Wenn mit einer Garantie geworben wird, muss bereits im Online-Shop über die Garantiebedingungen informiert werden. Aber besteht eine entsprechende Informationspflicht über Garantien auch dann, wenn gar nicht mit ihnen geworben wird? Ja, entschieden nun das OLG Hamm und das LG Bochum. Auch wenn nicht mit Herstellergarantien oder Garantien Dritter geworben werde, müsse über sie informiert werden.
Die Entscheidung des LG Bochum
Im vom LG Bochum (Urt. v. 27.11.2019 – I-15 O 122/19) entschiedenen Fall bot die Beklagte eine Apple Watch über eBay an. Hierfür besteht die sog. „Apple Garantie“, über welche die Beklagte jedoch nicht in ihrem Angebot informierte. Die Klägerin ließ sie daraufhin abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, die die Beklagte jedoch nicht abgab.
Das Gericht entschied, dass die gesetzliche Informationspflicht nach § 312d BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB allein an die Existenz einer Garantieerklärung anknüpfe. Bereits dann müsse der Verbraucher darüber informiert werden. Eine werbliche Hervorhebung sei weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Verbraucher umfassend zu informieren, erforderlich.
Umfassende Informationspflicht
Der Wortlaut unterscheide nicht zwischen einer Herstellergarantie und einer Garantie, die nur vom Verkäufer oder von einem Dritten angeboten wird, mit der er jedoch selbst wirbt.
Die globale Formulierung „Garantien“ spricht nach Auffassung der Kammer bereits für eine umfassende Informationspflicht des Unternehmers über sämtliche Arten von Garantien. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist nach Ansicht der Kammer der Tatsache, dass der Unternehmer nach der vorgenannten Regelung auch über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst und Kundendienstleistungen zu informieren hat, nicht zwingend zu entnehmen, dass ausschließlich hinsichtlich solcher Garantien zu informieren wäre, bei denen der Unternehmer selbst der Garantiegeber ist. Denn dann würde sich die statuierte Informationspflicht nicht auf solche Garantien erstrecken, mit denen der Unternehmer zwar wirbt, die jedoch vom Hersteller oder sonstigen Dritten herrühren. Dass eine solche vom Wortlaut nicht geforderte und dem Verbraucherschutz diametral entgegenstehende Sichtweise unzutreffend ist, versteht sich nach Auffassung der Kammer von selbst; sie findet in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – keine Stütze. Vielmehr bestehen in jener Konstellation keine Zweifel hinsichtlich der Informationspflicht des mit der Garantie werbenden Unternehmers.
Diese Sichtweise werde von der Gesetzessystematik gestützt. Die Informationspflichten des Art. 246a § 1 EGBGB beziehen sich nicht nur auf den anbietenden Unternehmer und sein Angebot.
Einheitlicher Garantiebegriff
Zudem werde der Begriff der Garantie in § 443 Abs. 1 BGB legaldefiniert und sowohl für Herstellergarantien, Garantien sonstiger Dritter als auch für Garantien des Verkäufers verwendet. Beide Regelungen beruhen auf der VRRL, weshalb sie einheitlich auszulegen seien.
Daher muss das Wort „Garantie” des Artikel 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass die „gewerbliche Garantie“ gemeint ist und dementsprechend der Unternehmer auch auf eine zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangenen Verpflichtung des Herstellers als Garantiegeber hinzuweisen hat.
Sinn und Zweck der Vorschrift seien es, den Verbraucher umfassend zu informieren.
Für die inhaltliche Reichweite der Informationspflicht sei auf § 479 Abs. 1 BGB zurückzugreifen, wonach einfach und verständlich auf
- die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hingewiesen werden muss und darauf, dass diese nicht eingeschränkt werden und
- den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, zu informieren, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers
Die Ansicht des LG Hannovers, das gegenteilig entschied und ein solches Verständnis für eine „unpraktikable Ausdehnung“ der Informationspflicht hielt, die den Unternehmer unbillig überfordere, teilte das LG Bochum nicht. Bezüglich der Herstellergarantie werde der Unternehmer regelmäßig nur über eine weitere Garantie informieren müssen.
Entsprechende Informationen enthielt das Angebot der Beklagte jedoch nicht.
Nachforschungspflicht des Unternehmers
Das Gericht ging sogar noch einen Schritt weiter und nahm sogar eine Nachforschungspflicht für den Verkäufer an.
Nach Auffassung der Kammer […] verpflichtet § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer einer Ware, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-) Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um seine Kunden sodann näher über diese Garantien informieren zu können. Die Informationspflicht des Verkäufers greift nach Wortlaut der vorgenannten Vorschriften, ihrem Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens nicht nur dann ein, wenn das Warenangebot […] einen Hinweis (in welcher Form auch immer) auf das Bestehen einer Garantie enthält.
Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm (Urt. v. 26.11.2019 – I-4 U 22/19) musste in einem Fall entscheiden, in dem die Beklagte über Amazon ein Taschenmesser anbot. Sie informierte in ihrem Angebot nicht über eine Garantie, verlinkte jedoch über „Weitere technische Informationen“ auf ein Produktinformationsblatt des Herstellers. Dieses enthielt am Ende einen Hinweis auf die sog. „Victorinox-Garantie“ mit folgendem Text: „Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen waren dort nicht enthalten und die Anforderungen, die an eine Garantieerklärung zu stellen sind, damit nicht erfüllt. Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin ab und verlangte die Abgabe einer Unterlassungserklärung, dem die Beklagte nicht nachkam.
