Der EuGH hat klargestellt, dass die Verjährungsfrist gegenüber Verbrauchern auch bei gebrauchten Waren – entgegen der bisherigen Praxis in Deutschland – nicht verkürzt werden darf. Wir klären Sie über die Auswirkungen der Entscheidung auf.
Aktuelle Regelung in Deutschland unionsrechtswidrig
Händler in Deutschland konnten sich bisher auf die Bestimmung in § 476 Abs. 2 BGB berufen und in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln aufnehmen, welche die Verjährung bei gebrauchten Waren im B2C Bereich auf ein Jahr verkürzen. Zahlreiche Online-Shops nahmen diese gesetzliche Berechtigung in Anspruch. Die Wirksamkeit der vertraglichen Klausel galt aufgrund der vorgenannten BGB-Vorschrift als unbedenklich. Der deutsche Gesetzgeber war nämlich schon im Rahmen der Schuldrechtsreform 2002 davon ausgegangen, dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr bei gebrauchten Sachen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (1999/44/EG) entspricht und daher gesetzlich verankert werden kann.
Die genaue Lektüre der Richtlinie ergibt allerdings, dass diese im Gegensatz zum deutschen Kaufrecht zwei Fristen unterscheidet:
- Haftungsfrist oder Haftungsdauer: wenn ein Mangel nach Ablauf dieser Frist auftritt, sind Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen
- Verjährungsfrist: nach Ablauf der Verjährungsfrist kann der Verbraucher etwaige Gewährleistungsansprüche nicht geltend machen
Artikel 7 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie lautet:
„Im Fall gebrauchter Güter können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftet als in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehen. Diese kürzere Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten.“
Das bedeutet: die Mitgliedstaaten können schon nach dem Wortlaut der Richtlinie „nur“ Regelungen vorsehen, die die Haftungsdauer bei gebrauchten Waren auf ein Jahr verkürzen, nicht aber die Verjährung. Als Händler können Sie also zulässigerweise vorsehen, dass jegliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind, wenn sich ein Mangel erst nach einem Jahr nach Ablieferung der Ware zeigt. Taucht der Mangel hingegen schon innerhalb eines Jahres nach Ablieferung auf, darf Ihr Kunde seine Ansprüche innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren geltend machen. Diese Frist darf nicht verkürzt werden.
Da in Deutschland § 476 Abs. 2 BGB eben diese Verkürzung bewirkt, verstößt diese Regelung gegen das Unionsrecht, was vom Europäischen Gerichtshof – wenn auch im Zusammenhang mit belgischem Recht – nun explizit bestätigt wird (Urteil v. 13.07.2017, RS C‑133/16).
Der Gesetzgeber muss nun agieren
Die Entscheidung des Gerichtshofs führt dazu, dass die BGB-Regelung entsprechend geändert werden müsste, um den Bestimmungen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie zu entsprechen. Nach unseren Informationen wird im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bereits die Möglichkeit einer Gesetzesänderung geprüft, so dass ein entsprechender Vorschlag den Gesetzgebungsorganen vorgelegt werden kann. Wir halten Sie natürlich hier weiterhin auf dem Laufenden.
Was bedeutet die EuGH Entscheidung für schon bestehende AGB-Klauseln?
Bis eine Gesetzesänderung beschlossen wird und in Kraft tritt, verbleibt die Wirksamkeit des § 476 Abs. 2 BGB, auch wenn die Vorschrift im direkten Widerspruch zur aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht und daher unionsrechtswidrig ist. Denn die maßgebliche Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie hat keine unmittelbare Wirkung gegenüber einzelnen Bürgern. Sie verpflichtet ausschließlich die Mitgliedstaaten, die Richtlinie ins nationale Recht umzusetzen. Streng genommen soll daher eine Beanstandung von AGB-Klauseln, die auf geltendes deutsches Recht zurückzuführen sind, rechtlich nicht möglich sein. Auch könnte eine sog. ergänzende Vertragsauslegung als Argument gegen potentielle Beanstandungen eingesetzt werden. Eine zumindest mittelbare Auswirkung der aktuellen Entscheidung bleibt allerdings möglich, denn deutsche Gerichte sind verpflichtet, die einschlägigen Gesetze entsprechend dem Sinn und Zweck der Richtlinien der Union auszulegen.
