alten FinanzdienstleistungsRL 2002/65/EG vorgelegt (COM(2022) 204 final). Um Verbraucher insbesondere vor komplexen und möglicherweise schwer zu verstehenden Finanzdienstleistungen zu schützen, sah der Vorschlag vor, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen einen Widerrufsbutton bereitzustellen. Dem Rat der Europäischen Union wurde anschließend jedoch durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter eine Ausweitung auf alle Fernabsatzverträge vorgeschlagen. Der Widerruf soll genauso leicht möglich sein wie der Vertragsschluss.

Der vom Parlament angenommene Text

Die VRRL soll um einen neuen Art. 11a ergänzt werden (nachfolgend VRRL-E), der die entsprechenden Vorgaben enthalten soll. Art. 11a Abs. 1 VRRL-E enthält die Verpflichtung, für Fernabsatzverträge eine Widerrufsfunktion einzuführen, die mit den Worten „Vertrag widerrufen“ oder einer entsprechenden Formulierung gekennzeichnet ist. Diese Widerrufsfunktion soll hervorgehoben platziert und leicht zugänglich sein. Im letzten Entwurf war von „einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion“ die Rede.  Diese Formulierungen erinnerten stark an den bereits im letzten Jahr eingeführten Kündigungsbutton für Dauerschuldverhältnisse, bei dem es sich jedoch um eine rein nationale Vorgabe ohne europarechtlichen Hintergrund handelt. Nun wurde der Text zu einer „Widerrufsfunktion“ geändert.

(1) Bei Fernabsatzverträgen, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, stellt der Unternehmer sicher, dass der Verbraucher den Vertrag auch widerrufen kann, indem er eine Widerrufsfunktion benutzt.

Die Widerrufsfunktion wird gut lesbar mit den Worten „Vertrag widerrufen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet. Die Widerrufsfunktion ist während der gesamten Widerrufsfrist durchgehend verfügbar. Sie ist auf der Online-Benutzeroberfläche hervorgehoben platziert und für den Verbraucher leicht zugänglich.

Die Widerrufsfunktion muss während der gesamten Widerrufsdauer verfügbar sein. Im letzten Entwurf fand sich diese Anforderung nur in den Erwägungsgründen, nun wurde sie direkt in den Richtlinientext aufgenommen. Wie diese Anforderung in der Praxis jedoch funktionieren soll, ist unklar. Die Widerrufsfrist beginnt grds. mit Erhalt der Ware und müsste individuell berechnet oder bspw. mit den Tracking-Informationen verknüpft werden, damit der Unternehmer weiß, wann die Ware angekommen ist. Ebenso sind Feiertage bei der Frist zu berücksichtigen, die je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen können. Zudem müssen auch die Ausnahmeregelungen in § 312g Abs. 2 BGB, der Art 16 VRRL umsetzt, beachtet werden, denn für einige Vertragsarten besteht von Anfang an kein Widerrufsrecht, bspw. wenn die Ware auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten wurde, § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Anzugebende Informationen

Um seine Widerrufserklärung abgeben zu können, soll der Verbraucher seinen Namen, die Angaben zur Identifizierung des Vertrags und Angaben zum Erhalt der Widerrufsbestätigung angeben. Die Erwägungsgründe nennen auch die Möglichkeit, die zur Identifizierung des Vertrags erforderlichen Angaben zu bestätigen. So könnte beispielsweise ein Verbraucher, der sich – z.B. durch Einloggen – bereits identifiziert hat, bestätigen, von welchem Vertrag er zurücktreten möchte, ohne dass sein Name und die Bezeichnung des Vertrags angegeben werden müssen. Ebenfalls kann der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit eines Teilwiderrufs ermöglichen, wenn er mehrere Waren oder Dienstleistungen bestellt hat.

(2) Die Widerrufsfunktion ermöglicht es dem Verbraucher, eine Online-Widerrufserklärung zu versenden, mit der der Unternehmer von der Entscheidung des Verbrauchers, den Vertrag zu widerrufen, in Kenntnis gesetzt wird. Über diese Online-Widerrufserklärung kann der Verbraucher ohne Weiteres die folgenden Informationen bereitstellen oder bestätigen:

a) seinen Namen;

b) Angaben zur Identifizierung des Vertrags, den der Verbraucher widerrufen möchte;

c) Angaben zu dem elektronischen Kommunikationsmittel, mit dem dem Verbraucher die Eingangsbestätigung für den Widerruf übermittelt werden wird.

Die endgültige Abgabe der Widerrufserklärung soll nach Art. 11a Abs. 3 VRRL-E ebenfalls über eine Funktion erfolgen, der ihrerseits mit den Worten „Widerruf bestätigen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet ist.