Auch hier entschied das Gericht, dass der Händler über den Inhalt und den Umfang der Garantie informieren müsse.
Werbung mit Garantie keine Voraussetzung
Die Informationspflicht knüpfe allein an die Existenz einer Garantieerklärung an.
Eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie ist weder nach dem Wortlaut der Regelung noch nach ihrem Sinn und Zweck, nämlich der möglichst umfassenden Information des Verbrauchers über das Für und Wider eines Vertragsschlusses […], erforderlich, um den Anwendungsbereich der vorbezeichneten Regelung zu eröffnen.
Ob eine Pflicht bestehe, wie sie das LG Bochum annahm, aktiv nach dem Bestehen einer Herstellergarantie zu suchen, ließ das Gericht ausdrücklich offen. Die Informationspflicht greife jedoch dann, wenn das Warenangebot einen Hinweis in welcher Form auch immer auf das Bestehen einer Garantie enthält. Für die inhaltliche Reichweite gelte § 479 Abs. 1 BGB. Diesen Anforderungen entsprach die enthaltene Garantieerklärung des Herstellers jedoch nicht.
Die Urteile des LG Bochum und des OLG Hamm sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung des OLG Hamm wird die Revision beim BGH unter dem Aktenzeichen I ZR 241/19 geführt.
Gegenteilige Entscheidungen
Andere Gerichte haben die Frage zur Informationspflicht über Herstellergarantien jedoch auch anders beantwortet. Das LG Hannover entschied, dass die Informationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB nicht dahingehend zu verstehen sei, dass der Unternehmer auch über Herstellergarantien zu informieren habe, die er nicht in seinem Angebot erwähnt.
Dieser Ansicht schloss sich zuletzt auch das LG Bamberg (Urt. v. 10.12.2019 – 1 HK O 20/19) an. Eine solche Informationspflicht ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Fazit
Die Urteile des OLG Hamm und des LG Bochum bedeuten noch größere Unsicherheiten für Onlinehändlerinnen und -händler im Bereich der Garantiewerbung. Sollte der BGH die Rechtsprechung des OLG Hamm bestätigen, muss auf bestehende Herstellergarantien und Garantien Dritter hingewiesen werden, auch wenn diese gar nicht im Angebot erwähnt werden.
Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfehlen wir bis zu einer endgültigen Klärung, auch über entsprechende Herstellergarantien gemäß den Anforderungen des § 479 Abs. 1 BGB zu informieren. Wie das Urteil des OLG Hamm zeigt, besteht in diesem Fall jedoch das Risiko, dass entsprechende Garantieerklärungen des Herstellers fehlerhaft sind und Sie die Haftung hierfür übernehmen müssen. Dann müssten Regressansprüche gegen den Hersteller geprüft werden.
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Muss mir jetzt aber jemand mal erklären, warum ich dann im stationären Handel z.B. einen Staubsauger in einem zugeklebten Karton kaufen kann auf dem draußen als Information gerade mal “5 Jahre Garantie” draufsteht – und wo ich dann ja nicht mal die Möglichkeit habe den Staubsauger zurückzugeben, wenn ich anschließend vielleicht von den Garantiebedingungen entäuscht bin.
So langsam nimmt die Ungleichbehandlung im Online-Handel Ausmaße an, die überhaupt keine plausible Grundlage mehr haben.
Vergleichbare Abmahnungen werden seit einigen Jahren auch schon an stationäre Händler ausgesprochen (vor allem Baumärkte), weil die gleiche Regelung dort auch gilt.
Über die Urteile der deutschen Gerichte kann man nur noch sagen:
“Das ist absolut weltfremd”
Armes Deutschland
Die Informationspflicht ist völlig unangemesen. Der (Online-)Händler muss ohnehin schon viele rechtliche Informationspflichten erfüllen – Widerruf, DSGVO, Altgeräteentsorgung, Cookies, Grundpreise, Meldepflichten für Verpackungen… – wie geht das weiter?
Es ist mir unbegreiflich, wie sehr doch die Eigenverantwortung dem mündigen Bürger/Verbraucher mittlerweile abgesprochen wird.
Eine Garantie kann man jederzeit beim Hersteller ergoogeln (oder anderweitig erfragen). Zudem ist es eine freiwillige Herstellerleistung, worauf man als Händler keinen Einfluss hat – ganz im Gegensatz zur Gewährleistung, die gesetzlich geregelt ist.
Ich verstehe wohl die Pflicht, wenn damit geworben wird. Nicht aber die Pflicht ohne Bewerbung der Garantie aktiv danach zu suchen und es in vollem Umfang in die Produktinformation aufzunehmen. ABM für Onlinehändler, die es heutzutage ohnehin schon schwer haben, um in diesem von Abmahnern wimmelnden Geschäft zu bestehen.
Spät. seit dem Künast-Prozess zweifle ich ohnehin an einer adäquate Urteilsfähigkeit deutscher Richter. Dort sollte dringend mal nachgebessert werden.
Ich weiß wirklich nicht, was ich denken soll. Es ist gut, aber ich denke leider, dass die meisten Verkäufer Lösungen für dieses Problem finden werden.