Aktuelles Update des Trusted Shops Rechtstexters
Abmahnungen können daher nicht ausgeschlossen werden, so dass wir bereits an dieser Stelle eine Anpassung der problematischen Klausel empfehlen und unseren Rechtstexter entsprechend der EuGH-Entscheidung angepasst haben. Händler können weiterhin eine Beschränkung der Gewährleistungsansprüche gegenüber Verbrauchern bei gebrauchten Waren bewirken, allerdings führt diese nicht zu einer Verkürzung der Verjährungsfrist, sondern nur der Haftungsdauer.
Fazit
Die aktuelle Entscheidung des Gerichtshofs gibt im Ergebnis die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie wieder. Soweit Ihre AGB aktuell Klauseln beinhalten, die eine Verjährungsverkürzung gegenüber Verbrauchern bei gebrauchten Waren vorsehen, empfehlen wir jetzt schon eine Anpassung dieser vertraglichen Klauseln, um die Rechtmäßigkeit nach europäischem Recht sicherzustellen. Etwaige Abmahnungen, die diese Problematik zum Gegenstand haben und lauterkeitsrechtliche Ansprüche gegen Händler beinhalten, können sich nach unserer Auffassung gleichwohl als unberechtigt darstellen bis eine entsprechende Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Kraft getreten ist. Jedenfalls bestünden gute Gegenargumente zugunsten abgemahnter Händler.
Leider wieder eine unnötige händlerfeindliche, umweltfeindliche und weltfremde Rechtssprechung. Aber wenn die EU das so will, dann wird gebrauchtes nicht mehr günstig verkauft sondern landet auf den Müll.
@pma Es geht hier weniger darum, was die EU will, sondern vielmehr um das, was die Unionsstaaten “ausgehandelt” haben. Es sollte doch keine Unmöglichkeit sein, den zuständigen EU-Abgeordneten und die deutsche Regierung für das Problem zu sensibilisieren um eine entsprechende Anpassung der Richtlinie zu bewirken. Natürlich ist dies mit Zeit und Aufwand verbunden, aber im konkreten Fall haben Juristen die Richtlinie gelesen und sind zu dem Schluss gekommen, dass das BGB in diesem Punkt nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Das hätte u.U. auch schon bei Verhandlung der Richtlinie erkannt und berücksichtigt werden können. Aber Juristen sind eben auch nur Menschen …
Habe ich das richtig verstanden, der Käufer eines gebrauchten Artikels kann einen Mangel, der innerhalb der Gewährleistungsfrist von einem Jahr auftritt, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von zwei Jahren (ab Verkauf) beim Verkäufer reklamieren?
Wenn dem so ist, dann ist das de facto eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf 2 Jahre (durch die Hintertür)! Bei wem liegt die Beweislast, daß der Mangel innerhalb der Gewährleistungsfrist eingetreten ist?
Ich kann da nur pma zustimmen: Weltfremd, überflüssig und umweltfeindlich! Wieder ein Gesetz, um kleine Online-Händler auszubremsen.
2 Jahre Gewährleistung durch die Hintertür.
Das eine Jahr Gewährleistung ist rum und plötzlich kommt der Kunde an und reklamiert.
Er hat ja zwei Jahre lang Zeit seine Ansprüche geltend zu machen.
“Das war aber schon von Anfang an so” sowas wird ja im Nachgang immer gern behauptet.
Und es ist auch relativ einfach diese Ansprüche geltend zu machen.
Plötzlich kann der beste Busenkumpel sich auch daran erinnern dass man den Verkäufer irgendwann mal telefonisch eine Reklamation ausgesprochen hat.
De facto haften Gebrauchthändler wie für Neuware 2 Jahre lang im vollen Umfang für gebrauchte Ware, egal wie alt, ohne Rückhaftung der Hersteller usw.
Wer möchte sich eigentlich diesem Risiko aussetzen?
Nunja. Zum Glück gibt es die Beweislastumkehr.
Nach 6 Monaten muss der Kunde beweisen dass der Sachmangel direkt bei Kauf vorlag.
Blöd nur, wenn er dazu zwei Jahre lang Zeit hat und auch im Nachgang behaupten wird, dass er den Mangel schon im ersten halben Jahr reklamiert hat.
Hier sind die Gerichte oft sehr Verbraucher freundlich und werden dem Kunden recht geben, wenn er irgendwie einen Zeugen findet der bezeugen kann, das die Ware im ersten halben Jahr reklamiert wurde. Gute Freunde/Verwandte hat jeder….