(3) Sobald der Verbraucher die Online-Widerrufserklärung gemäß Absatz 2 ausgefüllt hat, ermöglicht der Unternehmer dem Verbraucher, ihm diese Erklärung mittels einer Bestätigungsfunktion zu übermitteln.

Diese Bestätigungsfunktion wird gut lesbar und ausschließlich mit den Worten „Widerruf bestätigen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet.

Bestätigung des Widerrufs

Wenn der Verbraucher den Widerruf über den Widerrufsbutton erklärt hat, muss der Unternehmer den EIngang unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen.

(4) Sobald der Verbraucher die Bestätigungsfunktion aktiviert hat, übermittelt der Unternehmer dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger unverzüglich eine Eingangsbestätigung, die unter anderem den Inhalt der Widerrufserklärung sowie das Datum und die Uhrzeit ihres Eingangs enthält.

(5) Das Widerrufsrecht des Verbrauchers gilt als innerhalb der einschlägigen Widerrufsfrist ausgeübt, wenn der Verbraucher die Online-Widerrufserklärung im Sinne dieses Artikels vor Ablauf dieser Frist abgegeben hat.

Belehrung über den Widerrufsbutton

Zudem soll der bisherige Art. 6 VRRL, der die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen enthält, erweitert werden, sodass künftig auch über den Widerrufsbutton zu informieren ist. Hierzu soll Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL folgende Fassung erhalten:

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B und gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Platzierung der Widerrufsfunktion nach Artikel 11a

Hier ist fraglich, warum erneut der Begriff „gegebenenfalls“ verwendet wird.

Anpassung der Muster-Widerrufsbelehrung

Außerdem soll der Gestaltungshinweis 3 der Muster-Widerrufsbelehrung angepasst werden. Eine entsprechende Anpassung fehlte noch im vorherigen Entwurf. Gestaltungshinweis 3 regelt bisher die freiwillig zur Verfügung des Unternehmers, online eine Widerrufserklärung abgegeben zu können, und soll folgende Fassung erhalten:

3.Wenn Sie dazu verpflichtet sind, eine Funktion bereitzustellen, mit der der Verbraucher den online geschlossenen Vertrag widerrufen kann, fügen Sie Folgendes ein: „Sie können Ihr Widerrufsrecht auch online unter [Internetadresse oder anderen geeigneten Hinweis darüber eingeben, wo die Widerrufsfunktion verfügbar ist] ausüben. Wenn Sie diese Online-Funktion nutzen, übermitteln wir Ihnen auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. durch eine E-Mail) unverzüglich eine Eingangsbestätigung mit Informationen zum Inhalt der Widerrufserklärung sowie dem Datum und der Uhrzeit ihres Eingangs.“ Wenn Sie dem Verbraucher die Wahl einräumen, die Information über seinen Widerruf des Vertrags auf Ihrer Webseite elektronisch auszufüllen und zu übermitteln, fügen Sie Folgendes ein: „Sie können das Muster-Widerrufsformular oder eine andere eindeutige Erklärung auch auf unserer Webseite [Internet-Adresse einfügen] elektronisch ausfüllen und übermitteln. Machen Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, so werden wir Ihnen unverzüglich (z. B. per E-Mail) eine Bestätigung über den Eingang eines solchen Widerrufs übermitteln.“

Geltungsbeginn

Es ist geplant, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden Vorschriften zur Umsetzung der VRRL-E innerhalb von 24 Monaten umsetzen, nachdem die VRRL-E letztendlich in Kraft getreten ist. Sechs Monate nach der Umsetzung in nationales Recht müssen die neuen Vorschriften angewendet werden.

Fazit

Es ist zu befürchten, dass künftig neue Pflichten hinsichtlich des Widerrufsrechts auf Onlinehändler zukommen werden. Die Einführung eines Widerrufsbuttons wird definitiv technischen und organisatorischen Aufwand verursachen und ist nicht bis ins Detail durchdacht. Andererseits könnte eine entsprechende Regelung auch Vorteile bieten. Der Widerruf eines Verbrauchers könnte direkt der Bestellung zugeordnet werden ohne die händische Eingabe etwaiger Retourenzettel. Ebenso wäre diese Änderung der VRRL für den europäischen Gesetzgeber eine gute Gelegenheit, das für die Praxis völlig ungeeignete Muster-Widerrufsformular aus der Widerrufsbelehrung zu streichen und generell die vorvertraglichen Pflichten für Onlinehändler zurückfahren.

Das Europäische Parlament hat den Vorschlag in der ersten Lesung gebilligt. Der Rat kann nun beschließen, den Standpunkt des Parlaments ebenfalls zu billigen oder den Standpunkt zu ändern und den Vorschlag zur zweiten Lesung an das Parlament zurückzuverweisen. Es ist zu hoffen, dass die Regelung noch einmal überarbeitet wird. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie informieren.

r.classen/Shutterstock.com

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